Indien - buntes Chaos
april 05
Namaskat,
Nach einer langen langen Fahrt, auf der ich mich Indien wieder ein wenig nähern konnte, erreichen wir schlussendlich am nächsten Tag das weit entfernte Gwalior im Bundesstaat Madhya Pradesh. Vorher standen wir allerdings noch ein paar bange Momente durch. Das rechte Vorderrad unseres Hundeis (indische Aussprache) ratterte verdächtig. Martin versuchte ein paar Indern klarzumachen, was wir brauchten; Ich machte mich in der Zwischenzeit auf die Suche nach etwas Essbarem – wer weiß wie lang das dauern würde. Mit Samosas und Pakhoras als Beute kamen wir zurück und setzten uns in die Nähe der „Werkstatt“ auf eine leere Einfahrt. Innerhalb von 2 Minuten waren wir umringt von (gezählten) 82 Indern, die sich in angemessener Entfernung im Halbkreis um uns aufgestellt hatten und uns unverwandt anglotzten.
Ziemlich hartnäckig sogar. Bis wir alles aufgegessen hatten standen sie rum uns starrten. Keiner sagte einen Ton, nur die Kinder kicherten ein wenig. Indien pur! Es schien ihnen auch nichts auszumachen, dass ich sie laut gestikulierend zählte. Als der Grund unserer ungewollten Pause behoben war fuhren wir weiter. Die Radmuttern hatten sich gelockert, eine fehlt nun ganz. In der Nepali Werkstatt hatten die schmächtigen Nepali zu wenig Kraft um die Muttern ordentlich anzuziehen.
Gwalior um 22h. Wir werden gleich untergebracht, der Tourismusminister hatte alles arrangiert. Ein indisches Mittelklasse Hotel, alles funktioniert, aber sehr charmlos. Am nächsten Morgen um 9Uhr läutet das Zimmertelefon und eine Stimme erklärt mir: „Madam, ihr Fahrzeug steht bereit!“ „??? Wer hat hier ein Fahrzeug bestellt? Ich glaube nicht, am Vorabend zu viel getrunken zu haben, aber daran kann ich mich echt nicht erinnern.“
Martin war schon beim „offiziellen Frühstück“, was ich mir nicht unbedingt antun wollte. Nitish, der Minister, hatte das Auto geschickt um mich zum Sightseeing abzuholen. Na dann. Ihn treffe ich dann auch gleich, ein Schauspieler, der nun zur Politik gewechselt hat. Seine Rolle in einer 2jährigen Serie als Gott Krishna hatte ihm landesweit Popularität eingespielt.
Ganz abgelegt hat er die Rollen noch nicht, er achtet pedantischst auf sein Äußeres, rennt alle Stunden zur Toilette zum Näschen pudern und versucht ständig, mit seinem Augenaufschlag zu beeindrucken. (falls jemand Hindi/Bollywood-Filme kennt: nach jedem Satz, deren Enden er dramatisch betont versteinert sich sein Gesichtsausdruck für einige Sekunden, um die Dramatik zu verstärken – eine Einstellung, die bei jedem Hindifilm x-fach Verwendung findet. Ich muss wirklich aufpassen, dass ich nicht lospruste.) Er führt uns in ein altes Museum, zu dem uns auch 2 lustige fossile Stadtarchäologen begleiten, die mit Hingabe zu den toten Steinen referierten. Endlich kann ich jemanden zu den verschiedenen Götterdarstellungen im indischen Hindu Pantheon befragen. Es herrscht wirklich großes Chaos dort oben – wie sollten es die sterblichen Inder dann schaffen, ihr Chaos auf Erden zu beseitigen?! Der Hinduismus war – wirklich – mal ein Eingottglaube – aber nicht lange. Dann wurden zu Brahma (Schöpfer) erstmal noch Vishnu (Erhalter) und Shiva (Zerstörer) erfunden, und noch eine ganze Rasselbande anderer Gestalten, jedem wurde ein Partner, ein Tier und sonstige symbolisierte Eigenschaften zur Seite gestellt, alles hübsch mit Fabeln ausgeschmückt und siehe da – nun kennt sich niemand mehr aus im Götterdickicht, dafür gibt’s 1000 lustige Geschichten. Ein Fotograf muss Nitish auf Schritt und Tritt begleiten und 100e Fotos von uns allen machen – fast so schlimm wie ein Shooting. Der Nachmittag gehört der Festung, ein wunderschönes Bauwerk. Ein besonders begabter Führer schildert so eindrücklich, wie das ganze früher wirklich ausgesehen hatte, dass ich fast meine, schillernde Gewänder hinter den Steingitterfenstern zu sehen und die neugierigen Blicke der Frauen dadurch hindurch erahnen zu können und die 100fache wiederspiegelungen der Tänzer im Innenhof, die von allen Seiten in den Spiegeln reflektiert wurden, damit die Mädls hinter ihren Steinfenstern sicher alles sehen konnten. (keine Ahnung wie die Dinger heißen, stell dir einfach eine Steiplatte mit kleinen symmetrischen Löchern vor – wurden verwendet, damit die Ladies ohne ihr Gesicht zu verhüllen zusehen konnten; das Verhüllen erledigte sozusagen der Stein mit den Löchern) Das Tor ging auf und ich erwarte den Maharadscha höchst persönlich. Hinten gibt es noch einen besonderen Pool, in den die Frauen zum Massenselbstmord sprangen, falls ihr Herr die letzte Schlacht verloren hatte. In diesem Fall wurde ein Bote zur Festung geschickt und warnte die Frauen vor den anrückenden Feinden, deren erster Wunsch die Erniedrigung der Hinterlassenen des besiegten Feindes ist. Nach dem Abendessen fahren wir im Dunklen nochmals zur Burg. „Sound and Light Show“ steht am Programm. Was wird uns wohl erwarten? Wir nehmen Platz auf den Stufen, rechts von uns die riesige Man Madir Burg, vor uns eine große Wiese, dahinter einige alte Hallen und Gebäude, die ebenfalls zur Burg gehörten, links eine andere Wiese mit kleinen Erhebungen und einem kleinen Tempel. Die ersten Töne erklangen aus den Lautsprechern über die Wiese – was war das? Keine Musik? Gespräche? Da erteilt doch wirklich ein Kriegsherr den Befehl, die Burg zu stürmen. Pferde gallopieren, eines der hinteren kleinen Gebäude – die erste kleine Festung, die schon vor dem heutigen Fort bestanden hatte, erstrahlt im Halogenlicht – und erlischt nach scharfem Kampf wieder. In diesem Stil bringen uns die findigen Inder nun die Geschichte des Forts näher, ganz und gar nicht trocken. Man hört Schlachtpläne, Kampfrufe, Freudenfeste mit Musik, gefolterte Gefange aus den Verließen, Bautätigkeiten um die Burg – das Leben aus dem 15. – 19 Jh. Zwischendurch fährt wieder ein sehr modernes Auto vorbei und erhellt einen gerade nicht betroffenen Teil der Mauern, aber diese Unbekümmertheit macht das ganze wieder sehr Indisch. Auch die Geschichte der 9. Frau des Maharadschas gehört zur Vorstellung. Sie war die einzige „Bürgerliche“ die der nimmermüde Herrscher bei einem Ausflug erspäht hatte, als sie gerade einen unartigen Wasserbüffel niederrang. Von ihrer Schönheit und Kraft angetan heiratete er sie. Sie hatte 3 Bedingungen: 1) sie wollte ihr Gesicht nicht verschleiern 2) sie wollte immer – also auch am Schlachtfeld – bei ihm sein 3) das Wasser, welches angeblich für ihre Kraft und Schönheit verantwortlich war musste von ihrem früheren Platz zur Festung geleitet werden. Ich kann sie gut verstehen – das Wasser in Fatehpur Sikri ist ziemlich salzig, ich hätte auch eine eigene Leitung beantragt. Nach dem er nicht schaffte das Wasser hochzupumpen, baute er ihr einen eigenen Palast am Fuße des Festungsberges – was dazu führt, dass man noch einen Palast besichtigen kann.
So eine „Ton und Licht Show“ hab ich mir schon lange gewünscht. Nicht trockene Geschichte zwischen staubigen alten Steinen sondern lebhaft, bildlich dargestellt, am Originalschauplatz. Ich bin begeistert. Nitish auch. Er fängt immer wieder an, mitzusingen bei den Stellen, die von den großen Musikern handelten. Ich hatte mir untertags schon nur mühsam verkniffen ihm auf seine ewige Anspielung „in meiner Serie singe ich!!?!“ und „ich kann singen!!?!“ nicht sofort um ein Ständchen zu bitten. Nun gibt er seine Künste ungefragt zum Besten. Wegen dieser riesen Burg und der Musik, für die die Stadt Gwalior bekannt ist wünscht er sich einen Städtepartnerschaft mit Salzburg – es wäre die erste in Indien. Deshalb sind wir überhaupt hier. Martin hatte den Burschen bei der ITB in Berlin zufällig getroffen und der hatte die Gelegeheit am Schopf gepackt.
Das Programm ist vorbei – für diesen Tag. Nach einer angenehmen Airconditioned Nacht rumpelen wir über einige staubige Straßen zu einigen Stätten außerhalb Gwaliors. Ein Palast, der in der Mogulzeit nicht zerstört wurde ganz einfach weil ihn niemand gefunden hat – früher war Wald rundherum, jetzt nur mehr ein paar struppige Sträucher. Die kleinen Figuren, die aus dem Stein gearbeitet wurden sind sensationell, der nette Führer vom Vortag weiß zu jeder Figur eine lustige Geschichte. Meine Blase lässt mich dann nach einer Toilette fragen, worauf mich einer der Wärter in einen Hof mit vielen Steinhölen weist. Ich besetze einfach eine dieser Hölen. Als mich ich nachher in dem Innenhof mit Garten ein wenig umsehe und Fledermäuse aufschrecke meint der Führer – der nichts von meinen Bedürfnissen wusste - ich solle da schnell raus, dort gibt’s viele viele Kobras. Der nächste Steinhaufen ist den Dörflern schon/noch immer bekannt, den „Forschern und der weiten neugierigen Welt“ aber erst seit 2 Jahren. Nichts geht schnell, der Ort ist touristisch noch völlig ungenützt – nicht nur weil wenige ein so hartnäckiges Sitzfleisch haben um bis dahin vorzudringen. Es stehen 400 kleine Steintempel unter ein paar schattigen Bäumen, wir können in jeden Tempel in jede Herberge, zu jeder antiken Wasserstelle einfach hingehen, rum klettern, erfahren, erspüren. Viele Steinplatten liegen noch einfach so rum, noch nicht wieder aufgebaut und zusammen gepuzzelt. Ein riesiger Abenteuerspielplatz oder einfach nur zum Realxen in den kühlen Steingebäuden, in denen die gelassene Atmosphäre der Jahrhunderte herrscht.
Im Hotel zurück üben wir beim Pool noch ein bisschen „übers Wasser gehen“ fürs Foto (eine kleine unsichtbare Mauer im Becken hilft uns ein wenig dabei) und nach dem wir vor und nach Abfahrt sämtliche Pläne 5 mal über den Haufen geworfen haben biegen wir schließlich in Agra spontan nach Fatehpur Sikri ab. Wir versuchen in einem warm empfohlenen Gästehaus unterzukommen, alle Zimmer sind leer, aber der Verwalter meint nur monoton: „Sie brauchen einen Reservierungskupon aus Agra, sonst können Sie kein Zimmer haben!“ Von Yieldmanagement keine Ahnung lässt er die zimmer für diee Nacht einfach verfallen – das könnte ja in Arbeit ausarten… Wir finden dann ein sehr nettes Hotel mit sehr gesprächigem Besitzer, der alle Fragen zum Thema „arranged marriage“ (arrangierte Heirat) und allem was dazu gehört beantwortet. Inder bekommen in der Hochzeitsnacht noch ein letztes Mal die Mutterbrust, erklärt ihm genau, was er zu tun hat und dann schenkt Mama ihrem Söhnchen die ausgesuchte Braut, die er oft vorher noch nie gesehen hat. Erst ab der 2. Hochzeitsnacht (das Fest dauert 10 Tage und kostet astronomisch viel) dürfen die 2 hoffentlich ein bisschen Verliebten zusammen.
Ein guter Teil der Bevölkerung ist Moslemisch, das wichtigste Gebäude auch eine Moschee. Wunderschön, noch schöner, als der eigentlich ganz nette Führer endlich versteht, dass ich nicht ständig dieses Hintergrundgeräusch der Geschichtserzählungen im Ohr haben möchte. Er versteht meinen Wunsch, auch mal allein zu sein und ernennt sich selbst zum Oberwächter unserer Ungestörtheit. Wenn ein Händler oder Bettler auch nur die geringsten Anstalten macht, sich uns zu nähern, stürmt er wild fuchtelnd unter lautem Geschrei aus seinem Versteck hervor und verjagt die Störenfriede mit großer Effizienz. Bald bringt er mich zum Lachen mit seiner „neuen Arbeit“ und ich hör mir dann halt doch wieder seine Geschichten an. Er zeigt uns noch ein Grab hinter dem Moscheekomplex – im größeren liegt ein Kind, daneben sein Papagei. Der Erbauer der Mosche hat einst den Heiligen des Ortes (der jetzt auch in einem Mausoleum hier begraben liegt und Chishti heißt) um Kindersegen gebeten. Wegen irgendeinem Problem konnte ihn der Alte nicht selbst segnen, sondern ließ sein eigenes Kind den Herrscher segnen. Das Kind war hochbegabt und konnte schon mit 6 Monaten reden – der Papagei war der Lehrer. Als dem Herrscher dann der versprochene Sohn geboren wurde, starb das Geniekind – das gehörte zum Deal. Kein guter Tausch, wenn du mich fragst. Im Bazaar fahren die ersten Kamelkarren bei uns vorbei, ich kaufe mir frischen Orangensaft, das Glas ist sogar gewaschen – es hatte jedenfalls Spülmittelblasen auf den Orangenflankerln. Mittlerweile ist Schaum am Glas schon ein positiver Faktor, zuhause würde man es wegstellen, hier zeigt es lediglich, dass das Ding mal wirklich gewaschen wurde – vor nicht allzu langer Zeit! Der Saft schmeckt köstlich!
Frauen in bunten Gewändern und schweren Wassergefäßen am Kopf stolzieren in makellos aufrechter Haltung vorbei, Männer mit rotgefärben Bärten und wunderlich gewickelten Turbanen schlendern diskutierend vorbei, Marktfrauen bieten ihre orientalischen Waren feil – Samosa, ThumsUp (indisches Cola der Coca Cola Company) Kekse, Zünder, Zucker in allen Variationen, Saris, Seile, Kitschschmuck, Flipflopsandalen, Plasitkschüsseln und Tonkrüge, alle möglichen und unmöglichen Gegestände, dazwischen kommt Nachschub von Eselkarren und Ochsenwagen.
Statt unser „Reiseziel“ konsequent zu verfolgen bleiben wir nach 20 km wieder stehen und mieten uns in einem kleinen Guesthouse in Bharatpur ein. Es soll einen schönen National Park mit unendlich vielen Vögeln hier geben. Im Guidebook wird er als erfrischend schattig und willkommene Abwechslung zu allen engen überbevölkerten Städten beschrieben. Wir wollen um 17h rein (18h wird angeblich zugesperrt) und sollen den vollen Tagespreis von 200 Rupien (fast 3 EURO) zahlen. Das geht natürlich nicht. Schließlich müssten wir morgen nochmal voll zahlen. Trotz Diskussionen mit den Wärtern lassen sie sich nicht erweichen. Sie wollen den vollen Preis auch für die eine Stunde, von der schon nur mehr die Hälfte übrig war. Wir fahren also bei lautem Geschrei einfach an den Wärtern vorbei. Nach wenigen Metern geben sie auf. Wir sehen uns schon fast als Helden, da taucht vor uns noch ein Tor auf, der eigentliche Eingang, an dem man das Ticket voreisen muss. Hier ist ein Schranken, also können wir nicht einfach vorbei. Also kein Wildlife heute. Links führt ein kleiner Weg zu einem kleinen, versteckten Tempel. Wir strampeln mit den ausgeliehenen Fahrrädern tapfer weiter. Indische Fahrräder sind Wunder – ein Wunder dass es überhaupt läuft. Keine Luft, unproportioniert, sämtliche Verbindungen wackeln oder scheppern, Bremsen?? Was ist das? Die Dinger gleichen eher einer Ansammlung von zusammen gesteckten Altmetallteilen und sonstigen irgendwie befestigten Schrottteilen. Mein Pedal hängt runter runter, das Hinterrad eiert, da Vorderrad noch mehr, Bremsen gibt’s zwar, aber sie zeigen keine Wirkung.
Der Tempelwärter ist ein ganz spezieller Mensch.
Jai Ram Dash gibt uns gleich Asyl, strahlt eine Wärme und Herzlichkeit aus, ist umsichtig mit seinen Gästen und Schülern und hat es geschafft, einen wundervollen Flecken Land mit seinem Geist zu füllen. Sein Refugium ist zu einem Quartier für Tier und Mensch geworden. Hinter dem steinernen Torbogen öffnet sich ein kleiner Vorplatz mit einer Wasserquelle, zu der fast mehr Menschen pilgern als zum Tempel. Nach diesem Punkt heißt es Schuhe ausziehen, wie in allen Tempeln. 4 Stuen führen zu nächsten Platz, in dessen Mitte zwei Bahyan Bäume stehen, geradeaus sind die „Privaträume“, rechts zwei kleine Tempeln und rundherum eine friedliche, tolerante Stimmung. Er zeigt uns stolz seinen kleinen Teich in dem laut ihm 500 Schildkröten leben – eigenartige vorzeitliche Tiere, die voriges Jahr 2 arme Betrunkene gefressen haben als sie in den See gestürzt waren – er füttert sie 2x täglich, da der der See immer mehr schrumpft und zuwenig Nahrung für die Tiere bietet. In einer kleinen Kammer in hinter seinem „Schlafzimmer“ hat er ein süßes Geheimnis – ein Baby. Jetzt kommt auch die Mama rein, legt sich zu dem kleinen aufs Stroh und leckt es ab. Das kleine Tüpfelreh will genauso wenig gewaschen werden wie Menschenkinder…
Jai Ram Dash überredet die Parkwächter, die uns in der Zwischenzeit umständlich aufgespürt hatten, uns noch ein wenig hierzulassen. Überredet? Er sagt ihnen, hier seien heilige Gefielde, die sie mit ihren „government rules“ nicht zu stören hätten. An uns gewandt meint er: „Es ist kein Problem, wenn ihr keine Tickets habt, ich hab doch auch keins.“ Seit 23 Jahren lebt er hier, anfangs als Schüler bei seinem Guru, der wiederum den Tempel von seinem Guru geerbt hatte. Der 2. Guru ist vor 4 Monaten gestorben und aus Schüler Jai Ram wurde der neue Guru im Baba SitaRam Tempel.
Im Hanuman Tempel betet uns ein gläubiger Hindu ein Gebet vor – wohl um uns endlich ruhig zu kriegen. Es ist wunderbar, meditativ. Er betet seinen Singsang fast 10min durch. Ich träume fast weg, so angenehm ist die Athmosphäre.
Hanuman, der Affengott blickt gnädig auf uns herunter. Hanuman steht für Verlässlichkeit und Treue. Er ist eine der Hauptfiguren im indischen Nationalepos „Ramayana“ und mit beteiligt an der Namensgebung des SitaRam Tempels. Der Gott Rama (eine Inkarnation Vishnus) konnte auf Hanumans Hilfe bauen, als er seine liebe Sita aus den Klauen des Wassergottes befreien musste. Hanuman baute gemeinsam mit seinem Affenvolk eine Brücke zur Insel (angeblich Sri Lanka) auf der Sita gefangen war.Dort wurde sie dann gerettet und weil sie so überzeugend (lügen?) erzählen konnte, dass sie während den Jahren in Gefangenschaft dem Wassergott immer widerstanden hat nahm Rama sie wieder in Ehren auf. Das ist eine sehr minimalistische Kurzfassung, Inder würden wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen ob so viel Ignoranz. Sie machen aus diesen Geschichten dicke Bücher und unendliche Fernsehserien.
Ich bin wirklich froh, dass die Parkwächter so unfreundlich waren, wir hätten den Tempel sonst nie gefunden. Dabei muss ich mich immer an die Geschichte mit den 2 Nachbarn erinnern, die die Buddhisten erzählen: Ein Bauer kauft ein Pferd. Der Nachbar meint: „Was bist du nur für ein glücklicher Bauer, ich beneide dich!“ Am nächsten Tag läuft das Pferd auf und davon. Der Nachbar hat Mitleid mit dem „armen Bauern“. In der folgenden Nacht bringt der Hengst 2 Wildpferdstuten mit nach Hause. Der Nachbar meint wieder: „Was bist du nur für ein glücklicher Bauer!“ Der Sohn des Bauern versucht, die Pferde zu reiten und bricht sich bei einem Sturz das Bein. Der Nachbar: „Du armer Bauer, was hast du bloss für ein Pech!“ Krieg bricht aus, Soldaten kommen um alle jungen Männer in den Dienst zu rufen. Der Sohn des Bauern kann nicht mitgehen, sein Bein ist noch gebrochen. Der Nachbar: „Was bist du bloss für ein glücklicher Bauer..!“
Lieber nicht ärgern, man weiss nie wofür das alles noch gut sein wird!!
Wir verabschiedeten uns von Jai Ram, er erzählt noch dass in der Nacht Stachelschweine, Civetkatzen und sonstiges Getier zur Fütterung kommen wird. Er beginnt seinen Tag um 3h früh mit 2h Yoga. Wir versprechen, morgen nochmal vorbei zu sehen.
Das tun wir dann auch. Aber erst nach einer Runde im Nationalpark – mit Tickets diesmal. Es ist ziemlich traurig zu sehen, wie das Feuchtgbiet und der See austrocknen. Angeblich konnte man hier mal Bootfahren, übriggeblieben ist ein kleine Minilacke, um die sich riesige, schöne Reiher, Störche, Enten, Adler, Eisvögel und anderes Federvieh tummeln. Soviel Zeit zum traurig sein hatten wir aber nicht, wir mussten schließlich achtgeben, dass wir mit den tollen indischen Waffenrädern nicht in den Graben fahren. Ich hab seither viel mehr Respekt vor den armen indern, die im Straßenverkehr immer zuerst mit den Rädern in den Abgrund müssen – ein Tata weicht nicht aus. Es sieht bei ihnen so einfach aus, aber ich weiß mittlerweile, dass es jedes Mal ein Kampf ums Überleben mit ungewissem Ausgang ist. Sie haben einfach eine riesen Portion Glück. Vielleicht helfen wirklich die Götter. Die müssen glaub ich in diesem Pantheon genauso wie die Regierung auf der Erde für Beamte neue Arbeitsplätze erfinden.
Nach ein paar heißen Stunden kehren Martin und ich wieder im Baba SitaRam Tempel ein. Jai Ram begrüßt uns wie alte Freunde, fragt Augenzwinkernd ob wir heute eine Karte haben und lädt uns auf Chapati und Kartoffelcurry ein. Seine Schüler haben gekocht. Die restlcihen Chapati bekommen die Schildkröten, damit sie nicht vom Fleisch fallen, auch die 100 Affen, die rumturnen holen sich ihren Teil. Jai Ram führt un noch auf Fußwegen in den „Wald“ und zeigt uns einen Schakalbau und einen Stachelschweinbau. Ein paar der Stacheln liegen rum, die können wir einsammeln. Ich muss an Mikado denken bei den gestreiften Stacheln. 2 kleine Babys halten manchmal ihre Nasen ein Stück in unser Gesichtsfeld, aber nicht sehr weit. Sie sind vorsichtig. Vor lauter Neugierde kriechen wir fast in den Bau rein.
Jai Sita bringt seine Sammlung an Fotos, Briefen und Zeitungsberichten über seinen Tempel. Er scheint bei allen die ihn kennen großen Eindruck zu hinterlassen. Die Briefe sind voll von Freundschaft + Dankbarkeit. Wir versprechen auch zu schreiben und die Fotos zu schicken.
Etwas außer Atem erreichen wir unsere Herberge. Es ist schon ziemlich spät und als endlich alle fertig sind stet fest, dass wir das Tagesziel mal wieder nicht erreichen werden. Trotzdem halten wir am Weg um uns Abhaneri anzusehen. Wr wissen nicht wirklich was uns erwartet, aber ein besonders angenehmer und aufmerksamer junger Inder – Student und Besitzer eines Internetcafes – hat es wärmstens empfohlen. Erst als wir ganz genau davor stehen wissen wir, was es ist 100e Stiegen führen symmetrisch in den sich verjüngenden Teich, der früher als Wasserstelle und heilige Reinigungsstätte verwendet wurde.
Ein kleiner Tempel ist dabei, wir klettern wieder mal überall herum um das Gebäude auch ein wenig erfahren zu können, zu wissen wie es ist, wenn man aus dem 1., dem 2. oder dem 3. Fenster sieht oder wenn man auf der vorstehenden Steinplatte sitzt, unter der jetzt die grüne Brühe wabbelt.
Im kleinen Dorf daneben verschießen wir einige Akkus und Memorycards, jeder einzelnen Inder will fotografiert werden, nur um sich am Bildschirm zu sehen. Das Licht der Nachtmittagssonnen ist bestechend schön und taucht die ohnehin schon bunte Gesellschaft in ein kräftiges, warmes Licht. Im Hintergrund fressen ein paar Dromedare, die nicht ganz sicher sind, ob sie nicht doch Giraffen werden wollten mit weit nach oben gestreckten Hälsen von den hohen Bäumen. Die jungen staksten auf langen Haxen noch ein bisserl unkooridiniert durch die Gegend und üben „würdevolles Schreiten“. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, auch nicht bei Dromedaren, drum gibt’s einiges zu lachen.
Unterwegs erkennt der Starex, dass er zuwenig Aufmerksamkeit bekommt und fängt sich schnell einen kleinen Stein oder Ähnliches im rechten Vorderrad und lässt uns quietschende und scheuernde Töne von sich gebend aufhorchen. Oje, keine Werkstätte in Sicht, wir wissen nocht nichts von den eher harmlosen Ursachen und versuchen vergeblich einen Wagenheber oder Mechaniker aufzutreiben. Nach dem dritten Versuch merkt der „Hundei“, dass nun fertig lustig ist und lässt das Steinchen fallen.
Spätnachts erreichen wir den Diggi Palace in Jaipur, Rajastan. Der Besitzer weiß ganz genau, dass wir nicht mehr weiter suchen werden um diese Zeit und ist ziemlich unkooperativ. Der Koch ist ebenfalls – trotz gegenteiliger Versprechen beim Einchecken – zur Mama heim gegangen, wir bekommen als einzige Auswahlmöglichkeit „grilled sandwich“. Wenn der Magen schon richtig fest grummelt fragt man nicht mehr lange und isst einfach. Martin streikt, er geht hungrig zu Bett.
Trotz allen Nachteilen gibt es eine wunderbare Dusche mit Wasser das weder zu kalt noch zu heiß ist und einen Duschkopf, der eine normale Dosierung ermöglicht. Nicht verkalkt und verstopft, nicht zu wenig Druck, nicht zuviel Druck – ein richtiger Genuss. Ich hab – wie immer in Indien – wieder ein wenig Zeit gebraucht, um die kleinen Geschenke zu sehen, aber jetzt geht’s wieder und macht Riesenspass.
Rajiv, ein deutschsprechender Rikschafahrer kutschiert uns am Morgen durch die Pink City (Jaipurs Innenstadt ist rosa angemalt, als Zeichen der Ehre für besondere Besucher) und zeigt uns versteckte Sehenswürdigkeiten, bei denen kein Tourist ist. Denkmäler für Maharadschas, Ranis und sonstig edles Geblüt sind mit Meisterhand filigran aus und in Stein gehauen, weißer und rosa Marmor, kleine feine Zwiebeltürme, Säulen und Erker, Schnörkel und Götterbilder soweit das Auge reicht. Einige hunderte Menschen trugen einst keuchend und schwitzend die Steinblöcke an ihre Plätze, viele Inder schufteten für wenige Reiche. Fast wie heute, nur sind jetzt die Gebäude nicht mehr ganz so protzig. Das Highlight der Stadtrundfahrt: Lassi Wallah. Lassi ist ein Joghurt Shake mit Crasheis, Zucker und irgendeinem Geheimtrick (3x rein spucken oder so). Im Lassi Wallah gibt’s das beste Lassi weit und breit im Tonbecher um 10 Rupien. (56 Rp = 1 EUR). Der Becher darf dann traditionell zerschlagen werden – kommt aus der Erde und geht mit einem Umweg über ein Lassi in die Erde zurück. Eine edle Aufgabe. Einige andere Lassiverkäufer (die 3 zerstrittenen Brüder des besten Lassi Wallah Besitzer) haben sich gleich daneben angesiedelt um beim Geschäft mitschneiden zukönnen, aber es funktioniert nicht. Zielstrebig laufen alle zur Nummer 1. Nicht mal die Namen (Feimos lassi Wallah, femily lassi walla und originel lassi wallah) lenken die Kunden ab. Jeder weiß, wo er hin will.
Mit viel Joghurt + Zucker im Bauch trauen wir unseren Augen nicht, als wir bei der Ausfahrt nach Pushkar eine 3 spurige Straße finden – ganz zu fällig, sie war einfach plötzlich da. Und das Beste ist: die 3 Spuren gehören uns. In die andere Richtung gibt’s noch mal 3 Spuren. Und keine einzige hat Löcher. Wunderland Indien. Sie schaffen es immer wieder einen zu überraschen. Sie müssen die Baustelle mit Waffengewalt von den ersten Rikschahs, Ochsenwagen, Kamelkarren, Tatas etc freigehalten haben. Normalerweise fahren die ersten „Fahrzeuge“ bereits nach dem die Andeutung des Straßenverlaufs sichtbar ist. Also weit vor der Asphaltierung, womit die Lebensdauer gleich mal um ein Vielfaches verkürzt wird. Noch ein Wunder passiert während dieser Autofahrt: ein Wolkenbruch. Wir waschen alles gerade schmutzige Geschirr indem wir es einfach zum Fenster raushalten. Dicke fette Tropfen klatschen auf Hände, Geschirr und natürlich auch ins Auto. Die Luft riecht klar und frisch. Wunderland Indien!! Ziemlich schnell kommen wir nach Pushkar, die 2 heiligen Berge, zwischen denen der heilige See liegt erscheinen am Horizont. Auf ihnen sind Tempel zu erkennen. wo wir uns ein gemütliches Hotel mit Blick auf den heiligen See suchen. Und was für ein Blick! Maharadscha Raum heißt unser Zimmer und steht frei am vorderen Eck der Dachterasse, in jede der 4 Wände ist eine 2flügelige Tür eingebaut, die wir ganz weit öffnen können. Rundum Blick auf See und Ghats – die Stiegen die zum Wasser führen wie in Varanasi (Benares).
Dafür gibt’s natürlich kein Bad im Zimmer, auch keinen Aircooler. Aber die kühle Seeluft am Abend macht zumindest den Cooler überflüssig. Erst versuchen wir abr noch die empfehlenswerte Lemon Nana (Minz Limonen Shake) und Dosa (knusprige Riesenpalatschinke/crepe mit Masala, Käse oder Früchtefüllung). Eine riesige Kuh trottet vorbei, frisst ein paar alte Blätterteller und sabbert aus den Maulwinkeln. Dabei fällt mir die Geschichte des Ortes wieder ein, die ich im Guidebuch gelesen habe: Pushkar ist der Ort Brahmas, des Schöpfergottes. Einst sollte er ein wichtiges Ritual vollziehen, bei dem ihm seine Frau assistieren musste. Das sie scheinbar zu lange beim Schminken und Anziehen gebraucht hat, wurde die Zeit knapp und der „auspicious moment“ (glückverheißende Moment) wäre fast verstrichen. So entschied sich Brahma, eine andere Frau zu suchen, schickte seine Schüler aus und fand sich bei ihrer Rückkunft in Gesellschaft einer Gujarati, einer Frau aus der Sekte der Unberührbaren. Sofort wurde sie einem Reinigungsritual unterzogen, bei dem sie unter anderem durch den Körper einer Kuh musste. Daher auch ihr neuer Nama Gayatri (gaya=kuh, tri= hat durchschritten). Ich kann nur hoffen, dass grade niemand durch die sabbernde Kuh neben mir gehen muss, der käme sicher nicht vollständig wieder raus, die Kuh hat bestimmt schon einige Körperteile versabbert.
Wie auch immer sie Gayatri es geschafft hat, es half nicht wirklich. In dem Moment tauchte nämlich die erste Frau Savatri auf und bebte vor Zorn über die Ungeduld ihres Mannes. Sie belegte ihn mit einem Fluch, durch den er nur mehr hier in Pushkar verehrt werden darf. Außerdem, weils in einem Aufwischen ging verfluchte sie auch gleich noch alle Gujarati, die nun unbedingt an diesem heiligen See verbrannt und verstreut werden müssen, falls sie ins Nirvana/Moksha aufgehen wollen. Also nix mit Ganges, der ewig lang ist. Nur hier in der doch relativ kleinen Lacke ist der Ausstieg aus dem Kreis des Lebens möglich. Später versöhnten sich die 2 Frauen wieder und jede bekam auf einem der 2 Berge einen Tempel.
Es wird tatsächlich frisch und windig am Abend, wir müssen die Türen sogar festmachen, damit sie nicht ständig zuknallen. Der Mond scheint genau durch eine der Türen rein (Kunststück bei 4 Türen in 4 Himmelsrichtungen) und spiegelt sich im dunklen Wasser wieder. Ringsum uns sind die Ghats beleuchtet, der Himmel hat eine eigenartige Farbe, teils von den Wolken, von der Hitze und vor allem vom nahenden Sandsturm. Die breiten Risse in den Türen würden den Sand nicht am reinkommen hindern, also lassen wir einfach alles offen, damit er auf der anderen Seite schnell wieder rausfliegt. In der Nacht beginnt es zu regnen, fast zu stürmen. Der Wind vertreibt tatsächlich alle Mosquitos – ich hab es für einen Werbegag des Besitzers gehalten, der sich eine peinliche Antwort auf die leidige Mückenfrage ersparen wollte. Wunderland Indien! Frühmorgens tönen Schreie von den Ghats herauf, Glocken läuten, ein Krach als ob grade jemand im See ertrunken wäre. Ach ja, die morgentlichen Gesangsriten, hätt ich fast vergessen. Die Sonne zeigt sich noch nicht, wird sie auch nicht, so wie die Wolken aussehen. Also werden wir das mit dem Sonnenaufgang am Berg auf Morgen verschieben. Sehr gut! Wieder ein paar dicke Tropfen und sandiger Wind, der mich zu einem Schnitzel paniert als ich zur Toilette im Innenhof husche. So frisch und klar war Indien bisher nur in Darjeeling, das liegt aber um ein paar 1000m höher. Wunderland Indien.
Vor und unter unseren weit aufgerissenen Türen erwachen die Inder, die Ghats und die Hunde zum Leben. Ich bleibe ein bisschen liegen, genieße die Aussicht und schreibe meine Mails –jetzt. 100m vor mir liegt auf einer kleinen Insel in der Mitte des Sees ein kleiner Tempel, in seinem Schatten schnattern träge ein paar Enten. Frauen und Männer in bunten Gewändern baden in der grünen Brühe, selbst Martin wagt einen Sprung ins kühle Nass – die heiligen Sadhus stürmen gleich herbei und beglückwünschen ihn zu seinem Mut. Ich wate nur knöcheltief herum, erfrischend, zweifellos. Es stinkt auch gar nicht oder sieht dreckig aus, nur ziemlich grün eben.
Vielleicht wage ich mich doch noch hinein.
Einstweilen wünsch ich euch alles Gute – immer dran denken: es gibt Wunder, auch wenns überhaupt nicht danach aussieht. Indien zeigt uns das in allen Facetten.
Wie geht es den neuen Bienenzüchtern? Wie wird im europäischen Ausland über Haiders jüngsten Streich berichtet – oder sind die Medien es schon leid, unseren Schlagzeilenproduzenten zu kommentieren?
Bis bald
Isa
Namaskat,
Nach einer langen langen Fahrt, auf der ich mich Indien wieder ein wenig nähern konnte, erreichen wir schlussendlich am nächsten Tag das weit entfernte Gwalior im Bundesstaat Madhya Pradesh. Vorher standen wir allerdings noch ein paar bange Momente durch. Das rechte Vorderrad unseres Hundeis (indische Aussprache) ratterte verdächtig. Martin versuchte ein paar Indern klarzumachen, was wir brauchten; Ich machte mich in der Zwischenzeit auf die Suche nach etwas Essbarem – wer weiß wie lang das dauern würde. Mit Samosas und Pakhoras als Beute kamen wir zurück und setzten uns in die Nähe der „Werkstatt“ auf eine leere Einfahrt. Innerhalb von 2 Minuten waren wir umringt von (gezählten) 82 Indern, die sich in angemessener Entfernung im Halbkreis um uns aufgestellt hatten und uns unverwandt anglotzten.
Ziemlich hartnäckig sogar. Bis wir alles aufgegessen hatten standen sie rum uns starrten. Keiner sagte einen Ton, nur die Kinder kicherten ein wenig. Indien pur! Es schien ihnen auch nichts auszumachen, dass ich sie laut gestikulierend zählte. Als der Grund unserer ungewollten Pause behoben war fuhren wir weiter. Die Radmuttern hatten sich gelockert, eine fehlt nun ganz. In der Nepali Werkstatt hatten die schmächtigen Nepali zu wenig Kraft um die Muttern ordentlich anzuziehen.
Gwalior um 22h. Wir werden gleich untergebracht, der Tourismusminister hatte alles arrangiert. Ein indisches Mittelklasse Hotel, alles funktioniert, aber sehr charmlos. Am nächsten Morgen um 9Uhr läutet das Zimmertelefon und eine Stimme erklärt mir: „Madam, ihr Fahrzeug steht bereit!“ „??? Wer hat hier ein Fahrzeug bestellt? Ich glaube nicht, am Vorabend zu viel getrunken zu haben, aber daran kann ich mich echt nicht erinnern.“
Martin war schon beim „offiziellen Frühstück“, was ich mir nicht unbedingt antun wollte. Nitish, der Minister, hatte das Auto geschickt um mich zum Sightseeing abzuholen. Na dann. Ihn treffe ich dann auch gleich, ein Schauspieler, der nun zur Politik gewechselt hat. Seine Rolle in einer 2jährigen Serie als Gott Krishna hatte ihm landesweit Popularität eingespielt.
Ganz abgelegt hat er die Rollen noch nicht, er achtet pedantischst auf sein Äußeres, rennt alle Stunden zur Toilette zum Näschen pudern und versucht ständig, mit seinem Augenaufschlag zu beeindrucken. (falls jemand Hindi/Bollywood-Filme kennt: nach jedem Satz, deren Enden er dramatisch betont versteinert sich sein Gesichtsausdruck für einige Sekunden, um die Dramatik zu verstärken – eine Einstellung, die bei jedem Hindifilm x-fach Verwendung findet. Ich muss wirklich aufpassen, dass ich nicht lospruste.) Er führt uns in ein altes Museum, zu dem uns auch 2 lustige fossile Stadtarchäologen begleiten, die mit Hingabe zu den toten Steinen referierten. Endlich kann ich jemanden zu den verschiedenen Götterdarstellungen im indischen Hindu Pantheon befragen. Es herrscht wirklich großes Chaos dort oben – wie sollten es die sterblichen Inder dann schaffen, ihr Chaos auf Erden zu beseitigen?! Der Hinduismus war – wirklich – mal ein Eingottglaube – aber nicht lange. Dann wurden zu Brahma (Schöpfer) erstmal noch Vishnu (Erhalter) und Shiva (Zerstörer) erfunden, und noch eine ganze Rasselbande anderer Gestalten, jedem wurde ein Partner, ein Tier und sonstige symbolisierte Eigenschaften zur Seite gestellt, alles hübsch mit Fabeln ausgeschmückt und siehe da – nun kennt sich niemand mehr aus im Götterdickicht, dafür gibt’s 1000 lustige Geschichten. Ein Fotograf muss Nitish auf Schritt und Tritt begleiten und 100e Fotos von uns allen machen – fast so schlimm wie ein Shooting. Der Nachmittag gehört der Festung, ein wunderschönes Bauwerk. Ein besonders begabter Führer schildert so eindrücklich, wie das ganze früher wirklich ausgesehen hatte, dass ich fast meine, schillernde Gewänder hinter den Steingitterfenstern zu sehen und die neugierigen Blicke der Frauen dadurch hindurch erahnen zu können und die 100fache wiederspiegelungen der Tänzer im Innenhof, die von allen Seiten in den Spiegeln reflektiert wurden, damit die Mädls hinter ihren Steinfenstern sicher alles sehen konnten. (keine Ahnung wie die Dinger heißen, stell dir einfach eine Steiplatte mit kleinen symmetrischen Löchern vor – wurden verwendet, damit die Ladies ohne ihr Gesicht zu verhüllen zusehen konnten; das Verhüllen erledigte sozusagen der Stein mit den Löchern) Das Tor ging auf und ich erwarte den Maharadscha höchst persönlich. Hinten gibt es noch einen besonderen Pool, in den die Frauen zum Massenselbstmord sprangen, falls ihr Herr die letzte Schlacht verloren hatte. In diesem Fall wurde ein Bote zur Festung geschickt und warnte die Frauen vor den anrückenden Feinden, deren erster Wunsch die Erniedrigung der Hinterlassenen des besiegten Feindes ist. Nach dem Abendessen fahren wir im Dunklen nochmals zur Burg. „Sound and Light Show“ steht am Programm. Was wird uns wohl erwarten? Wir nehmen Platz auf den Stufen, rechts von uns die riesige Man Madir Burg, vor uns eine große Wiese, dahinter einige alte Hallen und Gebäude, die ebenfalls zur Burg gehörten, links eine andere Wiese mit kleinen Erhebungen und einem kleinen Tempel. Die ersten Töne erklangen aus den Lautsprechern über die Wiese – was war das? Keine Musik? Gespräche? Da erteilt doch wirklich ein Kriegsherr den Befehl, die Burg zu stürmen. Pferde gallopieren, eines der hinteren kleinen Gebäude – die erste kleine Festung, die schon vor dem heutigen Fort bestanden hatte, erstrahlt im Halogenlicht – und erlischt nach scharfem Kampf wieder. In diesem Stil bringen uns die findigen Inder nun die Geschichte des Forts näher, ganz und gar nicht trocken. Man hört Schlachtpläne, Kampfrufe, Freudenfeste mit Musik, gefolterte Gefange aus den Verließen, Bautätigkeiten um die Burg – das Leben aus dem 15. – 19 Jh. Zwischendurch fährt wieder ein sehr modernes Auto vorbei und erhellt einen gerade nicht betroffenen Teil der Mauern, aber diese Unbekümmertheit macht das ganze wieder sehr Indisch. Auch die Geschichte der 9. Frau des Maharadschas gehört zur Vorstellung. Sie war die einzige „Bürgerliche“ die der nimmermüde Herrscher bei einem Ausflug erspäht hatte, als sie gerade einen unartigen Wasserbüffel niederrang. Von ihrer Schönheit und Kraft angetan heiratete er sie. Sie hatte 3 Bedingungen: 1) sie wollte ihr Gesicht nicht verschleiern 2) sie wollte immer – also auch am Schlachtfeld – bei ihm sein 3) das Wasser, welches angeblich für ihre Kraft und Schönheit verantwortlich war musste von ihrem früheren Platz zur Festung geleitet werden. Ich kann sie gut verstehen – das Wasser in Fatehpur Sikri ist ziemlich salzig, ich hätte auch eine eigene Leitung beantragt. Nach dem er nicht schaffte das Wasser hochzupumpen, baute er ihr einen eigenen Palast am Fuße des Festungsberges – was dazu führt, dass man noch einen Palast besichtigen kann.
So eine „Ton und Licht Show“ hab ich mir schon lange gewünscht. Nicht trockene Geschichte zwischen staubigen alten Steinen sondern lebhaft, bildlich dargestellt, am Originalschauplatz. Ich bin begeistert. Nitish auch. Er fängt immer wieder an, mitzusingen bei den Stellen, die von den großen Musikern handelten. Ich hatte mir untertags schon nur mühsam verkniffen ihm auf seine ewige Anspielung „in meiner Serie singe ich!!?!“ und „ich kann singen!!?!“ nicht sofort um ein Ständchen zu bitten. Nun gibt er seine Künste ungefragt zum Besten. Wegen dieser riesen Burg und der Musik, für die die Stadt Gwalior bekannt ist wünscht er sich einen Städtepartnerschaft mit Salzburg – es wäre die erste in Indien. Deshalb sind wir überhaupt hier. Martin hatte den Burschen bei der ITB in Berlin zufällig getroffen und der hatte die Gelegeheit am Schopf gepackt.
Das Programm ist vorbei – für diesen Tag. Nach einer angenehmen Airconditioned Nacht rumpelen wir über einige staubige Straßen zu einigen Stätten außerhalb Gwaliors. Ein Palast, der in der Mogulzeit nicht zerstört wurde ganz einfach weil ihn niemand gefunden hat – früher war Wald rundherum, jetzt nur mehr ein paar struppige Sträucher. Die kleinen Figuren, die aus dem Stein gearbeitet wurden sind sensationell, der nette Führer vom Vortag weiß zu jeder Figur eine lustige Geschichte. Meine Blase lässt mich dann nach einer Toilette fragen, worauf mich einer der Wärter in einen Hof mit vielen Steinhölen weist. Ich besetze einfach eine dieser Hölen. Als mich ich nachher in dem Innenhof mit Garten ein wenig umsehe und Fledermäuse aufschrecke meint der Führer – der nichts von meinen Bedürfnissen wusste - ich solle da schnell raus, dort gibt’s viele viele Kobras. Der nächste Steinhaufen ist den Dörflern schon/noch immer bekannt, den „Forschern und der weiten neugierigen Welt“ aber erst seit 2 Jahren. Nichts geht schnell, der Ort ist touristisch noch völlig ungenützt – nicht nur weil wenige ein so hartnäckiges Sitzfleisch haben um bis dahin vorzudringen. Es stehen 400 kleine Steintempel unter ein paar schattigen Bäumen, wir können in jeden Tempel in jede Herberge, zu jeder antiken Wasserstelle einfach hingehen, rum klettern, erfahren, erspüren. Viele Steinplatten liegen noch einfach so rum, noch nicht wieder aufgebaut und zusammen gepuzzelt. Ein riesiger Abenteuerspielplatz oder einfach nur zum Realxen in den kühlen Steingebäuden, in denen die gelassene Atmosphäre der Jahrhunderte herrscht.
Im Hotel zurück üben wir beim Pool noch ein bisschen „übers Wasser gehen“ fürs Foto (eine kleine unsichtbare Mauer im Becken hilft uns ein wenig dabei) und nach dem wir vor und nach Abfahrt sämtliche Pläne 5 mal über den Haufen geworfen haben biegen wir schließlich in Agra spontan nach Fatehpur Sikri ab. Wir versuchen in einem warm empfohlenen Gästehaus unterzukommen, alle Zimmer sind leer, aber der Verwalter meint nur monoton: „Sie brauchen einen Reservierungskupon aus Agra, sonst können Sie kein Zimmer haben!“ Von Yieldmanagement keine Ahnung lässt er die zimmer für diee Nacht einfach verfallen – das könnte ja in Arbeit ausarten… Wir finden dann ein sehr nettes Hotel mit sehr gesprächigem Besitzer, der alle Fragen zum Thema „arranged marriage“ (arrangierte Heirat) und allem was dazu gehört beantwortet. Inder bekommen in der Hochzeitsnacht noch ein letztes Mal die Mutterbrust, erklärt ihm genau, was er zu tun hat und dann schenkt Mama ihrem Söhnchen die ausgesuchte Braut, die er oft vorher noch nie gesehen hat. Erst ab der 2. Hochzeitsnacht (das Fest dauert 10 Tage und kostet astronomisch viel) dürfen die 2 hoffentlich ein bisschen Verliebten zusammen.
Ein guter Teil der Bevölkerung ist Moslemisch, das wichtigste Gebäude auch eine Moschee. Wunderschön, noch schöner, als der eigentlich ganz nette Führer endlich versteht, dass ich nicht ständig dieses Hintergrundgeräusch der Geschichtserzählungen im Ohr haben möchte. Er versteht meinen Wunsch, auch mal allein zu sein und ernennt sich selbst zum Oberwächter unserer Ungestörtheit. Wenn ein Händler oder Bettler auch nur die geringsten Anstalten macht, sich uns zu nähern, stürmt er wild fuchtelnd unter lautem Geschrei aus seinem Versteck hervor und verjagt die Störenfriede mit großer Effizienz. Bald bringt er mich zum Lachen mit seiner „neuen Arbeit“ und ich hör mir dann halt doch wieder seine Geschichten an. Er zeigt uns noch ein Grab hinter dem Moscheekomplex – im größeren liegt ein Kind, daneben sein Papagei. Der Erbauer der Mosche hat einst den Heiligen des Ortes (der jetzt auch in einem Mausoleum hier begraben liegt und Chishti heißt) um Kindersegen gebeten. Wegen irgendeinem Problem konnte ihn der Alte nicht selbst segnen, sondern ließ sein eigenes Kind den Herrscher segnen. Das Kind war hochbegabt und konnte schon mit 6 Monaten reden – der Papagei war der Lehrer. Als dem Herrscher dann der versprochene Sohn geboren wurde, starb das Geniekind – das gehörte zum Deal. Kein guter Tausch, wenn du mich fragst. Im Bazaar fahren die ersten Kamelkarren bei uns vorbei, ich kaufe mir frischen Orangensaft, das Glas ist sogar gewaschen – es hatte jedenfalls Spülmittelblasen auf den Orangenflankerln. Mittlerweile ist Schaum am Glas schon ein positiver Faktor, zuhause würde man es wegstellen, hier zeigt es lediglich, dass das Ding mal wirklich gewaschen wurde – vor nicht allzu langer Zeit! Der Saft schmeckt köstlich!
Frauen in bunten Gewändern und schweren Wassergefäßen am Kopf stolzieren in makellos aufrechter Haltung vorbei, Männer mit rotgefärben Bärten und wunderlich gewickelten Turbanen schlendern diskutierend vorbei, Marktfrauen bieten ihre orientalischen Waren feil – Samosa, ThumsUp (indisches Cola der Coca Cola Company) Kekse, Zünder, Zucker in allen Variationen, Saris, Seile, Kitschschmuck, Flipflopsandalen, Plasitkschüsseln und Tonkrüge, alle möglichen und unmöglichen Gegestände, dazwischen kommt Nachschub von Eselkarren und Ochsenwagen.
Statt unser „Reiseziel“ konsequent zu verfolgen bleiben wir nach 20 km wieder stehen und mieten uns in einem kleinen Guesthouse in Bharatpur ein. Es soll einen schönen National Park mit unendlich vielen Vögeln hier geben. Im Guidebook wird er als erfrischend schattig und willkommene Abwechslung zu allen engen überbevölkerten Städten beschrieben. Wir wollen um 17h rein (18h wird angeblich zugesperrt) und sollen den vollen Tagespreis von 200 Rupien (fast 3 EURO) zahlen. Das geht natürlich nicht. Schließlich müssten wir morgen nochmal voll zahlen. Trotz Diskussionen mit den Wärtern lassen sie sich nicht erweichen. Sie wollen den vollen Preis auch für die eine Stunde, von der schon nur mehr die Hälfte übrig war. Wir fahren also bei lautem Geschrei einfach an den Wärtern vorbei. Nach wenigen Metern geben sie auf. Wir sehen uns schon fast als Helden, da taucht vor uns noch ein Tor auf, der eigentliche Eingang, an dem man das Ticket voreisen muss. Hier ist ein Schranken, also können wir nicht einfach vorbei. Also kein Wildlife heute. Links führt ein kleiner Weg zu einem kleinen, versteckten Tempel. Wir strampeln mit den ausgeliehenen Fahrrädern tapfer weiter. Indische Fahrräder sind Wunder – ein Wunder dass es überhaupt läuft. Keine Luft, unproportioniert, sämtliche Verbindungen wackeln oder scheppern, Bremsen?? Was ist das? Die Dinger gleichen eher einer Ansammlung von zusammen gesteckten Altmetallteilen und sonstigen irgendwie befestigten Schrottteilen. Mein Pedal hängt runter runter, das Hinterrad eiert, da Vorderrad noch mehr, Bremsen gibt’s zwar, aber sie zeigen keine Wirkung.
Der Tempelwärter ist ein ganz spezieller Mensch.
Jai Ram Dash gibt uns gleich Asyl, strahlt eine Wärme und Herzlichkeit aus, ist umsichtig mit seinen Gästen und Schülern und hat es geschafft, einen wundervollen Flecken Land mit seinem Geist zu füllen. Sein Refugium ist zu einem Quartier für Tier und Mensch geworden. Hinter dem steinernen Torbogen öffnet sich ein kleiner Vorplatz mit einer Wasserquelle, zu der fast mehr Menschen pilgern als zum Tempel. Nach diesem Punkt heißt es Schuhe ausziehen, wie in allen Tempeln. 4 Stuen führen zu nächsten Platz, in dessen Mitte zwei Bahyan Bäume stehen, geradeaus sind die „Privaträume“, rechts zwei kleine Tempeln und rundherum eine friedliche, tolerante Stimmung. Er zeigt uns stolz seinen kleinen Teich in dem laut ihm 500 Schildkröten leben – eigenartige vorzeitliche Tiere, die voriges Jahr 2 arme Betrunkene gefressen haben als sie in den See gestürzt waren – er füttert sie 2x täglich, da der der See immer mehr schrumpft und zuwenig Nahrung für die Tiere bietet. In einer kleinen Kammer in hinter seinem „Schlafzimmer“ hat er ein süßes Geheimnis – ein Baby. Jetzt kommt auch die Mama rein, legt sich zu dem kleinen aufs Stroh und leckt es ab. Das kleine Tüpfelreh will genauso wenig gewaschen werden wie Menschenkinder…
Jai Ram Dash überredet die Parkwächter, die uns in der Zwischenzeit umständlich aufgespürt hatten, uns noch ein wenig hierzulassen. Überredet? Er sagt ihnen, hier seien heilige Gefielde, die sie mit ihren „government rules“ nicht zu stören hätten. An uns gewandt meint er: „Es ist kein Problem, wenn ihr keine Tickets habt, ich hab doch auch keins.“ Seit 23 Jahren lebt er hier, anfangs als Schüler bei seinem Guru, der wiederum den Tempel von seinem Guru geerbt hatte. Der 2. Guru ist vor 4 Monaten gestorben und aus Schüler Jai Ram wurde der neue Guru im Baba SitaRam Tempel.
Im Hanuman Tempel betet uns ein gläubiger Hindu ein Gebet vor – wohl um uns endlich ruhig zu kriegen. Es ist wunderbar, meditativ. Er betet seinen Singsang fast 10min durch. Ich träume fast weg, so angenehm ist die Athmosphäre.
Hanuman, der Affengott blickt gnädig auf uns herunter. Hanuman steht für Verlässlichkeit und Treue. Er ist eine der Hauptfiguren im indischen Nationalepos „Ramayana“ und mit beteiligt an der Namensgebung des SitaRam Tempels. Der Gott Rama (eine Inkarnation Vishnus) konnte auf Hanumans Hilfe bauen, als er seine liebe Sita aus den Klauen des Wassergottes befreien musste. Hanuman baute gemeinsam mit seinem Affenvolk eine Brücke zur Insel (angeblich Sri Lanka) auf der Sita gefangen war.Dort wurde sie dann gerettet und weil sie so überzeugend (lügen?) erzählen konnte, dass sie während den Jahren in Gefangenschaft dem Wassergott immer widerstanden hat nahm Rama sie wieder in Ehren auf. Das ist eine sehr minimalistische Kurzfassung, Inder würden wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen ob so viel Ignoranz. Sie machen aus diesen Geschichten dicke Bücher und unendliche Fernsehserien.
Ich bin wirklich froh, dass die Parkwächter so unfreundlich waren, wir hätten den Tempel sonst nie gefunden. Dabei muss ich mich immer an die Geschichte mit den 2 Nachbarn erinnern, die die Buddhisten erzählen: Ein Bauer kauft ein Pferd. Der Nachbar meint: „Was bist du nur für ein glücklicher Bauer, ich beneide dich!“ Am nächsten Tag läuft das Pferd auf und davon. Der Nachbar hat Mitleid mit dem „armen Bauern“. In der folgenden Nacht bringt der Hengst 2 Wildpferdstuten mit nach Hause. Der Nachbar meint wieder: „Was bist du nur für ein glücklicher Bauer!“ Der Sohn des Bauern versucht, die Pferde zu reiten und bricht sich bei einem Sturz das Bein. Der Nachbar: „Du armer Bauer, was hast du bloss für ein Pech!“ Krieg bricht aus, Soldaten kommen um alle jungen Männer in den Dienst zu rufen. Der Sohn des Bauern kann nicht mitgehen, sein Bein ist noch gebrochen. Der Nachbar: „Was bist du bloss für ein glücklicher Bauer..!“
Lieber nicht ärgern, man weiss nie wofür das alles noch gut sein wird!!
Wir verabschiedeten uns von Jai Ram, er erzählt noch dass in der Nacht Stachelschweine, Civetkatzen und sonstiges Getier zur Fütterung kommen wird. Er beginnt seinen Tag um 3h früh mit 2h Yoga. Wir versprechen, morgen nochmal vorbei zu sehen.
Das tun wir dann auch. Aber erst nach einer Runde im Nationalpark – mit Tickets diesmal. Es ist ziemlich traurig zu sehen, wie das Feuchtgbiet und der See austrocknen. Angeblich konnte man hier mal Bootfahren, übriggeblieben ist ein kleine Minilacke, um die sich riesige, schöne Reiher, Störche, Enten, Adler, Eisvögel und anderes Federvieh tummeln. Soviel Zeit zum traurig sein hatten wir aber nicht, wir mussten schließlich achtgeben, dass wir mit den tollen indischen Waffenrädern nicht in den Graben fahren. Ich hab seither viel mehr Respekt vor den armen indern, die im Straßenverkehr immer zuerst mit den Rädern in den Abgrund müssen – ein Tata weicht nicht aus. Es sieht bei ihnen so einfach aus, aber ich weiß mittlerweile, dass es jedes Mal ein Kampf ums Überleben mit ungewissem Ausgang ist. Sie haben einfach eine riesen Portion Glück. Vielleicht helfen wirklich die Götter. Die müssen glaub ich in diesem Pantheon genauso wie die Regierung auf der Erde für Beamte neue Arbeitsplätze erfinden.
Nach ein paar heißen Stunden kehren Martin und ich wieder im Baba SitaRam Tempel ein. Jai Ram begrüßt uns wie alte Freunde, fragt Augenzwinkernd ob wir heute eine Karte haben und lädt uns auf Chapati und Kartoffelcurry ein. Seine Schüler haben gekocht. Die restlcihen Chapati bekommen die Schildkröten, damit sie nicht vom Fleisch fallen, auch die 100 Affen, die rumturnen holen sich ihren Teil. Jai Ram führt un noch auf Fußwegen in den „Wald“ und zeigt uns einen Schakalbau und einen Stachelschweinbau. Ein paar der Stacheln liegen rum, die können wir einsammeln. Ich muss an Mikado denken bei den gestreiften Stacheln. 2 kleine Babys halten manchmal ihre Nasen ein Stück in unser Gesichtsfeld, aber nicht sehr weit. Sie sind vorsichtig. Vor lauter Neugierde kriechen wir fast in den Bau rein.
Jai Sita bringt seine Sammlung an Fotos, Briefen und Zeitungsberichten über seinen Tempel. Er scheint bei allen die ihn kennen großen Eindruck zu hinterlassen. Die Briefe sind voll von Freundschaft + Dankbarkeit. Wir versprechen auch zu schreiben und die Fotos zu schicken.
Etwas außer Atem erreichen wir unsere Herberge. Es ist schon ziemlich spät und als endlich alle fertig sind stet fest, dass wir das Tagesziel mal wieder nicht erreichen werden. Trotzdem halten wir am Weg um uns Abhaneri anzusehen. Wr wissen nicht wirklich was uns erwartet, aber ein besonders angenehmer und aufmerksamer junger Inder – Student und Besitzer eines Internetcafes – hat es wärmstens empfohlen. Erst als wir ganz genau davor stehen wissen wir, was es ist 100e Stiegen führen symmetrisch in den sich verjüngenden Teich, der früher als Wasserstelle und heilige Reinigungsstätte verwendet wurde.
Ein kleiner Tempel ist dabei, wir klettern wieder mal überall herum um das Gebäude auch ein wenig erfahren zu können, zu wissen wie es ist, wenn man aus dem 1., dem 2. oder dem 3. Fenster sieht oder wenn man auf der vorstehenden Steinplatte sitzt, unter der jetzt die grüne Brühe wabbelt.
Im kleinen Dorf daneben verschießen wir einige Akkus und Memorycards, jeder einzelnen Inder will fotografiert werden, nur um sich am Bildschirm zu sehen. Das Licht der Nachtmittagssonnen ist bestechend schön und taucht die ohnehin schon bunte Gesellschaft in ein kräftiges, warmes Licht. Im Hintergrund fressen ein paar Dromedare, die nicht ganz sicher sind, ob sie nicht doch Giraffen werden wollten mit weit nach oben gestreckten Hälsen von den hohen Bäumen. Die jungen staksten auf langen Haxen noch ein bisserl unkooridiniert durch die Gegend und üben „würdevolles Schreiten“. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, auch nicht bei Dromedaren, drum gibt’s einiges zu lachen.
Unterwegs erkennt der Starex, dass er zuwenig Aufmerksamkeit bekommt und fängt sich schnell einen kleinen Stein oder Ähnliches im rechten Vorderrad und lässt uns quietschende und scheuernde Töne von sich gebend aufhorchen. Oje, keine Werkstätte in Sicht, wir wissen nocht nichts von den eher harmlosen Ursachen und versuchen vergeblich einen Wagenheber oder Mechaniker aufzutreiben. Nach dem dritten Versuch merkt der „Hundei“, dass nun fertig lustig ist und lässt das Steinchen fallen.
Spätnachts erreichen wir den Diggi Palace in Jaipur, Rajastan. Der Besitzer weiß ganz genau, dass wir nicht mehr weiter suchen werden um diese Zeit und ist ziemlich unkooperativ. Der Koch ist ebenfalls – trotz gegenteiliger Versprechen beim Einchecken – zur Mama heim gegangen, wir bekommen als einzige Auswahlmöglichkeit „grilled sandwich“. Wenn der Magen schon richtig fest grummelt fragt man nicht mehr lange und isst einfach. Martin streikt, er geht hungrig zu Bett.
Trotz allen Nachteilen gibt es eine wunderbare Dusche mit Wasser das weder zu kalt noch zu heiß ist und einen Duschkopf, der eine normale Dosierung ermöglicht. Nicht verkalkt und verstopft, nicht zu wenig Druck, nicht zuviel Druck – ein richtiger Genuss. Ich hab – wie immer in Indien – wieder ein wenig Zeit gebraucht, um die kleinen Geschenke zu sehen, aber jetzt geht’s wieder und macht Riesenspass.
Rajiv, ein deutschsprechender Rikschafahrer kutschiert uns am Morgen durch die Pink City (Jaipurs Innenstadt ist rosa angemalt, als Zeichen der Ehre für besondere Besucher) und zeigt uns versteckte Sehenswürdigkeiten, bei denen kein Tourist ist. Denkmäler für Maharadschas, Ranis und sonstig edles Geblüt sind mit Meisterhand filigran aus und in Stein gehauen, weißer und rosa Marmor, kleine feine Zwiebeltürme, Säulen und Erker, Schnörkel und Götterbilder soweit das Auge reicht. Einige hunderte Menschen trugen einst keuchend und schwitzend die Steinblöcke an ihre Plätze, viele Inder schufteten für wenige Reiche. Fast wie heute, nur sind jetzt die Gebäude nicht mehr ganz so protzig. Das Highlight der Stadtrundfahrt: Lassi Wallah. Lassi ist ein Joghurt Shake mit Crasheis, Zucker und irgendeinem Geheimtrick (3x rein spucken oder so). Im Lassi Wallah gibt’s das beste Lassi weit und breit im Tonbecher um 10 Rupien. (56 Rp = 1 EUR). Der Becher darf dann traditionell zerschlagen werden – kommt aus der Erde und geht mit einem Umweg über ein Lassi in die Erde zurück. Eine edle Aufgabe. Einige andere Lassiverkäufer (die 3 zerstrittenen Brüder des besten Lassi Wallah Besitzer) haben sich gleich daneben angesiedelt um beim Geschäft mitschneiden zukönnen, aber es funktioniert nicht. Zielstrebig laufen alle zur Nummer 1. Nicht mal die Namen (Feimos lassi Wallah, femily lassi walla und originel lassi wallah) lenken die Kunden ab. Jeder weiß, wo er hin will.
Mit viel Joghurt + Zucker im Bauch trauen wir unseren Augen nicht, als wir bei der Ausfahrt nach Pushkar eine 3 spurige Straße finden – ganz zu fällig, sie war einfach plötzlich da. Und das Beste ist: die 3 Spuren gehören uns. In die andere Richtung gibt’s noch mal 3 Spuren. Und keine einzige hat Löcher. Wunderland Indien. Sie schaffen es immer wieder einen zu überraschen. Sie müssen die Baustelle mit Waffengewalt von den ersten Rikschahs, Ochsenwagen, Kamelkarren, Tatas etc freigehalten haben. Normalerweise fahren die ersten „Fahrzeuge“ bereits nach dem die Andeutung des Straßenverlaufs sichtbar ist. Also weit vor der Asphaltierung, womit die Lebensdauer gleich mal um ein Vielfaches verkürzt wird. Noch ein Wunder passiert während dieser Autofahrt: ein Wolkenbruch. Wir waschen alles gerade schmutzige Geschirr indem wir es einfach zum Fenster raushalten. Dicke fette Tropfen klatschen auf Hände, Geschirr und natürlich auch ins Auto. Die Luft riecht klar und frisch. Wunderland Indien!! Ziemlich schnell kommen wir nach Pushkar, die 2 heiligen Berge, zwischen denen der heilige See liegt erscheinen am Horizont. Auf ihnen sind Tempel zu erkennen. wo wir uns ein gemütliches Hotel mit Blick auf den heiligen See suchen. Und was für ein Blick! Maharadscha Raum heißt unser Zimmer und steht frei am vorderen Eck der Dachterasse, in jede der 4 Wände ist eine 2flügelige Tür eingebaut, die wir ganz weit öffnen können. Rundum Blick auf See und Ghats – die Stiegen die zum Wasser führen wie in Varanasi (Benares).
Dafür gibt’s natürlich kein Bad im Zimmer, auch keinen Aircooler. Aber die kühle Seeluft am Abend macht zumindest den Cooler überflüssig. Erst versuchen wir abr noch die empfehlenswerte Lemon Nana (Minz Limonen Shake) und Dosa (knusprige Riesenpalatschinke/crepe mit Masala, Käse oder Früchtefüllung). Eine riesige Kuh trottet vorbei, frisst ein paar alte Blätterteller und sabbert aus den Maulwinkeln. Dabei fällt mir die Geschichte des Ortes wieder ein, die ich im Guidebuch gelesen habe: Pushkar ist der Ort Brahmas, des Schöpfergottes. Einst sollte er ein wichtiges Ritual vollziehen, bei dem ihm seine Frau assistieren musste. Das sie scheinbar zu lange beim Schminken und Anziehen gebraucht hat, wurde die Zeit knapp und der „auspicious moment“ (glückverheißende Moment) wäre fast verstrichen. So entschied sich Brahma, eine andere Frau zu suchen, schickte seine Schüler aus und fand sich bei ihrer Rückkunft in Gesellschaft einer Gujarati, einer Frau aus der Sekte der Unberührbaren. Sofort wurde sie einem Reinigungsritual unterzogen, bei dem sie unter anderem durch den Körper einer Kuh musste. Daher auch ihr neuer Nama Gayatri (gaya=kuh, tri= hat durchschritten). Ich kann nur hoffen, dass grade niemand durch die sabbernde Kuh neben mir gehen muss, der käme sicher nicht vollständig wieder raus, die Kuh hat bestimmt schon einige Körperteile versabbert.
Wie auch immer sie Gayatri es geschafft hat, es half nicht wirklich. In dem Moment tauchte nämlich die erste Frau Savatri auf und bebte vor Zorn über die Ungeduld ihres Mannes. Sie belegte ihn mit einem Fluch, durch den er nur mehr hier in Pushkar verehrt werden darf. Außerdem, weils in einem Aufwischen ging verfluchte sie auch gleich noch alle Gujarati, die nun unbedingt an diesem heiligen See verbrannt und verstreut werden müssen, falls sie ins Nirvana/Moksha aufgehen wollen. Also nix mit Ganges, der ewig lang ist. Nur hier in der doch relativ kleinen Lacke ist der Ausstieg aus dem Kreis des Lebens möglich. Später versöhnten sich die 2 Frauen wieder und jede bekam auf einem der 2 Berge einen Tempel.
Es wird tatsächlich frisch und windig am Abend, wir müssen die Türen sogar festmachen, damit sie nicht ständig zuknallen. Der Mond scheint genau durch eine der Türen rein (Kunststück bei 4 Türen in 4 Himmelsrichtungen) und spiegelt sich im dunklen Wasser wieder. Ringsum uns sind die Ghats beleuchtet, der Himmel hat eine eigenartige Farbe, teils von den Wolken, von der Hitze und vor allem vom nahenden Sandsturm. Die breiten Risse in den Türen würden den Sand nicht am reinkommen hindern, also lassen wir einfach alles offen, damit er auf der anderen Seite schnell wieder rausfliegt. In der Nacht beginnt es zu regnen, fast zu stürmen. Der Wind vertreibt tatsächlich alle Mosquitos – ich hab es für einen Werbegag des Besitzers gehalten, der sich eine peinliche Antwort auf die leidige Mückenfrage ersparen wollte. Wunderland Indien! Frühmorgens tönen Schreie von den Ghats herauf, Glocken läuten, ein Krach als ob grade jemand im See ertrunken wäre. Ach ja, die morgentlichen Gesangsriten, hätt ich fast vergessen. Die Sonne zeigt sich noch nicht, wird sie auch nicht, so wie die Wolken aussehen. Also werden wir das mit dem Sonnenaufgang am Berg auf Morgen verschieben. Sehr gut! Wieder ein paar dicke Tropfen und sandiger Wind, der mich zu einem Schnitzel paniert als ich zur Toilette im Innenhof husche. So frisch und klar war Indien bisher nur in Darjeeling, das liegt aber um ein paar 1000m höher. Wunderland Indien.
Vor und unter unseren weit aufgerissenen Türen erwachen die Inder, die Ghats und die Hunde zum Leben. Ich bleibe ein bisschen liegen, genieße die Aussicht und schreibe meine Mails –jetzt. 100m vor mir liegt auf einer kleinen Insel in der Mitte des Sees ein kleiner Tempel, in seinem Schatten schnattern träge ein paar Enten. Frauen und Männer in bunten Gewändern baden in der grünen Brühe, selbst Martin wagt einen Sprung ins kühle Nass – die heiligen Sadhus stürmen gleich herbei und beglückwünschen ihn zu seinem Mut. Ich wate nur knöcheltief herum, erfrischend, zweifellos. Es stinkt auch gar nicht oder sieht dreckig aus, nur ziemlich grün eben.
Vielleicht wage ich mich doch noch hinein.
Einstweilen wünsch ich euch alles Gute – immer dran denken: es gibt Wunder, auch wenns überhaupt nicht danach aussieht. Indien zeigt uns das in allen Facetten.
Wie geht es den neuen Bienenzüchtern? Wie wird im europäischen Ausland über Haiders jüngsten Streich berichtet – oder sind die Medien es schon leid, unseren Schlagzeilenproduzenten zu kommentieren?
Bis bald
Isa
0 Comments:
Post a Comment
<< Home