Leben in Lahore 2 - traditionelle Altstadt
17. juli - 14. august
Assalam Aleykum,
Rund um mich schreien und johlen Pakistanische Männer, klatschen, sprinten, skandieren, tanzen – irgendwann reißen mich der Beat und die Atmosphäre mit, ich stehe ebenfalls auf, versuche, mich möglichst pakistanisch im Takt zuwiegen und nur verhalten mitzuklatschen, aber der Versuch währt nicht lange. Die Hände hoch oben, im Takt klatschend, die Augen geschlossen – genießen. Ein paar der Männer riskieren einen schrägen Blick, aber der Großteil wird ohnehin von der hübschen jungen Sängerin auf der Bühne abgelenkt.Sie geraten immer mehr aus dem Häuschen, vor allem als die Sängerin anfängt, auch noch ein wenig zu tanzen. „Pakistan, Pakistan, Pakistan!“ schallt es in der Konzerthalle – wo bin ich nur hingeraten?
Einer der vielen Kameramänner hat die einzige stehende Frau zwischen den 1000 Leuten erspäht und hält mir eine Kamera vors Gesicht – ich merks nicht, meine Augen sind geschlossen. Wie lange schon hab ich nicht mehr stehend geklatscht, Musik gehört, mich sogar ein wenig im Takt gewiegt – und das Ganze öffentlich? Lang lang ists her – die Sufi Abende waren zwar wundervoll, aber aufstehen oder mitklatschen? Wage es nicht!!!
Hier geben sich traditionelle Tänzer und Sängerinnen die Klinke in die Hand. Als erster wirbelte ein bekannter Sufi trommelnd über die Bühne, die schwarzen, öligen Haare fliegen durch die Luft, dann eine pakistanische „Boygroup“, die Koordination der Choreografie noch nicht wirklich ausgereift, aber enthusiastisch beklatscht, gesungen wird playback – das sollte sich wiederholen – Pakis scheinen sich keinen Deut darum zu scheren, ob das nun Live gesungen ist oder nicht. Eine klassische Tänzerin schwebt graziös in ihrem gelben, für hiesige Verhältnisse sehr freizügigen Kleidchen vor dem Publikum herum, die Hände zierlich zu anmutigen Posen verrenkt, der hochdrehende Rock lässt so manchen Blick auf die knallgelbe, hautenge Leggin zu – die Männer johlen begeistert. Zwischendurch immer wieder junge Sängerinnen, denren Aufgabe hauptsächlich darin besteht, die Lippen zu bewegen und andeutungsweise mit dem Hintern zu wackeln – das Publikum ist kaum mehr zu halten.
In der ersten Reihe herrscht Aufregung, ein Telefon klingelt, und statt den Lauser zu rügen, weil er das Handy wiedermal nicht abgeschalten hat bei so wichtigen Veranstaltungen, läuft ihm eine Schar Reporter zur Tür hinter her. Wer kann es sich schon leisten, den Außenminister zu schelten? Nach dem er das wichtige Gespräch beendet hat – wahrscheinlich hat seine Frau angerufen und gefragt, wie lange es denn noch dauern wird – kommt er auf die Bühne, begrüßt alle mit „Pakistan forever“ Rufen und gesteht, dass er die Entstehung von 200 (!) neuen TV Sendern in die Wege geleitet hat, denn „Indien ist nur so bekannt, weil es viele TV-Sender hat, in Pakistan gibts nur 5, heute sind wir bei der ersten Aufnahme des neuen Senders A-TV und bald werden 199 weitere kommen. Und wenn trotz dieser Informationsflut noch jemand glaubt, Pakistan gegenüber feindliche Gedanken hegen zu müssen, dann löschen wir ihn von der Landkarte („we will erase him from the map!“) – Pakistan, Shukria Pakistan!“
Bis 2 Uhr Nachts dauert das Spektakel, dann stoppen wir noch kurz bei Sonu, essen ein paar Happen (ich weiß jetzt, dass mir nicht jedes Pakistanische Essen schmeckt – Ziegenfüße zählen zum Besipiel nicht zu meinen Favoriten), dann bringt Javed mich nachhause – durch verwinkelte Gassen, die richtige Altstadt.
A-TV? Zuhause in der Altstadt? Was ist los?
Was A-TV ist war mir bis zu diesem Abend auch nicht bewusst. Sonu, ein Freund Javeds, der Keyboard spielt und professionell Lieder mixt, erzählt uns bei einem abendlichen Treffen mit viel Musik und Humor, dass er am nächsten Tag bei einem Konzert spielen werde, wir sollen doch kommen.
Wie bestellt treffe ich Javed und eben Sonu samt Freunden vor dem Alhambra Arts Center, hinter der Bühne flachsen wir noch ein wenig rum, keine Ahnung was uns erwaten würde. Als es dann 20h ist, schickt Sonu uns raus, damit wir auch nichts versäumen. Jetzt fallen mir zum ersten Mal die Kameras auf, aber egal, vielleicht filmt einfach jemand. Sonu steht mit seinem Keyboard in einer Ecke der Bühne und spielt die Hintergrund- und „Ankündigungsmusik“ der Show, nacheinander werden von jungen (mir völlig un-) bekannten Menschen verschiedene Interpreten willkommen geheißen.
Ich habe nach einiger Zeit aufgehört, bei jedem „Pakistan!“ mitzuzählen – ca. 15 Mal pro Minute – abgesehen von traditionellen Gesangs oder Tanzdarbietungen.
Ach ja, ich wollte ja erzählen, warum das Spektaklel überhaupt stattgefunden hat – dafür muss ich kurz ein paar Jahrzehnte weit ausholen – nur kurz!! Am 14. August 1947 wurde in Pakistan die Unabhängigkeit erklärt (als Detail am Rande, in Inden am 15. August, einen Tag später, darum sind die Pakis heute noch froh!) – Seither wird jeder 14. August mit besonderer Freude als Nationalfeiertag zelebriert, der Staat ist jung, die Feierlichkeiten werden von der Regierung stark forciert, das „Pakistanische Volk“ ist noch ein Baby und soll lernen, wo es hingehört – nach Pakistan. Ich hab selten einen so stark ausgeprägten Nationalstolz gesehen – nicht mal in Bhutan.
A-TV ist auch ein Baby – ein Fernsehsender-Baby. Das Spektakel ist die Aufnahme der ersten Sendung, welche – erraten, am 14. August ausgestrahlt werden soll.
So, damit alle Klarheiten restlos beseitigt werden, muss ich noch einmal ein bisserl ausholen. Ich war doch grade erst von der Reiseleitung zurückgekehrt, nach Hause, nach Gulberg.
Die Zeit bis eineinhalb Wochen nach den Reisegruppen vergeht schnell und relativ entspannt. Es wird heiß und immer heißer, mittlerweile schalten wir schon fast täglich abends die Klimaanlage ein, da schlafen sonst kaum möglich ist. Meine Pläne, frühmorgens im neu entdeckten Park joggen zu gehen muss ich wieder fallen lassen – ich bin schon fast wie erschlagen, wenn ich nur aufstehe und die Treppe runter gehe. Also kein Sport.
Die Geckos scheint die Hitze nicht zu stören, die kleinen Babies wachsen schnell und fetzen im Haus herum – an den Wänden natürlich, sehr zum Leidwesen unserer anderen Haustiere, der Mosquitos. Aber das ist noch nicht alles – im Haus befindet sich schon fast ein kleiner Zoo. Zu Geckos und Mosquitos kommen Mäuse – 2 ganz süße sind immer auf der Veranda und verirren sich auch dann und wann mal zum Obstkorb in der Küche – und ganze Armeen von Ameisen. Ein paar Riesenkäfer statten uns manchmal Besuch ab, Spinnen helfen den Geckos bei ihrer Mosquitovernichtungsmission. Welcome to Pakistan.
Im SOS Dorf steht nun endlich ein Computer im Büro, die Ladies sind neugierig und haben schon die ersten Emails verschickt – ein riesen Fortschritt!
Die Mädels sind auch wieder von ihrer Sommerpause zurück, ihre Fotomontagen können sich schon sehen lassen!
Die Beziehung mit Pierre will nach dem Kalash Spektakel nicht mehr so richtig funktionieren, nach ein paar Wiederbelebungsversuchen beschließen wir, dass sich unsere Wege trennen werden.
Javed beweist wieder mal seine besondere Freundschaft und lädt mich ein, bei seiner Familie in der Altstadt zu wohnen. Am Tag nach der Ankunft von Andis Freundin Brigitte packe ich meine Siebensachen und ziehe von der Posh Area Gulberg in die Old City, von der Moderne ins Traditionelle.
In den ersten 2 Tagen bin ich mit seiner Familie „alleine“ (man ist in einer Pakistanischen Familie nur am WC alleine – wenn man Glück hat), denn Javed begleitet grade eine Tour in die Northern Areas. Die Gruppe war eigentlich für mich bestimmt, aber er hat mich gebeten abzulehnen und sie ihm zu geben – damit er noch die letzten Kontakte knüpfen könne bevor er seine eigene Company aufmachen würde – die Namensumfrage hast du mitbekommen - danke nochmal für die zahl- und hilfreichen Antworten. Dafür hat er versprochen, einen Teil zur Kalash Schule beizusteuern, weil ich das Gehalt von diesem Job ja für das Projekt verwendet hätte. 150USD hat er gegeben, viel zu viel für seine Verhältnisse, aber er hat gut verdient auf dieser Tour. Ich wollte es nicht annehmen, aber er hat nur gemeint, wenn ich es nicht nehme, brächte er es selbst rauf – reduziert um seine Reisekosten, und seine Familie wär auch nicht wirklich glücklich, wenn er wieder 1 Wochen von zuhause weg wäre. Sein Herz ist fast bodenlos – unerschöpflich.
In seinem Haus wohnen zu Zeit:
• Seine Mutter – eine Frau, der Allah einen Spieler und Trinker als Ehemann gegeben hat, nebenbei Ziegenhändler, gefährlicher Wrestler und begnadeter Tabla Spieler, gefürchtet von Nachbarn, Frau und Kindern – jetzt krank, meist eingesperrt, weil er sonst weg laufen würde, geistig verwirrt.
• Seine Frau Salma, ein ganz liebe Pakistani, die manchmal mit Javeds großem Herzen zu kämpfen hat, weil er selbst in großer finanzieller Not noch jedem Bettler etwas zusteckt. Die (Schwieger)mutter bevorzugt alle anderen Kinder und Schwiegerkinder – sie ist die einziege Schwiegertochter, ein schwieriger Platz in jeder traditionellen Familie.
• Seine 3 Kinder (Javeria, Abdullah, Zain) – alle haben seinen Charme und ihre Schönheit geerbt, aufgeweckt und intelligent; der Kleinste kommt heuer in die Vorschule
• Seine Schwester Rehana aus Karachi, sie ist seit einigen Monaten hier, um bei der Pflege des Vaters zu helfen. Eine gemütliche, etwas gewichtige aber immer fröhliche Frau, die als einzige hier richtig glücklich verheiratet ist (Zufall bei arrangierten Ehen) aber leider noch immer keine Kinder hat – es spricht für ihren Ehemann, dass sie noch verheiratet sind – und dazu glücklich!!
• Seine andere Schwester samt Ehemann und 3 Kindern, die 6 Wochen der Sommerferien hier verbringen – auf Kosten Javeds, da es Tradition ist, seine Geschwister samt Anhang bei Besuchen zu versorgen, egal wie lange und wie lästig.
• Ich
14 Leute – 2 Zimmer + Dachterrasse, 8 Charpois (Betten) ein Waschraum, ein TV (seit 4 Tagen), ein Radio, 4 Kästen, einer davon versperrbar, 2 Aircooler, eine Gaskochplatte, ein Radio, eine Waschmaschine (hab noch nicht genau rausgefunden, wem von den Nachbarn sie gehört) - nur zur Erinnerung: kein Kühlschrank, keine „Anrichte“, keine Regale, keine Badezimmermöbel, keine Nachttischlampen, keine AC, keine Sofas/Sesseln, keine Vorzimmermöbel, kein Mixer, keine Küchenmaschine, keine Spielsachen, keine sonstigen „Notwendigkeiten“
Javed ist happy, er hat ein Haus, 2 Stöcke davon vermietet er, alle Familienmitglieder bekommen 3x am Tag zu essen, es gibt immer ein wenig extra Geld für entferntere Verwandte, deren „Erwartungen“ auch entsprochen werden muss; für Nachbarn, Bettler und sonstige Bittsteller. Beim letzten Großenkauf nach der Reisegruppe (Geschenke für alle, so wie es sein muss) nimmt er statt dem Kühlschrank einen TV mit nach Hause – die Familie ist happy.
Ich darf also live und aus nächster Nähe miterleben, wie es ist, in einer echten Pakistanischen Familie zu leben, wer welche Aufgaben hat, wer wem was geben muss, wer für wen verantwortlich ist, wer das Geld bringt und wer es verwaltet. Ich bin nun eineinhalb Wochen hier, es ist ein Crash Kurs in Kultur, Sprache und Denkweise, Religion und Nationalstolz.
Manchmal fühle ich mich ein wenig eingesperrt, die „Regeln“ sind mir unbekannt und befremdlich, die Herzlichkeit der Leute wiegt es aber allemal auf und Javed tut sein Bestes, mir soviel Einblick wie möglich zu gewähren, er bringt mich zu Freunden, Verwandten, zu Sehenswürdigkeiten und zu versteckten Plätzen aus seiner Kindheit – das Haus, in dem seine erste Liebe gewohnt hat, die Straße, in der er als 8jähriger die ersten Süßigkeiten für seinen kleinen Bauchladen erstanden hat, Schüler seines Vaters, die nun bekannte Musiker sind...
Es gibt soviel zu bestaunen, lernen, sehen, erleben. Manchmal habe ich das Gefühl, erst jetzt wirklich in Pakistan zu sein, so schwierig es manchmal auch ist, es gibt immer eine Portion Humor dazu!
Ein paar Beispiele für Lebensregeln/Fettnäpfchen:
1. Verabschieden, gleich rausgehen, einkaufen, zurück kommen = Verletzung 3er Regeln:
• die Reihenfolge der Verabschiedung hab ich bestimmt noch nie ganz richtig gemacht,
• gleich gehen ohne den angebotenen Tee anzunehmen und v.a. ohne den angebotenen Begleiter – der in einer Stunde kommen wird – ist völlig inakzeptabel. Tee wird nicht abgelehnt, Frauen gehen nicht alleine raus.
• einkaufen als Gast, egal wie lange man bleibt (auch wenns 2 Monate sind) ist inakzeptabel und beschämt den Gastgeber – er/sie denkt, ihr Angebot sei zuwenig, die Folge ist, er/sie stürzt sich am nächsten Tag in Unkosten und schafft alles heran, was nur irgend gewünscht werden könnte.
2. nach dem Essen strecken
• völlig daneben, Shalwar Kameez hebt sich leicht, die Dupata (Schal) verrutscht (v.a. wenn ungeübte Ausländer das machen), Fußknöchel und Hals werden sichtbar – in Anwesenheit von Männern inakzeptabel, sich wohlig räkelnde Frauen – sowieso inakzeptabel.
3. Nach der Dusche mit Extra großer Dupata umwickelt rauskommen
• Erstens gibt es keine Dusche (Kübel) und
• zweitens hatte ich mordsmäßiges Glück, dass weder Javeds Mutter noch irgendein anderer Mann anwesend waren. Die extragroße Dupata hat natürlich meine Waden nicht bedeckt – grenzt an Striptease.
4. Zu spät von der Arbeit nach Hause kommen
• Vorsicht Zwickmühle: Pünktlich von der Arbeit weggehen + nicht zufällig irgendwo aufgehalten werden ist in Pakistan unmöglich.
• Arbeitende Frauen sind in der Altstadt sowieso sehr suspekt.
• Zu spät heimkommen hat zur Folge, dass man 1h lange jedem (also an die 10 – 15 Leute) Rede und Antwort stehen muss und vorallem 100 mal jemanden bedauern muss, der sich entsetzliche Sorgen gemacht hat.
5. in Ruhe ein Buch lesen
• Ruhe??????
• Mindestens 10 Leute sitzen rum und wollen wissen, was alles in dem Buch steht, ob man oft Bücher liest, welche Bücher, welches das letzte war, welches das nächste sein wird, warum man überhaupt liest, dann wird erzählt, welche Bücher man selbst mal gesehn oder gar gelesen hat...
6. Unterwäsche zum Trocknen aufhängen
• Wer hat hier Unterwäsche an? Nun gut, BHs gibt’s. Aber ich hab bis heute nicht rausgefunden, wo die getrocknet werden. Bisher war mein BH spätestens 10min nachdem ich ihn – wohlgemerkt unter irgendeinem anderen Kleidungsstück - zum Trocknen aufgelegt hatte wieder in meiner Tasche – nass.
Ich hab einige meiner Grenzen besser kennengelernt, v.a. was Privatsphäre, Hitze und lästige Fragen betrifft.
Es gibt keinen Platz, an dem man alleine ist, (Kunsstück mit 2 Zimmern und 14 Leuten) und wenn mans mal schafft, dauert das keine 2 min, denn was immer die „Angrezi“ (Ausländerin) macht, muss interessant sein, schließlich kommt sie ja aus Europa. Da wo all die gebildeten Menschen wohnen.
Kein Platz zum Umziehen – abgesehen vom engen stickigen „Bad“, kein Platz zum Lesen, Schreiben, alleine Relaxen, Ruhig sein, kein Platz um eine Tasche ungestört irgendwo hinstellen zu können – die Einrichtung wird täglich 4-5 mal umgestellt, je nach Bedarf ist das Zimmer Wohnzimmer mit Decken am Boden und TV in der Mitte, Esszimmer mit Decken am Boden und Aircooler, Schlafzimmer mit 3 Charpois und Aircooler – nur der Kasten bleibt immer wo er ist – bis jetzt.
Mich hat soetwas bis jetzt nie richtig gestört, ich wusste immer, es wird bald wieder einen Platz geben, an dem ich mich ein bisschen zurück ziehen kann und meine Sachen in Ruhe ordnen, ich habe gewisse Dinge einfach nicht gemacht oder aufgeschoben – jetzt ist es nicht so. Javed tut sein Bestes, um mich immer mal wieder rauszubringen, auch wenns nicht wegen meiner Arbeit bei SOS ist. Dank seiner Offenheit, meine sämtlichen Fragen zu beantworten, einige Dinge im Familienleben ein bisschen zu lockern (Dupata tragen im Haus, selbst wenn keine Männer da sind war mir bei großer Hitze z.B. nicht möglich, die Mutter wirft mir zwar immer noch skeptische Blicke zu und versucht manchmal, Javed zu schimpfen, aber sie ist sonst relativ „zufrieden mit mir“- das ist wichtig in einer Familie, in der der „Versorger“, also Javed, immer noch seine Mutter fragen muss, wenn er mit seiner Frau ausgehen will. Sie sagt meist nur ja, wenn er auch den (nur von ihr) heißgeliebten Schwiegersohn samt Family mitschleppt – meist zu teuer, also wird der Spass abgeblasen.
Eine Ausnahme gibts allerdings. Salmas Schwester lädt zum Joyland ein. Ich hatte also mein erstes „Outing“ – so werden hier die seltenen Abende genannt, an denen man ausgeht (für Frauen alle 2 Monate oder so). Ein neuer Shalwar Kameez liegt fertig genäht bereit, mein Gesicht wird von 5 Händen mit Lippenstift, Flüssigkajal, Lidschatten, Rouge uns sonstigen unnötigen Dingen beschmiert – du kennst meine besondere Vorliebe für (kein) Makeup...
Naja, macht nix, ich lass mich anstecken von der Aufregung der 5 Ladies, die sich nach langer Zeit wieder mal so richtig „hübsch“ machen – ihnen passt das alles viel mehr als mir, aber sie sind überzeugt, das die käsegesichtige Angrezi alle in den Schatten stellt – gut dass Geschmäcker verschieden sind. Sie selbst versuchen mit 5 Schichten Makeup Creme einen hellen Teint zu erlangen, wobei doch ihre leicht dunkle Haut viel besser aussieht, finde ich. Nach dem alle endlich die richtigen Ohrringe, Schuhe, Dupatas und sonstige Accessoires umgehängt und angezogen haben, kanns los gehen. 2 Rikschahs stehen bereit, in jede quetschen sich 7 Leute + Fahrer – es ist ein bisschen eng. Die Kids jubeln, in den Augen der Frauen glänzt Freude und stolz – Outing, endlich!
Im Joyland gibts von Kinderkarusell bis „Freefall“ alles. Wir probieren natürlich fast alles aus, dazwischen gibts Pommes und Bounty. Bis 2 Uhr nachts dauert der Spass, beim Heimfahren ist es immer noch schwül heiß.
Bald fahre ich mit Adil, der zu Zeit in Lahore ist nach Islamabad, wo ich ein paar Tage verbringen werde, dann gehts weiter in die Kalash Täler – falls jemand einen guten Rat gegen Flöhe hat – bitte melden!!!!!!!
Ich freu mich wahnsinnig drauf, nicht nur wegen der frischen Luft, sondern wegen der Leute – Rabichan, Azurma, Sher Alam und Irfan – und nicht zuletzt die kleine Masran.
Also bis bald mal, alles liebe
Khuda hafiz
Bei Yahoo gibt's Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom
Leben in Lahore Altstadt pics
Assalam Aleykum,
Rund um mich schreien und johlen Pakistanische Männer, klatschen, sprinten, skandieren, tanzen – irgendwann reißen mich der Beat und die Atmosphäre mit, ich stehe ebenfalls auf, versuche, mich möglichst pakistanisch im Takt zuwiegen und nur verhalten mitzuklatschen, aber der Versuch währt nicht lange. Die Hände hoch oben, im Takt klatschend, die Augen geschlossen – genießen. Ein paar der Männer riskieren einen schrägen Blick, aber der Großteil wird ohnehin von der hübschen jungen Sängerin auf der Bühne abgelenkt.Sie geraten immer mehr aus dem Häuschen, vor allem als die Sängerin anfängt, auch noch ein wenig zu tanzen. „Pakistan, Pakistan, Pakistan!“ schallt es in der Konzerthalle – wo bin ich nur hingeraten?
Einer der vielen Kameramänner hat die einzige stehende Frau zwischen den 1000 Leuten erspäht und hält mir eine Kamera vors Gesicht – ich merks nicht, meine Augen sind geschlossen. Wie lange schon hab ich nicht mehr stehend geklatscht, Musik gehört, mich sogar ein wenig im Takt gewiegt – und das Ganze öffentlich? Lang lang ists her – die Sufi Abende waren zwar wundervoll, aber aufstehen oder mitklatschen? Wage es nicht!!!
Hier geben sich traditionelle Tänzer und Sängerinnen die Klinke in die Hand. Als erster wirbelte ein bekannter Sufi trommelnd über die Bühne, die schwarzen, öligen Haare fliegen durch die Luft, dann eine pakistanische „Boygroup“, die Koordination der Choreografie noch nicht wirklich ausgereift, aber enthusiastisch beklatscht, gesungen wird playback – das sollte sich wiederholen – Pakis scheinen sich keinen Deut darum zu scheren, ob das nun Live gesungen ist oder nicht. Eine klassische Tänzerin schwebt graziös in ihrem gelben, für hiesige Verhältnisse sehr freizügigen Kleidchen vor dem Publikum herum, die Hände zierlich zu anmutigen Posen verrenkt, der hochdrehende Rock lässt so manchen Blick auf die knallgelbe, hautenge Leggin zu – die Männer johlen begeistert. Zwischendurch immer wieder junge Sängerinnen, denren Aufgabe hauptsächlich darin besteht, die Lippen zu bewegen und andeutungsweise mit dem Hintern zu wackeln – das Publikum ist kaum mehr zu halten.
In der ersten Reihe herrscht Aufregung, ein Telefon klingelt, und statt den Lauser zu rügen, weil er das Handy wiedermal nicht abgeschalten hat bei so wichtigen Veranstaltungen, läuft ihm eine Schar Reporter zur Tür hinter her. Wer kann es sich schon leisten, den Außenminister zu schelten? Nach dem er das wichtige Gespräch beendet hat – wahrscheinlich hat seine Frau angerufen und gefragt, wie lange es denn noch dauern wird – kommt er auf die Bühne, begrüßt alle mit „Pakistan forever“ Rufen und gesteht, dass er die Entstehung von 200 (!) neuen TV Sendern in die Wege geleitet hat, denn „Indien ist nur so bekannt, weil es viele TV-Sender hat, in Pakistan gibts nur 5, heute sind wir bei der ersten Aufnahme des neuen Senders A-TV und bald werden 199 weitere kommen. Und wenn trotz dieser Informationsflut noch jemand glaubt, Pakistan gegenüber feindliche Gedanken hegen zu müssen, dann löschen wir ihn von der Landkarte („we will erase him from the map!“) – Pakistan, Shukria Pakistan!“
Bis 2 Uhr Nachts dauert das Spektakel, dann stoppen wir noch kurz bei Sonu, essen ein paar Happen (ich weiß jetzt, dass mir nicht jedes Pakistanische Essen schmeckt – Ziegenfüße zählen zum Besipiel nicht zu meinen Favoriten), dann bringt Javed mich nachhause – durch verwinkelte Gassen, die richtige Altstadt.
A-TV? Zuhause in der Altstadt? Was ist los?
Was A-TV ist war mir bis zu diesem Abend auch nicht bewusst. Sonu, ein Freund Javeds, der Keyboard spielt und professionell Lieder mixt, erzählt uns bei einem abendlichen Treffen mit viel Musik und Humor, dass er am nächsten Tag bei einem Konzert spielen werde, wir sollen doch kommen.
Wie bestellt treffe ich Javed und eben Sonu samt Freunden vor dem Alhambra Arts Center, hinter der Bühne flachsen wir noch ein wenig rum, keine Ahnung was uns erwaten würde. Als es dann 20h ist, schickt Sonu uns raus, damit wir auch nichts versäumen. Jetzt fallen mir zum ersten Mal die Kameras auf, aber egal, vielleicht filmt einfach jemand. Sonu steht mit seinem Keyboard in einer Ecke der Bühne und spielt die Hintergrund- und „Ankündigungsmusik“ der Show, nacheinander werden von jungen (mir völlig un-) bekannten Menschen verschiedene Interpreten willkommen geheißen.
Ich habe nach einiger Zeit aufgehört, bei jedem „Pakistan!“ mitzuzählen – ca. 15 Mal pro Minute – abgesehen von traditionellen Gesangs oder Tanzdarbietungen.
Ach ja, ich wollte ja erzählen, warum das Spektaklel überhaupt stattgefunden hat – dafür muss ich kurz ein paar Jahrzehnte weit ausholen – nur kurz!! Am 14. August 1947 wurde in Pakistan die Unabhängigkeit erklärt (als Detail am Rande, in Inden am 15. August, einen Tag später, darum sind die Pakis heute noch froh!) – Seither wird jeder 14. August mit besonderer Freude als Nationalfeiertag zelebriert, der Staat ist jung, die Feierlichkeiten werden von der Regierung stark forciert, das „Pakistanische Volk“ ist noch ein Baby und soll lernen, wo es hingehört – nach Pakistan. Ich hab selten einen so stark ausgeprägten Nationalstolz gesehen – nicht mal in Bhutan.
A-TV ist auch ein Baby – ein Fernsehsender-Baby. Das Spektakel ist die Aufnahme der ersten Sendung, welche – erraten, am 14. August ausgestrahlt werden soll.
So, damit alle Klarheiten restlos beseitigt werden, muss ich noch einmal ein bisserl ausholen. Ich war doch grade erst von der Reiseleitung zurückgekehrt, nach Hause, nach Gulberg.
Die Zeit bis eineinhalb Wochen nach den Reisegruppen vergeht schnell und relativ entspannt. Es wird heiß und immer heißer, mittlerweile schalten wir schon fast täglich abends die Klimaanlage ein, da schlafen sonst kaum möglich ist. Meine Pläne, frühmorgens im neu entdeckten Park joggen zu gehen muss ich wieder fallen lassen – ich bin schon fast wie erschlagen, wenn ich nur aufstehe und die Treppe runter gehe. Also kein Sport.
Die Geckos scheint die Hitze nicht zu stören, die kleinen Babies wachsen schnell und fetzen im Haus herum – an den Wänden natürlich, sehr zum Leidwesen unserer anderen Haustiere, der Mosquitos. Aber das ist noch nicht alles – im Haus befindet sich schon fast ein kleiner Zoo. Zu Geckos und Mosquitos kommen Mäuse – 2 ganz süße sind immer auf der Veranda und verirren sich auch dann und wann mal zum Obstkorb in der Küche – und ganze Armeen von Ameisen. Ein paar Riesenkäfer statten uns manchmal Besuch ab, Spinnen helfen den Geckos bei ihrer Mosquitovernichtungsmission. Welcome to Pakistan.
Im SOS Dorf steht nun endlich ein Computer im Büro, die Ladies sind neugierig und haben schon die ersten Emails verschickt – ein riesen Fortschritt!
Die Mädels sind auch wieder von ihrer Sommerpause zurück, ihre Fotomontagen können sich schon sehen lassen!
Die Beziehung mit Pierre will nach dem Kalash Spektakel nicht mehr so richtig funktionieren, nach ein paar Wiederbelebungsversuchen beschließen wir, dass sich unsere Wege trennen werden.
Javed beweist wieder mal seine besondere Freundschaft und lädt mich ein, bei seiner Familie in der Altstadt zu wohnen. Am Tag nach der Ankunft von Andis Freundin Brigitte packe ich meine Siebensachen und ziehe von der Posh Area Gulberg in die Old City, von der Moderne ins Traditionelle.
In den ersten 2 Tagen bin ich mit seiner Familie „alleine“ (man ist in einer Pakistanischen Familie nur am WC alleine – wenn man Glück hat), denn Javed begleitet grade eine Tour in die Northern Areas. Die Gruppe war eigentlich für mich bestimmt, aber er hat mich gebeten abzulehnen und sie ihm zu geben – damit er noch die letzten Kontakte knüpfen könne bevor er seine eigene Company aufmachen würde – die Namensumfrage hast du mitbekommen - danke nochmal für die zahl- und hilfreichen Antworten. Dafür hat er versprochen, einen Teil zur Kalash Schule beizusteuern, weil ich das Gehalt von diesem Job ja für das Projekt verwendet hätte. 150USD hat er gegeben, viel zu viel für seine Verhältnisse, aber er hat gut verdient auf dieser Tour. Ich wollte es nicht annehmen, aber er hat nur gemeint, wenn ich es nicht nehme, brächte er es selbst rauf – reduziert um seine Reisekosten, und seine Familie wär auch nicht wirklich glücklich, wenn er wieder 1 Wochen von zuhause weg wäre. Sein Herz ist fast bodenlos – unerschöpflich.
In seinem Haus wohnen zu Zeit:
• Seine Mutter – eine Frau, der Allah einen Spieler und Trinker als Ehemann gegeben hat, nebenbei Ziegenhändler, gefährlicher Wrestler und begnadeter Tabla Spieler, gefürchtet von Nachbarn, Frau und Kindern – jetzt krank, meist eingesperrt, weil er sonst weg laufen würde, geistig verwirrt.
• Seine Frau Salma, ein ganz liebe Pakistani, die manchmal mit Javeds großem Herzen zu kämpfen hat, weil er selbst in großer finanzieller Not noch jedem Bettler etwas zusteckt. Die (Schwieger)mutter bevorzugt alle anderen Kinder und Schwiegerkinder – sie ist die einziege Schwiegertochter, ein schwieriger Platz in jeder traditionellen Familie.
• Seine 3 Kinder (Javeria, Abdullah, Zain) – alle haben seinen Charme und ihre Schönheit geerbt, aufgeweckt und intelligent; der Kleinste kommt heuer in die Vorschule
• Seine Schwester Rehana aus Karachi, sie ist seit einigen Monaten hier, um bei der Pflege des Vaters zu helfen. Eine gemütliche, etwas gewichtige aber immer fröhliche Frau, die als einzige hier richtig glücklich verheiratet ist (Zufall bei arrangierten Ehen) aber leider noch immer keine Kinder hat – es spricht für ihren Ehemann, dass sie noch verheiratet sind – und dazu glücklich!!
• Seine andere Schwester samt Ehemann und 3 Kindern, die 6 Wochen der Sommerferien hier verbringen – auf Kosten Javeds, da es Tradition ist, seine Geschwister samt Anhang bei Besuchen zu versorgen, egal wie lange und wie lästig.
• Ich
14 Leute – 2 Zimmer + Dachterrasse, 8 Charpois (Betten) ein Waschraum, ein TV (seit 4 Tagen), ein Radio, 4 Kästen, einer davon versperrbar, 2 Aircooler, eine Gaskochplatte, ein Radio, eine Waschmaschine (hab noch nicht genau rausgefunden, wem von den Nachbarn sie gehört) - nur zur Erinnerung: kein Kühlschrank, keine „Anrichte“, keine Regale, keine Badezimmermöbel, keine Nachttischlampen, keine AC, keine Sofas/Sesseln, keine Vorzimmermöbel, kein Mixer, keine Küchenmaschine, keine Spielsachen, keine sonstigen „Notwendigkeiten“
Javed ist happy, er hat ein Haus, 2 Stöcke davon vermietet er, alle Familienmitglieder bekommen 3x am Tag zu essen, es gibt immer ein wenig extra Geld für entferntere Verwandte, deren „Erwartungen“ auch entsprochen werden muss; für Nachbarn, Bettler und sonstige Bittsteller. Beim letzten Großenkauf nach der Reisegruppe (Geschenke für alle, so wie es sein muss) nimmt er statt dem Kühlschrank einen TV mit nach Hause – die Familie ist happy.
Ich darf also live und aus nächster Nähe miterleben, wie es ist, in einer echten Pakistanischen Familie zu leben, wer welche Aufgaben hat, wer wem was geben muss, wer für wen verantwortlich ist, wer das Geld bringt und wer es verwaltet. Ich bin nun eineinhalb Wochen hier, es ist ein Crash Kurs in Kultur, Sprache und Denkweise, Religion und Nationalstolz.
Manchmal fühle ich mich ein wenig eingesperrt, die „Regeln“ sind mir unbekannt und befremdlich, die Herzlichkeit der Leute wiegt es aber allemal auf und Javed tut sein Bestes, mir soviel Einblick wie möglich zu gewähren, er bringt mich zu Freunden, Verwandten, zu Sehenswürdigkeiten und zu versteckten Plätzen aus seiner Kindheit – das Haus, in dem seine erste Liebe gewohnt hat, die Straße, in der er als 8jähriger die ersten Süßigkeiten für seinen kleinen Bauchladen erstanden hat, Schüler seines Vaters, die nun bekannte Musiker sind...
Es gibt soviel zu bestaunen, lernen, sehen, erleben. Manchmal habe ich das Gefühl, erst jetzt wirklich in Pakistan zu sein, so schwierig es manchmal auch ist, es gibt immer eine Portion Humor dazu!
Ein paar Beispiele für Lebensregeln/Fettnäpfchen:
1. Verabschieden, gleich rausgehen, einkaufen, zurück kommen = Verletzung 3er Regeln:
• die Reihenfolge der Verabschiedung hab ich bestimmt noch nie ganz richtig gemacht,
• gleich gehen ohne den angebotenen Tee anzunehmen und v.a. ohne den angebotenen Begleiter – der in einer Stunde kommen wird – ist völlig inakzeptabel. Tee wird nicht abgelehnt, Frauen gehen nicht alleine raus.
• einkaufen als Gast, egal wie lange man bleibt (auch wenns 2 Monate sind) ist inakzeptabel und beschämt den Gastgeber – er/sie denkt, ihr Angebot sei zuwenig, die Folge ist, er/sie stürzt sich am nächsten Tag in Unkosten und schafft alles heran, was nur irgend gewünscht werden könnte.
2. nach dem Essen strecken
• völlig daneben, Shalwar Kameez hebt sich leicht, die Dupata (Schal) verrutscht (v.a. wenn ungeübte Ausländer das machen), Fußknöchel und Hals werden sichtbar – in Anwesenheit von Männern inakzeptabel, sich wohlig räkelnde Frauen – sowieso inakzeptabel.
3. Nach der Dusche mit Extra großer Dupata umwickelt rauskommen
• Erstens gibt es keine Dusche (Kübel) und
• zweitens hatte ich mordsmäßiges Glück, dass weder Javeds Mutter noch irgendein anderer Mann anwesend waren. Die extragroße Dupata hat natürlich meine Waden nicht bedeckt – grenzt an Striptease.
4. Zu spät von der Arbeit nach Hause kommen
• Vorsicht Zwickmühle: Pünktlich von der Arbeit weggehen + nicht zufällig irgendwo aufgehalten werden ist in Pakistan unmöglich.
• Arbeitende Frauen sind in der Altstadt sowieso sehr suspekt.
• Zu spät heimkommen hat zur Folge, dass man 1h lange jedem (also an die 10 – 15 Leute) Rede und Antwort stehen muss und vorallem 100 mal jemanden bedauern muss, der sich entsetzliche Sorgen gemacht hat.
5. in Ruhe ein Buch lesen
• Ruhe??????
• Mindestens 10 Leute sitzen rum und wollen wissen, was alles in dem Buch steht, ob man oft Bücher liest, welche Bücher, welches das letzte war, welches das nächste sein wird, warum man überhaupt liest, dann wird erzählt, welche Bücher man selbst mal gesehn oder gar gelesen hat...
6. Unterwäsche zum Trocknen aufhängen
• Wer hat hier Unterwäsche an? Nun gut, BHs gibt’s. Aber ich hab bis heute nicht rausgefunden, wo die getrocknet werden. Bisher war mein BH spätestens 10min nachdem ich ihn – wohlgemerkt unter irgendeinem anderen Kleidungsstück - zum Trocknen aufgelegt hatte wieder in meiner Tasche – nass.
Ich hab einige meiner Grenzen besser kennengelernt, v.a. was Privatsphäre, Hitze und lästige Fragen betrifft.
Es gibt keinen Platz, an dem man alleine ist, (Kunsstück mit 2 Zimmern und 14 Leuten) und wenn mans mal schafft, dauert das keine 2 min, denn was immer die „Angrezi“ (Ausländerin) macht, muss interessant sein, schließlich kommt sie ja aus Europa. Da wo all die gebildeten Menschen wohnen.
Kein Platz zum Umziehen – abgesehen vom engen stickigen „Bad“, kein Platz zum Lesen, Schreiben, alleine Relaxen, Ruhig sein, kein Platz um eine Tasche ungestört irgendwo hinstellen zu können – die Einrichtung wird täglich 4-5 mal umgestellt, je nach Bedarf ist das Zimmer Wohnzimmer mit Decken am Boden und TV in der Mitte, Esszimmer mit Decken am Boden und Aircooler, Schlafzimmer mit 3 Charpois und Aircooler – nur der Kasten bleibt immer wo er ist – bis jetzt.
Mich hat soetwas bis jetzt nie richtig gestört, ich wusste immer, es wird bald wieder einen Platz geben, an dem ich mich ein bisschen zurück ziehen kann und meine Sachen in Ruhe ordnen, ich habe gewisse Dinge einfach nicht gemacht oder aufgeschoben – jetzt ist es nicht so. Javed tut sein Bestes, um mich immer mal wieder rauszubringen, auch wenns nicht wegen meiner Arbeit bei SOS ist. Dank seiner Offenheit, meine sämtlichen Fragen zu beantworten, einige Dinge im Familienleben ein bisschen zu lockern (Dupata tragen im Haus, selbst wenn keine Männer da sind war mir bei großer Hitze z.B. nicht möglich, die Mutter wirft mir zwar immer noch skeptische Blicke zu und versucht manchmal, Javed zu schimpfen, aber sie ist sonst relativ „zufrieden mit mir“- das ist wichtig in einer Familie, in der der „Versorger“, also Javed, immer noch seine Mutter fragen muss, wenn er mit seiner Frau ausgehen will. Sie sagt meist nur ja, wenn er auch den (nur von ihr) heißgeliebten Schwiegersohn samt Family mitschleppt – meist zu teuer, also wird der Spass abgeblasen.
Eine Ausnahme gibts allerdings. Salmas Schwester lädt zum Joyland ein. Ich hatte also mein erstes „Outing“ – so werden hier die seltenen Abende genannt, an denen man ausgeht (für Frauen alle 2 Monate oder so). Ein neuer Shalwar Kameez liegt fertig genäht bereit, mein Gesicht wird von 5 Händen mit Lippenstift, Flüssigkajal, Lidschatten, Rouge uns sonstigen unnötigen Dingen beschmiert – du kennst meine besondere Vorliebe für (kein) Makeup...
Naja, macht nix, ich lass mich anstecken von der Aufregung der 5 Ladies, die sich nach langer Zeit wieder mal so richtig „hübsch“ machen – ihnen passt das alles viel mehr als mir, aber sie sind überzeugt, das die käsegesichtige Angrezi alle in den Schatten stellt – gut dass Geschmäcker verschieden sind. Sie selbst versuchen mit 5 Schichten Makeup Creme einen hellen Teint zu erlangen, wobei doch ihre leicht dunkle Haut viel besser aussieht, finde ich. Nach dem alle endlich die richtigen Ohrringe, Schuhe, Dupatas und sonstige Accessoires umgehängt und angezogen haben, kanns los gehen. 2 Rikschahs stehen bereit, in jede quetschen sich 7 Leute + Fahrer – es ist ein bisschen eng. Die Kids jubeln, in den Augen der Frauen glänzt Freude und stolz – Outing, endlich!
Im Joyland gibts von Kinderkarusell bis „Freefall“ alles. Wir probieren natürlich fast alles aus, dazwischen gibts Pommes und Bounty. Bis 2 Uhr nachts dauert der Spass, beim Heimfahren ist es immer noch schwül heiß.
Bald fahre ich mit Adil, der zu Zeit in Lahore ist nach Islamabad, wo ich ein paar Tage verbringen werde, dann gehts weiter in die Kalash Täler – falls jemand einen guten Rat gegen Flöhe hat – bitte melden!!!!!!!
Ich freu mich wahnsinnig drauf, nicht nur wegen der frischen Luft, sondern wegen der Leute – Rabichan, Azurma, Sher Alam und Irfan – und nicht zuletzt die kleine Masran.
Also bis bald mal, alles liebe
Khuda hafiz
Bei Yahoo gibt's Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom
0 Comments:
Post a Comment
<< Home