asiatische traeume

angefangen in 2005 war die urspruengliche idee, von bhutan ueberland nach oesterreich zu fahren - in pakistan wendete sich das blatt, das land und die leute nahmen mich gefangen, so blieb ich laenger als gedacht...

Tuesday, May 02, 2006

Amritsar - Lahore, der Charme einer Stadt

02. - 07. mai 05

-hier ist mir ein kleiner Fehler in der Reihenfolge unterlaufen - dieser blog gehoert vor den vorigen!-

Assalam Aleykum,

wir schaffen es an dem Tag noch, bis kurz vor Amritsar zu kommen und schlafen in einem halbfertigen Hotel mit vielen 1000 Mosquitos, einer wiedermal ausfallenden Klimaanlage dafür mit einem der besten Essen in ganz Indien. Ganz so einfach ist es jetzt nicht mehr, vegetarisches Essen zu bekommen, in Rajasthan war alles ohne Fleisch, hier im Punjab leben Sikhs, die sehr gerne Viecherl verspeisen.
Es ist ein besonderes Erlebnis, in den Punjab zu kommen. Urplötzlich werden die Menschen im Alltagsleben freundlicher, Sikhs glotzen nicht, sie brüllen dich nicht an wenn sie etwas fragen wollen. Die übertriebene Höflichkeit ist fast ein zu krasser Gegensatz um gleich damit klar zu kommen. Ich habe das Gefühl, behütet zu werden, wenn ich durch die Straßen des Punjabs spaziere – nicht wie vorher mich selbst ein wenig beschützen zu müssen vor den verständlicher Weise etwas distanzlosen Indern. Vielleicht auch, weil die Sikhs schon seit jeher als gute, loyale Krieger, die für die gute Sache kämpfen, bekannt sind. Wie war das mit den Kreuzzügen und dem Dschihad? Naja, jetzt sehen sie jedenfalls gar nicht mehr kriegerisch aus, obwohl noch fast jeder einen kleinen Dolch an der Seite trägt. Der Gesichtsausdruck, ihre Gesten und ihre Asustrahlung sprechen aber eine andere Sprache – die freundliche Sprache der Toleranz und des Respekts. Ihrer fleißigen Betriebsamkeit ist es zu verdanken, dass es im Punjab u.a. eine Art Müllsammlung gibt, dass der Verkehr für indische Verhältnisse geordnet aussieht und dass in ihrem Heiligtum – dem Goldenen Tempel in Amritsar – täglich hunderte Menschen gratis verköstigt werden. In den Herbergen rundum den Tempel kann man in Gemeinschaftsräumen kostenlos schlafen. Die Organisation klappt tadellos, für Sikhs ist es Ehrensache, sich „respektvoll und geordnet“ gegenüber allem zu verhalten – ob es nun der Bruder, der Fremde oder das Gratiszimmer ist, welches in aufgeräumtem Zustand hinterlassen wird.
Wir verbringen den Vormittag in Amritsar beim Goldenen Tempel und in den Bazaar Gassen, wo wir einige Küchengegenstände kaufen. Thali-Teller, kleine Schüsseln, Gewürzdosen…
Der Tempel befindet sich innerhalb einer mit viktorianischen Uhrtürmen und Säulengängen umgebenen Anlage, in deren Mitte ein quadratischer See glitzert auf dem der über einen Steg erreichbare heilige Tempel „schwimmt“. Er schwimmt natürlich nicht wirklich aber sieht so aus. Im Wasser tummeln sich Sikhs und Goldfische. Das Wasser wird seit alten Zeiten als heilend betrachtet. Seine Geschichte ist rührend. Ein Vater fragte eine 5 Töchter, wenn sie am meisten verehren, wem sie dankbar für ihr schönes glückliches Leben sind. Alle antworten mit „dir mein Vater“ außer einer. Sie sagt: „Gott ist der, der das tägliche Essen gibt und meine Tage erhellt. Ich danke dir Vater, für alles was du für mich tust, aber es kommt eigentlich von Gott. Ihn verehre ich.“ Dem eitlen Vater gefällt das gar nicht, er verschafft ihr zum Dank einen behinderten Mann. Demütig, wie sichs für eine gute Tochter gehört heiratet sie ihn und trägt den Querschnittgelähmten in einem großen Korb am Kopf herum. Gott hat Mitleid mit ihr und lässt sie mit ihm an einer heilgen Quelle rasten. Nach dem er gewaschen war – welch Überraschung – ist er geheilt und kann gehen. Die Quelle wurde zum See des Goldenen Tempels, der auch das heilige Buch der Sikhs, das Adi Granth beherbergt.
Nachmittags fahren wir weiter an die Grenze und wollen nach Pakistan/Lahore. Über einige Ecken habe ich einen Österreicher kennen gelernt, der seit einiger Zeit in Lahore wohnt. Er ist über unsere Ankunft informiert und lädt uns ein, bei ihm zu wohnen.
An der Grenze heißt es plötzlich: „Sorry, wir sperren um 16h zu!“ Es ist 16:20. Trotz langen Diskussionen ist es nicht möglich, eine Ausnahme zu bekommen, dafür erleben wir das größte Spektakel seit der Abfahrt. Täglich um 18:30 marschieren auf beiden Seiten des Grenztores die Soldaten in wunderbar bunten Gewändern mit ganz speziellen Fächerturbanen auf, springen von 15.000 (!! Täglich!!) jubelnden bunten Indern auf der einen Seite und fast gesittet und geschlechtlich getrennt jubelnden Pakistanis auf der anderen Seite in wilder Choreographie zu Punjabi Musik herum. Sie schreiten, salutieren, schütteln Hände, rufen Kommandos, machen finster konzentrierte Gesichter und werfen die Beine dabei hoch in die Luft.

Nach gemeinsamen Aufmärschen sprintet der Kommandat zum Gate, öffnet es blitzschnell, schüttelt den Bruchteil einer Sekunde lang die Hand des „Feindes“ und eilt mit Affenzahn zurück – in Sicherheit. Angefeuert von den Landsleuten, die nur zu willig schreien, rufen und singen. Das Ganze soll eine Freundschaftszeremonie sein und den guten Willen beider Länder zeigen. Zum Schluss werden gemeinsam die Fahnen herabgelassen und das Tor zur Nachtruhe gesperrt. Dann stürmen die Inder und Paksitanis, die vorher unter Aufwand wilder Handgesten und Trillerpfeifen auf den Tribünen gehalten werden zum Tor und winken sehnsüchtig auf die andere Seite. Das gleiche Volk und doch so fern. Beide betonen vor allem im Grenzgebiet aus dem Punjab zu sein, ein Gebiet das bei der Teilung/Unabhängigkeit 1947 geteilt wurde – sie bezeichnen sich ausdrücklich als Punjabi, nicht Inder oder Pakistani, um die zarten Knospen der freundschaftlichen Beziehungen nicht aufs Neue zu gefährden.
Also zurück nach Amritsar, wo wir ein mehr oder weniger gemütliches Hotel nahe dem Tempel finden und dort noch ein wenig die friedvolle Atmosphäre genießen. Nachts glänzt er noch goldener als tagsüber, wir werden oft aufgehalten um ein Foto einer indischen Familie zu „verzieren“, tauschen viele Adressen und treffen zufällig 2 Österreicher, die gerade von Andreas (den ich über einen seiner Freunde kennengelernt habe) aus Lahore kommen und am Vortag die Grenzparade auf Pakistanischer Seite miterlebt haben – weil sie zu spät an der Grenze aufgetaucht sind. Das scheint öfters zu passieren.
Ich bin fast ein wenig froh, das letzte Email von Andreas nicht mehr herunterladen haben zu können. Er hätte uns mitgeteilt, dass es bei der Grenze früh Sperrstunde gibt. Das bunte Geschrei und Gehüpfe der Soldaten hätten wir so nie gesehen.
Andi ist flexibel und erwartet uns eben am nächsten Tag.
Ein neuer Versuch am Morgen bringt uns nach einigen unerwarteten „Unstimmigkeiten“ nach Pakistan. Unstimmigkeiten? Nun ja, als Martin das Auto beim Zoll austragen lassen wollte präsentierte ihm eine Beamtin eine hübsche Namensliste mit einigen „Gesuchten“. Martin Uitz steht ganz oben. Vor 13 Monaten waren wir bei der letzten Reise eingereist – und eigentlich auch wieder hochoffiziell mit allen Fomalitäten ausgereist – in Jaigaon an der Grenze nach Bhutan. Der dortige Beamter – derjenige welche nur 2 Fahrzeuge im Jahr zum Abfertigen hat (siehe Rundmail Bhutan-Nepal) – hatte es damals versäumt den Abschnitt des Carnet de Passage (Zolldokument fürs Auto) einzuschicken. Außer ihm wusste also keiner davon, daher galt das Auto als unerlaubt im Land verblieben. Nach 12 Monaten wird zu suchen begonnen. Zum Glück war das Auto wenigstens im Pass ausgetragen, so konnte Martin die eifrige Beamtin überzeugen, dass alles seine Ordnung hat - abgesehen davon, dass man mit dem netten Mann aus Jaigaon mal ein ernstes Wörtchen reden sollte - und wir weiterfahren können. Außerdem half eine Erwähnung von Gwalior und Nitish alias Krishna, sie gerät in völlige Verzückung und gesteht, nie eine Folge versäumt zu haben. "Wir haben sogar unsere Hochzeit auf nach 10h verschoben, da zu der Zeit immer die Serie lief."
Vor der Paksitanischen Immigration verwandle ich den grünen Zierschal meiner Nepali Kurta in einen Haar verhüllenden Schleier, ganz moslemisch. Die Kurta heißt hier „Salwar kameez“, sieht aber fast genau so aus. Es wird zwar nicht gesetzlich verlangt sich zu verhüllen, die Gesellschaft nimmt uns Frauen aber viel besser und relaxter auf, wenn sie merkt, wir passen uns an. Es macht das Leben einfach leichter.
Eine allein reisende Italienerin, die wir an der Grenze treffen fährt mit uns. Die 4. Währung auf unserer Reise, zum 3. Mal Rupees, diesmal eben Pakistanische Rupees, lässt auf sich warten. Geldwechsel ist kein Bankgeschäft, das machen die Händler im Bazaar.
Lahore ist die erste Stadt auf Pakistanischer Seite von Indien kommend. Es ist auch die Stadt, in der ich letztes Mal bei kurzen Vorbeirasen erstmals das Gefühl hatte, an einem unschönen Ort zu sein. Es war heiß, laut und stinkig.
Der erste Eindruck mag zwar oft der Richtige sein, in diesem Fall aber nicht. Ich bin gespannt darauf, eine Zeit in Lahore zu verbringen und der Stadt die Chance zu geben, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Wir fragen uns bis in den Stadtteil Gulberg durch, lassen die Italienerin vorher aussteigen – aber erst nach dem sie uns berichtet hat, was es mit Berlusconis Rücktritt auf sich hat. Bei dem Haus angekommen öffnet uns ein Schotte in Pakistanischer Tracht die Tür, stellt sich als Graham vor und heißt uns willkommen. Ob wir erwartet werden oder einfach so vorbeikommen will er wissen. Es scheint ein offenes Haus zu sein. Er und Lars, ein Deutscher, verbringen nach 4 Jahren Pakistan und Arbeit bei einer eigenen NGO, die sich um Behinderte kümmert die letzten Tage vor ihrer Abreise hier bei Andreas. „Ich denke Andreas schläft, gestern Abend wurde es etwas spät, setzt euch erstmal und trinkt Tee.“
Wir nehmen das Angebot dankbar an und erkunden ein wenig das Haus. Es ist riesengroß, viele Zimmer, viele Betten, viele gemütliche Sofas, eine große Küche, ein Garten, von dem der Teil, den man von der Küche aus betreten kann mit Mosquitogittern eingezäunt ist. Ein lauschiges Plätzchen an dem sich die Hitze Lahores angenehm aushalten lässt. Wir erfahren später, dass Andi gar nicht schläft sonder im Büro ist. Er leistet hier seinen Auslandszivildienst bei SOS Kinderdorf ab. Es wohnen noch mehr Leute in dem Haus: Brigitte, Andis Freundin, die Musikausbildung für Pakistanis anbietet und Pierre, Halbfranzose/Halbdeutscher, unser eigentlicher Gastgeber. Er arbeitet im Pharmabereich und bekam das Haus vor einem Monat zur Verfügung gestellt. Seither wohnen die 3 dort und haben ständig Gäste bei sich.
Beim Schritt über sie Türschwelle hatte ich bereits das Gefühl, in ein wirklich offenes, lebendiges Haus zu kommen und es sollte sich in gesteigerter Form als solches herausstellen. Obwohl erst seit 1 Monat hier haben sie es geschafft, dem Haus eine ganz besondere Atmosphäre zu verleihen. Graham ruft Andreas an, er kommt heim, heißt uns ebenfalls herzlich willkommen und verrät mir, dass er angenommen hatte, ich sei eine 45 jährige alte Frau. „Der Name Isabella hört sich irgendwie so an..“ meint er und lacht. Ein Lachen so warm wie das Haus. „Er hat sogar gesagt wir sollen uns ein wenig ‚zusammenreißen’ wenn ihr kommt“, grinsen die Freunde. Er holt Brigitte ab. In der Zwischenzeit kommt Pierre nachhause, eben so freundlich und unkompliziert wie alle hier, immer ein Lächeln im Gesicht. Bald sind alle versammelt, Andi und Brigitte haben Erdbeershake im Plastiksackerl mitgebracht. Auf die Frage ob es nicht ein bisserl gefährlich sei, das Zeug zu trinken meint er nur: „Es sind Eiswürfel drin und Milch, aber für den Geschmack nehm ich das Risiko gern in Kauf. Ihr müsst selbst entscheiden.“ Das lassen wir uns nicht 2x sagen und schlürfen das köstlich kühle, süße Getränk. Wir müssen nichts bereuen. Wir fangen an zu kochen, erzählen, fragen, lachen. Bald tauchen 2 Pakistanis auf, Captain Sahib undSafdar Magsi, ein Rechtsanwalt, der neben bei eine NGO für landwirtschaftlich Entwicklung betreibt und sich hauptsächlich von Dope ernährt. Viele verschiedene Nationalitäten an einem großen ovalen Tisch – ein Abend wie ich ihn gerne hab.
Später verlagert sich alles nach draußen unter das nicht ganz dichte Mosquitogitter. Eine mit Himbeertabak gefüllte Wasserpfeife mit schwenkbarem Rohr statt weichem Schlauch, wunderschön gearbeitet aus Messing mit Tonkopf steht in der Mitte und wird weiter geschwungen. Tablas, eine Gitarre, eine Sitar und Kastagnetten untermalen den Abend, ausgefüllt mit Fragen zu den verschiedenen Kulturen, Scherzen, Rauchen, Musik und Zeit zum Genießen. Mit Captain Sahib spreche ich lange über die positiven Seiten der islamischen Kultur und wie jeder möchte auch er wissen, warum in Europa und Amerika alle Leute Angst vor Pakistan haben und warum wir es trotzdem gewagt hatten. Er macht mir auch deutlich klar, dass er in seinem Dorf eine Großcousin was-weiß-ich-wievielten-Grades hat und ich mich bei ihm melden soll, sobald ich von der unkeuschen Art, nicht den ersten Freund zu heiraten genug habe. Auch wenn mich dieses Angebot nicht wirklich reizt ist es interessant zuzuhören, wie ein Pakistani solche Dinge vermittelt, mit einer Gradwanderung zwischen manchmal erstaunlicher Direktheit und den üblichen „durch die Blume“ Anmerkungen. Solange hat auch noch nie ein Pakistani mit mir geredet, abgesehen von Rehmat Ullah, dem Grenzbeamten letztes Jahr in Taftan. Ich kannte vorher nur die nördlichen Gegenden und dort hatte ich einige sehr eigenartige Erlebnisse (i want to impress you… siehe rundmail paksitan vom letzten JAhr), die Gesellschaft ist viel konservativer, die Männer haben wenig „Übung“ bei der Kommunikation mit Frauen. Ich konnte es besser aufnehmen, als ich merkte, dass die im Westen als „Unart“ angesehenen Gewohnheiten in diesem Kulturkreis einfach nur Respekt vor Frauen und eben wenig Erfahrung bedeuten und nicht mich persönlich als „minderwertig“ darstellen wollen. (nicht antworten, unterbrechen, zum Schweigen anhalten, nicht ansehen, in die Küche verfrachten, etc)
In Lahore fiel mir schon bei der Ehrenrunde durch die Stadt (weil wir Gulberg nicht gleich gefunden haben) auf, dass Frauen auf der Straße sind, bunte Schals tragen und manchmal sogar mit Männern reden. Letztes Jahr hatte ich Frauen nur in den Küchen der Häuser gesehen, in denen wir eingeladen waren.
Obwohl ich noch nicht viel von Lahore gesehen habe hat sich meine Meinung drastisch geändert.
Die Geräuschkulisse ist ein wenig laut im Garten, nicht alles beim ersten Mal verständlich, so meint Pierre zum Anwalt: „Ich kann dich nicht hören, ich versuche einfach von deinen Lippen abzulesen. Aber es ist schwierig wegen deinem Schnurrbart. Ich sehe nur die untere Hälfte deiner Sätze.“ „Und, was hat meine Unterlippe gesagt?“
Andi erzählt von den großen Festen der moslemischen Gesellschaft. Nach dem Ramadan (Fastenmonat) gibt es das „Bakra Eid“, am ersten Tag ist die Stadt voll von Tieren, am 2. voll Blut und Gedärme und am dritten voll Felle. Jeder kauft nach seinen finanziellen Möglichkeiten ein oder mehrere Tiere und schlachtet es um das Ende des Fastens zu Feiern. Ein anderes Fest ist das Moharram, wo sich eine zwar relativ kleine (500) aber sehr einprägende Gruppe selbst geißelt. Andreas spricht von riesen Steinen, mit denen sie sich schlagen, von Blutspritzern auf seiner Kamera und der Kleidung, von monotonem Klacken der Steine auf die harte Brust, was eine ganz eigene Stimmung verbreiten soll. Ich kann mir nicht richtig vorstellen, bei solch einer Zeremonie als Schaulustige aufzutreten, würde es wahrscheinlich aber aus Neugier trotzdem machen wenn ich hier wohnen würde.

Martin findet nicht so richtig gefallen an dem Ganzen, er ist der Einzige, der sich ins Haus verzieht und Mails schreibt. Ich finde es grade besonders schade, dass wir uns scheinbar nicht mehr miteinander freuen können. Ich hab unter anderem auch durch die Anwesenheit Davids einige Eigenarten von ihm kennengelernt, die mich sehr nachdenklich machen. Es haben sich 2 Lager gebildet, eines sind wir 3 „Jungen“, das andere ist er. Bei demokratischen Entscheidungen ist er meist in der „Minderheit“ hat aber trotzdem eine Dominanz und großes theatralisches Selbstmitleid sodass er meist seinen Willen duchsetzt. Er sieht das natürlich nicht so und ich kann nur von meiner sicherlich sehr subjektiven Perspektive erzählen. Ich will keine Details erzählen, es kann nur sein, dass sich die „Berichterstattung“ ändert, weil wir vielleicht nicht gemeinsam bis Europa fahren. Dazu kommt, dass ich einfach gerne mehr Zeit hätte, Dinge zu genießen und auf mich zu kommen zu lassen und nicht nach fixem Zeitplan fahren will. Vielleicht bleibe ich also irgendwo ein wenig länger als die anderen. David und Steffi können sich ihrerseits nicht vorstellen zu dritt mit wem auch immer weiter zu fahren. „Schau ma mal, dann seh’ ma’s eh!“
Nachdenklich macht mich auch, dass ich trotzdem große Freude an der Reise habe und mich das Ganze emotionell nicht angreift. Ich weiss schon was das heißt.
Chand Bhai ist das nächste „Geschenk am Wegesrand“.

Ein richtiger Lahori, als Beruf „Straßenfux“, kennt jede Ecke in der großen Altstadt mit den kleinen Gassen, früher „Straßenkämpfer für das Gute“, erzählt nicht stolz sondern sachlich seine früheren Morde und dass er seit sein Vater im Sterben lag und er sich um seine Querschnittsgelähmte Schwester kümmert diese „Bestimmung“ an den Nagel gehängt hat und nun ein (fast) ehrbares Leben führt. Andi arrangiert für uns einen Besuch der schönsten Moscheen und der Altstadt mit diesem Burschen. Chand Bhai (Mond Bruder) war der erste Mensch, den Andi vor 4 Jahren, als er um 3h früh mit seinem VW Bus in Lahore ankam und nach 1h planlosen Rumfahrens vor einem Geschäft hielt um zu telfonieren. Es war Chand Bhais Geschäft und heute bezeichnen sie sich als „Zwilligsbrüder“. Der eine weiß, keine 30 Jahre, groß gewachsen mit kurzem Bärtchen – der andere über 50, dunkel, mit langem gefärbten Bart. Brüder im Geist.
Chand Bhai nimmt uns und Shabnam, eine junge Pharmazie-Studentin aus Mauritius, mit in sein Lahore. Der erste Punkt ist eine riesige Mosche am Rande der Altstadt. Er führt uns durch und haucht ihr Leben ein. In den Gängen am Rande des Areals lässt er mich in eine der vielen Teilabschnitten mit dem Gesicht zur Wand in eine Ecke stellen. Die Wand spricht zu mir. Ich drehe mich um und sehe (nicht höre!!) ihn in der schräg gegenüberliegenden Ecke stehen und leise flüstern. Die Architektur ermöglicht es, ihn in „meiner Ecke“ laut zu hören. „Das weiß fast niemand. Ich habe es zufällig herausgefunden!“ Wie? „Als ich so ungefähr 16 war habe ich immer mit meinen Freunden ein Spiel gespielt, bei dem einer oder zwei auf der Flucht sind und die anderen ihn aufspüren müssen. (Das kommt mir bekannt vor, bei uns heißt das glaub ich „Räuber und Gendarm“) Es war ausgemacht, dass niemand das Gelände der Moschee verlässt. (Sie hat Außenmauern von mehreren 100 Metern Länge, viel Platz zum Verstecken also) Ich war gerade Gendarm und die beiden Räuber berieten sich in einer Ecke leise flüsternd, unverständlich für mich. Ich lehnte mich in eine andere Ecke und hörte plötzlich Stimmen. Ich wurde Zeuge, wie sich die beiden Schlingel ausmachten, aus dem Gelände zu verschwinden und sich einen Eisshake gönnen wollten. Ich sagte erstmal nichts, ließ sie verschwinden und gab ihnen den verabredeten Vorsprung. Dann weihe ich meine Kollegen ein, wir warteten direkt am Eingang und als sie „in flagranti“ ertappt wurden mussten sie uns einen Shake zahlen.
Diese Geschichten wecken das Leben in alten Gängen. So viele laufen vorbei, hören und staunen – sie wussten nichts davon.
Vor der Moschee treffen wir zufällig (ich glaube nicht an Zufälle, eher an Energien die man aussendet und deren Antwort man einfach erhält; ich weiß nicht was wer ausgestrahlt hat, aber sie waren einfach da) 2 slowenische Überlandreisende, die auch nach Afghanistan wollen. Bisher waren wir mit der Informationsfindung nicht sehr erfolgreich, zu 6. geht es sicher besser. Eine Stunde vertratschen wir, bis wir herausfinden, dass wir alle am Abend zu einem Sufikonzert gehen werden und verschieben die Gespräche bis dahin. Weiter geht’s durch den Bazaar, der zwar im Vergleich zu iranischen oder türkischen Bazaaren nicht wirklich mithalten kann, aber mit Chand Bhai an der Seite und vielen Eindrücken trotzdem zum besonderen Ereignis wird. Wie in allen mosemischen Ländern wir in den „Geschäften für Frauen“ besonders auf Schuhe, Handtaschen und Schals gesetzt, die Designer übertreffen sich selbst. Es sind die wenigen von Außen sichtbaren Zeichen, die viele schwarz gekleidete Frauen in Tschadors unterscheiden. In einem Schuhviertel sind nur Männer. Chand erklärt, dass die Frauen hier in den oberen Teilen der Gebäude der Prostitution nachgehen – wir sind im Rotlichtviertel. Ob es sich um Prostituierte handelt, wie wir sie uns vorstellen konnte ich nicht wirkich herausfinden. Chand meint, vor Männern tanzen sei schon Prostitution genug. Sie bekämen dafür Geld, dann gehen bei nach hause – jeder in sein eigenes Haus. Weil Martin wieder mal frustriert anmerkt, dass es östlich von Istanbul keine Schuhe in seiner Größe gibt, fühlt sich Chand verantwortlich, ihm das Gegenteil zu beweisen. Ich setze mich einstweilen vors Geschäft und rauche eine Zigarette. Eigenartige Blicke, verschämtes Wegsehen und vereinzeltes Gejohle wechselten sich ab, bis sich 3 Herren entschlossen, dem unflätigen Treiben ein Ende zu setzen und mir meinen Platz erklären wollten. Erstmal muss die Zigarette weg. Davids Kopf erscheint unerwartet im Türrahmen des Geschäfts, die Männer entschuldigen sich höflich – bei ihm – und verziehen sich.
Nach köstlichem Streetfood und etlichen Erdbeershakes landen wir wieder bei Chand zuhause, wo Pierre, Lars, Graham und der Anwalt zu uns stoßen und wir nach Raketeneis (Kulfi) und Chai (Tee) mit Paratha Lars und Graham verabschieden, da beide nach Islamabad fahren müssen um ihre Visa für die Heimreise über Land zu organiseren. Andi und Brigitte machen sich auch auf den Heimweg – Brigitte muss um 5h morgens zum Flughafen, da sie für 3 Monate nach Österreich fliegt. Es ist Mitternacht, wir brechen zum Sufikonzert auf. Die 2 Slowenen sind schon lange dort, die Italienerin von der Grenze auch. Dank Chand dürfen wir 3 Frauen uns unter die Männer mischen. Es kommen generell wenige Frauen, die die es wagen müssen züchtig in einem „Käfig“ von den Männern getrennt bleiben. Tanzen dürfen nur Männer, was mich irritiert. Die wirbelnden und tanzenden Derwische, die im schnellen Rhythmus bebenden Trommeln und Schellen kitzeln meine Beine und wollen sie zum Tanzen bringen. Ich hatte noch nie viel „Sitzfleisch“, wenn Musik um mich rum war, schon gar nicht bei so einem Fest. Ich sitze also am Fenster, schaue auf die Musiker und die sich in Ekstase schüttelnden Derwische, die Töne schwingen im Körper auf und ab, setzen sich in jedem Teil fort, mein Körper wiegt von selbst zur Musik, das kann ich ihm nicht verbieten, die Gedanken sind Musik und fliegen weit fort, ich genieße die Stimmung, rundherum ziehen Rauchwolken vorbei – Sufis verwenden zur schnelleren Erreichung der Extase auch gewisse Rauschmittel. Ich kann gar nicht wirklich beschreiben, wie es ist. Mach die Augen zu – nein noch nicht, erst weiterlesen: Stell dir einfach vor, du sitzt in einer gemütlichen aber neuen und ungewohnten, interessanten Umgebung mit deiner Lieblingsmusik, siehst den Spielern und Tänzern zu und genießt einfach alles. Also jetzt Augen zu machen und vorstellen, vielleicht verstehst du dann wie es ist!

Bis 3h halten wir es aus, dann fallen wir müde ins Bett.
Nach langen Diskussionen, ob wir nicht doch noch bleiben wollen fällt die Entscheidung für die Abreise nach Peshawar.
Kurz vorm Wegfahren läuet das Telefon. Chand Bhai möchte uns noch lebwohl sagen. Wir fahren bei ihm vorbei, essen noch ein wenig, trinken Chai, schenken dem Numismatiker Münzen aus Bhutan und verabschieden uns überschwenglich.

Eine lange Fahrt auf einer wunderbar gebauten Straße führt uns über 500km nach Peshawar. 3spurig ohne Unterbrechungen. Ungewöhnlich schnell zieht die Landschaft vorbei, es bleibt wenig Zeit, die Gegend anzuschauen. Vor uns tauchen Hügelketten auf, es wird ein bisschen kühler – bald kommen die Berge – juhuu!!
Mal sehen ob wir das Visum für Afghanistan bekommen und den Hindu Kush auch von der anderen Seite betrachten können.
Um kurz vor 23h checken wir in einem sehr netten Hotel ein und werden an der Rezeption gleich von zwei Pathanen (Pakistani mit Afghanischen Wurzeln, Paschtunen) zum Essen eingeladen. Massoud ist sehr neugierig und fragt, ob er einige persönliche Fragen stellen darf. Ich ermuntere ihn – ich weiß wie es ist, wenn 100 Fragen über die andere Kultur unter den Nägeln brennen und man nicht genau weiß, welche Tabus man bricht, wenn man sie stellt. „Bist du verheiratet?“ – Nein. „Bist du Jungfrau?“ - Nein. „???, nochmal, bist du verheiratet?“ – Nein. „Ok, nicht verheiratet. Also bist du Jungfrau?“ – Nein. „???, also stimmt es wirklich, dass ihr in Europa vor der Ehe mit anderen Männern schlaft!?!“ – Ja. „Wie lernt ihr euch in Österreich kennen, wie bahnt sich eine solche Beziehung an? Sind die Leute beleidigt, wenn die Beziehung dann endet? Was sagen die Eltern dazu? Wie alt seid ihr, wenn ihr heiratet? Aus wievielen Menschen besteht eine Familie? …. Die Großeltern sind nicht in der Familie? Wo ist der Respekt den Alten gegenüber? Sie haben euch geboren und großgezogen. Ist Österreich ein entwickeltes Land? Sind die Menschen gebildet? Sind sie reich? Was heißt ‚finanziell schon aber im Herzen sind Pakistanis reicher’? Ihr seid doch die gebildeten, nicht wir. Welche Religion ist in Österreich verbreitet? Christen? Also Gläubige! Richtig, wir haben alle den gleichen Gott – Juden, Christen und Moslems. Nur Hindus und Buddhisten sind Ungläubige. Wie fühlst du dich hier als Frau – vorsicht, dein Schleier ist verrutscht! Worüber reden Frauen unter sich, worüber Männer? Reden Frauen und Männer miteinander auch über solche Dinge?“
Ich komme fast nicht dazu, meinen Afghani Pulau (gebratener Reis mit Früchten und Gemüse) zu essen bei den vielen Fragen. Wenn sie erstmal anfangen, gibt es kein Ende. Viele habe auch eine etwas falsche Vorstellung von der hier so bekannten „Direktheit“ der Europäer. Hier wird immer in vielen Floskeln gesprochen, negative Dinge möglichst ganz ausgeklammert, Höflichkeit ist sehr sehr wichtig. Falls das OK von einem „aus dem Westen“ kommt, sprudeln die Fragen nur so heraus, die Floskeln sind völlig vergessen.
Wir werden natürlich eingeladen – gegen dieses Prinzip der Gastfreundschaft kommen wir nur schwer an. Pathanen sind wirklich beleidigt, wenn man dieses Angebot ausschlägt.
Auch am nächsten Tag in der Hyundai Werkstatt essen wir in der Mittagspause bei einem kleinen Straßenrand und werden sofort von einem Afghanen eingeladen. Selbst der Fruchtshakeverkäufer schenkt uns gratis nach. Ein dreiviertel Liter Bananenmilch zum Frühstück und ich brauche lange nichts zu essen.
Der Kundenbetreuer sorgt sich rührend um uns, bringt Tee und Kekse in rauhen Mengen. Als er kurz weg muss gibt er mir seine Karte mit Mobilnummer, damit ich ihn im Fall der Fälle erreichen kann, falls es während der halben Stunde seiner Abwesenheit ein Problem gibt. Noch dazu werden wir stolze Besitzer eines Hyundai/Kia Kalenders. Jetzt kann nichts mehr passieren. Ich muss zugeben, dass ich froh bin, wenn mir der richtige Monat einfällt.
Da heute Samstag ist (hab ich im Kalender gelesen) müssen wir für die restlichen Reparaturen am Montag kommen. Die Bremsscheiben seien schon sehr mitgenommen, meint der Chefmechaniker… das haben wir schon öfters gehört. Er macht uns Hoffnung: in Kabul gibt es vielleicht Ersatzteile. Die Begründung ist fast besser als die Tatsache: Dort fahren so viele gestohlene Autos rum, dass es für alle Marken Reserveteile gibt…
Er schleift die Bremsbacken mit so großem Eifer ab, dass mir der Gedanke kommt, er wolle sie den abgenutzten Bremsscheiben anpassen. Ich will nichts unterstellen. Das schon wieder aufgerüttelte Überlaufventil des Tanks wird verschlossen, das Gebläse und die Klimaanlage wollen sie am Montag machen.
Wir werden nun checken, wie die Lage im Chitraltal und in Swat aussieht, ob die Pässe offen und die Sicherheitslagen annehmbar sind. Den Karakoram Highway werden wir diesmal nicht fahren, da angeblich seit dem letzten Anschlag in Gilgit nur noch Konvois fahren. Pierre hat erzählt, dass er bei der Märchenwiese (wo wir letztes Jahr bereits waren und eventuell wieder hin wollten) gar nicht aussteigen konnte. Egal, es gibt ja noch andere schöne Orte in Pakistan.

Bei Yahoo gibt's Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom

  • Pakistan mit Auto Pics
  • 1 Comments:

    • At 12:53 AM, Anonymous Anonymous said…

      Teilweise ziemlich verwirrend!

       

    Post a Comment

    << Home