Pakistan - bazariges aus Peshawar und gefaehrliche Passtrassen
07.-11. Mai 05
-hier ist mir ein kleiner Fehler in der Reihenfolge unterlaufen - dieser blog gehoert vor den vorigen!-
Assalam Aleykum,
den Sonntag verbrachten wir im halb geschlossenen Khyber Bazaar, Freunde führen uns in Pakistanischer Gastfreundschaft mit Pflichtbewusstsein herum. „Gibt es irgendwo eine Baumwoll-Shalwar Kameez?“ „Natürlich.“ „Gibt es eine Messing-Wasserpfeife?“ „Natürlich:“ Als wir dann vor den angepeilten Läden stehen sind sie geschlossen.
Wenigstens wissen wir für den morgigen Tag, wo wir ungefähr hin müssen. An allen Ecken werden wir eingeladen, zum Essen, zum Tee, bekommen Gewürze und Steine geschenkt, Armbänder und vieles mehr. Manchmal ist es fast ein wenig peinlich, für nichts zahlen zu dürfen. Wir kommen nur ganz langsam weiter, werden stets ins nächste Geschäft getrieben und bleiben wieder hängen. Dutzende Tassen Kawa später machen wir uns auf den Heimweg ins Hotel. Im Nachbarhotel verkehren Peshawars Gourmets – ein wunderschönes Dachrestaurant mit riesigen Grillern und köstlichem BBQ. Steffi und David haben einige Probleme vegetarische Kost zu bekommen. Das einzig erhältliche Mahl besteht aus ungewürztem Gemüse in eigenartiger Soße. Dafür sind die fleischigen Kebabs umso besser. Prince gesellt sich zu uns, er ist ein etwas konfuser aber sehr hilfsbereiter älterer Mann, der mir gleich 3 verschiedene Visitenkarten in die Hände drückt. Er ist Chairman der World Welfare Organisation, Herausgeber eines Magazines dessen Artikel sich hauptsächlich um die grandiosen Taten des Chairman der WWO drehen und Touristguide. Spricht und verspricht den ganzen langen Tag viel um es später eher nicht einzuhalten. Wir trafen ihn in einem Internetcafe, das zugleich als Büro der WWO dient. Wäre nicht sein Partner, ein Kalash anwesend gewesen, wären wir mit einem Bündel falscher Infos losgezogen.
Beim BBQ hält er sich nicht lange auf, bzw. wir gehen rasch nach dem verputzen der Speisen in unser Hotel, wo wir auf dem Dach noch eine Feierabendzigarette rauchen wollten. Zum ersten Mal hören wir Einschränkungen für die Herren: „Bitte gehen sie runter, v.a. die Männer. Sie könnten sonst in die Fenster der tiefer liegenden Häuser sehen und die Frauen stören.“
Martin hält dem Starex beim Doktor das Händchen während wir uns durch den nun offenen und quirligen Bazaar drängen. Auf der Suche nach Messingwasserpfeifen, Gewürzen, Henna, Teeschalen, Stoffen usw. staunen wir über die Vielfalt. Die Ware in den kleinen Shops ist kunstvoll gestapelt, egal ob es sch um silbern glitzernde Töpfe, aufgetürmtes Henna oder Chilipulver, schön arrangiertes Obst oder Gemüse, bunte Seilbetten oder Zaehne handelt.
Wie schon zuvor gibt es für alles ein gewisses Viertel, viele wollen uns einladen oder fotografiert werden. Sie posieren stolz in ihren Shalwar Kameezes, weite blaue oder beige luftige Hosen und lange, bis zu den Knien reichende Hemden, oft eine Pathankappe dazu, wie sie auch David und Martin gekauft haben. Wäre Martin nicht so große und hätte keinen so kurzen Bart, könnte man ihn fast für einen Pakistani halten. Viele hier haben helle Hautfarbe, einige sogar blaue Augen. Alexander hat einiges hinterlassen.
Martin holt uns zu aller Erstaunen mit funktionierender Klimaanlage ab – das Loch wurde gefunden und geklebt. Also auf in Richtung Chitral. Die Gegend im Norden von Peshawar ist unerwartet dicht besiedelt, kleine Ortschaften am laufenden Band, viel Verkehr, Lärm, Staub.
Nach dem ersten kleinen Malakand-Pass mit 1500m nisten wir uns in Bhat Kela ein, verbringen eine angenehme Nacht mit gutem Essen und wunderbarem Blick in den nächtlichen Sternenhimmel.
Der Tankwart lädt zum Tee und zeigt sich besorgt ob unserer Pläne, eventuell auf halber Strecke in Dir zu übernachten. „In Dir sind die konservativsten unter den moslemischen Fundamentalisten zu hause, sie werden euch Probleme machen. Fahrt lieber durch bis Chitral.
Wir brechen relativ früh auf, kurz nach Bhat Kela gabelt sich die Straße. Rechts geht’s ins Swat Tal, wo wir letztes Jahr schon waren. Wir steuern nach links, überqueren den Swat Stausee und bewundern das Chitral Tal ist vom ersten Augenblick an. Kleine Holzhäuser stehen an den Hängen, auf bunten Feldern wiegt sich reifes Getreide im lauen Wind. Die langsam immer höher aufragenden Hügel haben viele grüne Farbtupfer, überall stehen Bäume, grade o wenige, dass man sie nicht als Wald bezeichnen könnte. Wir tragen beim Checkpost unsere Daten ein, damit wir nicht verloren gehen können und lehnen die angebotene Eskorte dankend ab. Nach 5 Minuten überholt uns ein Polizeimotorrad. Martin spielt das Überholspiel noch 2x, dann ist er sicher, dass die beiden Uniformierten zu uns gehörten. Sie stoppen wenn wir stoppen, fahren wenn wir fahren und winken uns freundlich zu. Nach einigen Km erscheint ein 2. Motorrad vor uns, sie deuten uns mit Handzeichen, nun ihnen zu folgen. 3x erleben wir diesen Wechsel, dann sind wir wieder alleine.
Ab Timargarha rollt der Panjkora gemächlich neben uns her, zeigt aber in so manchem Wirbel und Gefälle, welche Kraft er haben kann.
Die ersten Berge kommen ins Blickfeld, schneebedeckte Gipfel und Grate zieren die grauen Kolosse am Horizont.
Ewig viele Fotostopps und eine kurze Rast an einem malerischen Gebirgsbach gehören zum Tagesprogramm. Unter den fragenden Blicken der vorbei fahrenden Pakistanis genießen wir die Sonnenstrahlen am Ufer und platschen im Wasser – natürlich mit Schal, züchtig gekleidet, aber die Hosenbeine hochgekrempelt. Ein bisschen viel Fleisch für konservative Moslems, wir sind kurz vor Dir.
Die bunten LKWs sind hier in der schönen Landschaft besonders auffallend – mit viel Liebe bemalt, beschlagen, mit Glöckchen behängt, Heiligen- und Märtyrerbilder im Inneren tuckern sie würdevoll über die nicht mehr allzu breiten Straßen.
In Dir wollen wir uns die Erzkonservativen aus der Nähe ansehen und kaufen im Markt Getränke, Gemüse und frisches Brot beim gut versteckten Naan-Bäcker. Martin spaziert einstweilen den ganzen Markt hinauf, er hat keinen Hunger. Ich bemerke etwas spät, dass Steffi David und ich keinen Schlüssel fürs Auto haben und sprinte ihm ganz unmoslemisch nach. Sie beäugen mich zwar reichlich suspicious, weisen mich aber freundlich in Martins Richtung. So oft kommt hier auch wieder kein Ausländer vorbei, dass sie nicht genau wüssten wo er sich aufhält. Ein besonders freundlicher zeigt mir dann noch den Weg zum Bäcker. Er walkt und dreht gerade in Windeseile 10 runde Fladenbrote, klebt sie an die Innenwand seines Ofenloches und holt sie nach 5 min knusprig braun wieder raus.
Die Landschaft wir immer besser, fast kitschig. Hellgrün sprießende Blätter, strahlend blauer Himmel, schneeweiße Berge, klares rauschendes Wasser und hie und da eine Frau in bunter Tracht auf den Feldern.
Kurz nach Dir beginnt der Anstieg zum Lowari Pass. In Peshawar erfragten wir den Zustand. „Die Straße ist seit 3 Tagen offen, beim Pass ist sie vielleicht noch ein wenig schwer zu fahren, ihr müsst für diesen Abschnitt mit 4h rechnen. Mit eurem Auto ist das kein Problem.“ Optimistisch fahren wir noch am Fuße auf die erste Furt zu. Wasser strömt knöcheltief über die Straße, ein Jeep hängt mit Achsbruch mitten im Wasser fest. Ein Chitrali gibt Martin noch letzte Instruktionen, wo es am besten zum Fahren sei. David und ich steigen aus, um diese „Abenteuer“ auf Bild festzuhalten. Wir wussten nicht was noch kommen würde…
Mit Knirschen und Stöhnen quält sich der Starex durch, ein Rückstrahler bricht ab, sonst passiert nichts. Wir können zu Fuß gar nicht durchgehen, das Wasser ist eisig kalt. Ein Stück weiter oben dienen ein paar Baumstämme als Notbrücken.
„Wie ist die Straße weiter oben?“ frage ich mit meinen aus dem Guidebuch gelernten Wortbrocken. „Rasta teek heh!“ meint ein entgegenkommender Fahrer und meint damit laut meinem Buch, dass die Straße ok sei. „Rasta“ wird zwar mit „Trail“ übersetzt, aber wer weiß, auch Guidebuch-Autoren können sich täuschen. Das Chaos mit dem die verschiedenen Ausdrücke für Brot beschrieben sind lässt mich nicht stutzig werden. „Rasta teek heh“ also weiter.
Die nächste tiefe Furt lässt nicht lange auf sich warten, aber nun haben wir ja schon Erfahrung, also durch. „Rasta teek heh!“ heißt es auf der anderen Seite wieder. Durch viel Matsch brummt der Starex langsam aber sicher vorwärts, die grandiose Szenerie um uns lässt den Optimismus nicht schrumpfen. Dann stehen wir vor einem Schneefeld. Schneefeld ist das falsche Wort, der Weg – Straße kann man es beim besten Willen nicht mehr nennen – besteht aus halbgefrorenem Matsch mit Eis, Steinen und Dreck zu einem fast unpassierbaren Gemisch verschmolzen. Auf beiden Seiten sieht es aus, als ob ein richtiger Schneepflug den Massen zu Leibe gerückt wäre, wadentief ist der Altschnee zur Seite geschoben worden. Ein entgegenkommendes Fahrzeug versichert wieder „Rasta teek heh“ , kein Problem, es wird nicht mehr schlimmer.
Also dann, einen Versuch wollen wir wagen.
Zu unserem Erstaunen klettert das Baby zwischen den tiefen Furchen hoch, drängt lose Steine zur Seite und bahnt sich seinen Weg. Ich gehe vor, einerseits zum Fotografieren, andrerseits zum Einweisen. Die allergrößten Löcher und Steine müssen wir nicht unbedingt genau erwischen.
Die Schneewände werden immer höher, die Stimmung ist eigenartig. Draußen, wenn ich auf den Schneewällen spaziere stehen ringsum unter ihrer Schneedecke glitzernde Berge vor kitschig-blauem Hintergrund. Die Zehen werden angenehm frisch, meine Flipflops hab ich schon lange ausgezogen, sie rutschen viel zu sehr am Eis. Barfuss habe ich mehr Halt.
Im Auto zwischen den mittlerweile meterhohen Wällen herrscht Düsternis. Ein krasser Unterschied.
Immer weiter und weiter, es scheint kein Ende zu nehmen. Die Räder geben bedenkliche Geräusche von sich, sind kaum zu sehen an den aufgetauten Stellen – völlig vergraben im Matsch. Ein noch etwas bedenklicheres Geräusch lässt uns genauer inspizieren, der linke Hinterreifen steht schon neben der Felge. Also gut, kein Wagenheber? Doch, aber wie alle Qualitätsarbeit unseres lieben Autohändlers Toferer funktioniert er nicht. David läuft los und kommt nach 2 Minuten mit „check“ zurück. Bald haben sich 5 hilfreiche Pakistanis um die Bescherung versammelt und geben Anweisungen auf einen kurzerhand zurechtgerückten Steinhaufen zu fahren, um das Rad gleich zu erhöhen. Sie versuchen mit vereinten Kräften, beten, fluchen und treten, den Kampf gegen die eben erst in Peshawar fachgerecht zugeschraubten Radmuttern zu gewinnen. Nach einer halben Stunde haben sie der letzten hartnäckigen Mutter ihren Platz am Boden zugewiesen und machen sich in der Dämmerung ans Wechseln. Der einfache aber effektive Wagenheber drückt den Starex hoch, flinke Finger wuchten den Ersatzreifen präzise an seinen Platz und schrauben wieder zu. Sie machen das öfter, scheint’s. Außerdem haben sie die beste Motivation abgesehen von ihrer überwältigenden Hilfsbereitschaft: ihre Autos stehen in beiden Richtungen vor und hinter uns. Fährt der Starex nicht, so fahren auch sie nicht. Wir nützen die Zeit für ein paar atemberaubende Fotos, rechts die Gipfel, ruhig, friedlich unter einer weichen fast kuschelig anmutenden Schneedecke, links graue Schneewände, Steine, Matsch, ein „rasta“, keine Straße, viele Pakistani, eingewickelt in dicke Decken, der Atem ist sichtbar – und natürlich unser grünes Riesenbaby, gestrandet.
Wieder versichern sie uns „rasta teek heh“. Einer meint noch: „For some kilometers the road is not so friendly, but then no problems.” Also gut, wir wollen ja nach Chitral. Der kaputte Teil wir notdürftig in Plastik gepackt und ins ohnehin schon Schlamm verschmierte Auto gehievt. 4 Jeeps fahren nun hinter uns, eine gewisse Sicherheit, falls noch was passiert. Die Felsen glänzen nun golden in der Abendsonne. „wildromantisch“ meint Steffi. Das ist der richtige Ausdruck. Eher wild als romantisch, aber sicher auch wildromantisch. Ich würd am liebsten aussteigen und einfach den Sonnenuntergang ansehen. Es wird ohnehin finster, mindestens 4h Fahrt liegen noch vor uns. Seit 2 Stunden heißt es immer „Chitral 5 ghanta.“ (Stunden).
Vorher gibt es kein Hotel, also gibt es keine Alternative. Vom Lowaripass selbst (3118m) bekomme ich nicht viel mit, wir sind froh, dass er vorbei ist und hoffen auf die versprochene Besserung auf der anderen Seite. Es liegt nicht mehr so viel Schnee, der „rasta“ sieht nicht mehr aus, als ob einfach eine Schneefräse durch die Decke geschnitten hätte und irgendeine Rinne freigelegt hatte. Die Serpentinen sind dafür umso steiler. Am manchen Kehren rutscht unser Untersatz einfach ab, kippt gefährlich nach rechts, fängt sich wieder, gerade früh genug um einzuschlagen und den Rest der Kurve nicht von weiter unten zu sehen. Die Jeeps hinter uns fahren mit in der Luft hängenden Reifen, kein Kunststück bei dem weiten Radstand, den rieseln Rädern und dem enormen Spielraum der Federn und Achsen.
Nach jeder Kehre lächelt uns der Fahrer hinter uns von oben aufmunternd zu und stürzt sich selbst in die Tiefe. Mit den Burschen hinter uns fühl ich mich nicht ganz so verloren, aber manchmal ist schon ein wenig mulmig. Wie sollen wir jemals zurückkommen. Hinauf schafft der Starex es sicher nicht.
Alle paar Meter muss der Allrad helfen, wieder eine Kehre, links ein tiefes Loch, rechts der Abgrund, vor uns ein großer Stein. Millimeterarbeit, Martin und ich hängen mit den Köpfen zum Fenster raus und geben Anweisungen, welcher Stein wie angefahren werden soll. Der Seitenspiegel ist schon lange weggeklappt, der „rasta“ ist zu eng. Die Konzentration lässt Müdigkeit und Anstrengung vergessen. Ich liebe solche Situationen, wo der Verstand geschärft wird und ein kühler Kopf nötig ist. Ich werde wieder voll wach, unternehmerisch, positiv. Ich denke insgeheim an meine Zeit mit den Kindern (3 Jahre Arbeit in einer Kinderbetreuungsstätte) die mich gelehrt haben, in brenzligen Situationen mehr zu geben, wach zu sein, an das Positive zu glauben und sie dabei noch zu motivieren. Ich danke jedem einzelnen dafür! Martin knabbert mehr an solchen Abenteuern, verständlicher Weise. Falls dem Auto was passiert muss er es ausbaden und sich durch den Pakistanischen Bürokratendschungel schlagen. Seine Stimmung ist dementsprechend gereizt. David und Steffi haben auch langsam genug, der Tag dauert schon lange, sie sind hungrig, weil’s kaum vegetarisches Essen gibt, sie ernährten sich in den letzten paar Tagen hauptsächlich kalt – Gurken, Tomaten, Zwiebel, Brot.
Martin weicht gerade einem Kleinlastwagen aus, der Holz lädt, mir liegt „das war die letzte!!“ auf den Lippen, doch bevor ich den Mund aufmachen kann höre ich ein „Pfffffffff!“ wie aus dem Lehrbuch. Reifen aufgeschlitzt. Platten. Martin wollte dem Werkzeug der Holzfäller ausweichen und hat einen scharfkantigen Stein erwischt. Pech.
Unser Problem ist nun, dass der 2. Ersatzreifen keine Felge hat. Ich schlage vor, mit einem der Jungs hinter uns mitzufahren, den Reifen morgen flicken zu lassen und dann wieder zu kommen. Es fehlen nur 65km nach Chitral. Ein Katzensprung…
Ein freundlicher Pakistani aus Islamabad, der das GTZ Projekt Auto nach Chitral bringen soll macht noch mehr Hoffnung. Im nächsten Dorf seien fähige Reifenflicker, die kriegen das hin und ziehen den neuen Reifen auch gleich wieder auf. Wir schaukeln also runter, versuchen uns die schlimmsten Stellen zu merken für unsere eigene Abfahrt und bekommen Tee und Brot spendiert. Ein Pickup Besitzer willigt ein uns für den Dieselpreis und ein bisschen Trinkgeld samt Reifen wieder hoch zu bringen und uns als Eskorte zu begleiten. David uns Steffi bleiben bei Brot, Ofen und Pakistanis. Martin und ich machen uns im Stockdunkel auf. Mit ein paar Brocken Urdu, Händen und Füßen unterhalte ich mich mit unserem Schutzengel. Nach einigen Kilometern gesteht er, dass sein Auto keinen Allradantrieb hat. „2 Wheel“, meint er stolz. Mir rutscht das Herz ein wenig tiefer, ich muss lachen. Aber als ich merke, wie leicht er sich über jede Kehre hoch arbeitet, fasse ich wieder Vertrauen in eine Ankunft in Chitral. Über unglaublich steile und schräge Kanten klettert er scheinbar wie auf Schienen weiter und weiter unserem maroden Auto entgegen. Mit Paschtumusik, eingekeilt zwischen Türe und Martin, der wiederum eingekeilt zwischen mir und dem Schalthebel werde ich mit jedem Meter fröhlicher.
Auf der Ladefläche waren 3 weitere Hilfsengerl, die ich nichtmal gesehen habe. Sie wechseln wieder in Boxenstopp Tempo das kaputte Teil und wir rollen langsam die restlichen Serpentinen runter.
David und Steffi erwarten uns schon. Der gute Reifenflicker bekommt als Dank noch mehr Geschäft, wir vertrauen ihm auch den 2. Reifen an. Mit ein paar Flicken, Nadel und Faden, Kleber und einem neuen Schlauch, Pressluft und viel Liebe zum Detail entsteht ein neuer Reifen. Dann kann ja wieder etwas passieren. Sehr gut!
Um 1 Uhr nachts kommen wir in Chitral an, nicht ohne vorher noch mal durch wadenhohes Wasser am Dorfeingang fahren zu dürfen. Eine letzte Probe.
Im ersten Hotel, dem PTDC (Pakistan Tourist Developement Coorp.) checken wir ein. Ein Kuss auf die Motorhaube, er hat sich wacker geschlagen. Wir dachten mindestens 5x: „Jetzt müssen wir umdrehen, keine Chance“, doch der Starex hat uns durchgeboxt. Ein paar kleine Problemchen zählen nicht. Schließlich fährt er noch.
Kein Essen mehr, dafür warme Dusche und Wasser, das wir aus der Leitung trinken können. David, Steffi und ich lassen es uns nicht nehmen und müssen noch gleich die Fotos des vergangenen sehr sehr langen Tages ansehen. Wir haben beide 256MB Speicher verschossen.
Am Morgen schreckt uns der Preis vor einer 2. Nacht, ich gehe Hotel suchen. 2 stechen mir besonders ins Auge. Eines mit hübschem Garten und großem Parkplatz, eine mit gutem Blick von er Dachterrasse. Zwischendurch werde ich zum Essen eingeladen, Gemüse, Reis und Naan – köstlich. Wir fahren gemeinsam zum „Hotel Tourist Lodge“, wo wir gleich bleiben. Wir wollen das Auto putzen und alle in letzter Zeit gekauften und einfach wild verstauten Dinge ordentlich einschlichten.
Der Besitzer hilft mir, eine geeignete Blechkiste für meine Sachen im Bazaar zu finden, wir treiben auch noch ein paar Kartons auf und am Weg strahlt mir plötzlich der Tirich Mir entgegen, unter kitschblauem Himmel, wie gewohnt. Er ist hier der höchste Berg mit seinen 7700m. Ich bleibe verzückt stehen, da meint der Hotelbesitzer, komm weiter, ich zeig dir was im Hotel.
Wir eilen zurück, ich weiß nicht was er will. Er führt mich über eine winzige Stiege auf das Dach. Kein Geländer, schmale Trittflächen, Eisenstangen aus dem Boden bzw. der Decke, kreuz und quer gespannte Schnüre nehmen mir Sicht und verlangen Konzentration. Dann steh ich oben, er zeigt in eine Richtung, sein hellblauer Shalwar Kameez flattert im Wind, sein Gesicht lächelt. Vor mir liegt ein wunderschönes Tal, mit urigen Häusern, bunten Feldern, ein Fluss, der sich in der Mitte durch schlängelt und in der Mitte erhebt sich der Tirich Mir in vollster Pracht. Das Licht ist genial, die Stimmung einzigartig. Ich weiß, warum die Fahrt am Vortag nötig war. Ein paar Minuten bleibe ich einfach nur stehen, höre die anderen nicht mehr, die unten am Autoputzen sind und sauge einfach nur den Anblick ein.
Unten nehm ich Steffi an der Hand. „Lass das mal liegen, das hat Zeit. Ich zeig dir was! Komm mit!“ Sie sieht mich verwundert an und läuft mir nach. Oben geht es ihr wie mir. „Den Sonnenaufgang muss ich morgen sehen!“
Als wir uns losreißen können, machen wir uns wieder ans Aufräumen. Ich bitte den Besitzer, die Schleier abnehmen zu dürfen, sie stören ziemlich beim Putzen, hängen immer in den Wasserkübel. Er erklärt sich zu unserem väterlichen Beschützer und erlaubt uns, uns im Hof zuhause zu fühlen. Eine Erleichterung. Seeed läuft im Autoradio, manchmal äugt ein verwunderter Pakistani über das Dach, macht aber keine Probleme. Sie lächeln eher über die freudig putzenden und tanzenden Europäer, die es scheinbar noch lustig finden, ein vor Dreck kaum erkennbares Auto zu waschen.
Wir erfahren einiges über das Frühlingsfest in den Kalash Tälern, werden einen Jeep mieten und in die Nähe fahren, dann ein paar Tage dort mit Relaxen und Trekken verbringen. Zum Rausfahren müssen wir ohnehin auf die hoffentlich bald freie Straße nach Gilgit warten. Mal sehen.
Der Besitzer ist sichtlich geschockt, als David ihm die Bilder unserer Fahrt über den Lowari zeigt. So extrem habe er es noch nie gesehen. Noch mehr Dank an den Starex!
Er kocht uns wunderbares Essen, viel zu viel, wie immer. Gemüse, Reis, selbst gemachte Pommes Frites, frisches Naan, Linsenbrei, Salat. Ganz vegetarisch. Steffi und David schlemmen.
Nachts kommt ein griechisches Pärchen an, sie haben eine 18 stündige Fahrt von Peshawar hinter sich. Ich erfahre erst am nächsten Morgen, dass der Höllenlärm nachts von ihrem kaputten Auto kam, das Getriebe ist völlig hinüber. Es hat ihnen zuliebe die letzten paar Kilometer noch überlebt und wird sich bald zum Sterben hinlegen – und ganz unmoslemisch wiedergeboren werden oder zumindest als Organspender dienen. Die noch irgendwie verwertbaren Teile finden bestimmt einen guten Platz. Die beiden kratzt das nicht wirklich, sie bleiben bis Dezember im Kalash Tal, bei ihren alten Blutsverwandten.
Ich freu mich schon sehr auf die Kalash Täler, auf Schleier lose Tage, auf alte Bräuche und Kultur. Auf fast touristenfreie Natur, Berge, Bäche
Also bis bald nach dem Trek, so in 6-7 Tagen,
ich wünsch Dir eine schöne Zeit im nun kommenden Frühling oder Frühsommer – das Wetter scheint ja nicht ganz stabil zu sein. Von 30 Grad bis Schneefall hab ich in den letzten Wochen alles gehört/gelesen!
Bei Yahoo gibt's mehr Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom
Pakistan mit Auto Pics
-hier ist mir ein kleiner Fehler in der Reihenfolge unterlaufen - dieser blog gehoert vor den vorigen!-
Assalam Aleykum,
den Sonntag verbrachten wir im halb geschlossenen Khyber Bazaar, Freunde führen uns in Pakistanischer Gastfreundschaft mit Pflichtbewusstsein herum. „Gibt es irgendwo eine Baumwoll-Shalwar Kameez?“ „Natürlich.“ „Gibt es eine Messing-Wasserpfeife?“ „Natürlich:“ Als wir dann vor den angepeilten Läden stehen sind sie geschlossen.
Wenigstens wissen wir für den morgigen Tag, wo wir ungefähr hin müssen. An allen Ecken werden wir eingeladen, zum Essen, zum Tee, bekommen Gewürze und Steine geschenkt, Armbänder und vieles mehr. Manchmal ist es fast ein wenig peinlich, für nichts zahlen zu dürfen. Wir kommen nur ganz langsam weiter, werden stets ins nächste Geschäft getrieben und bleiben wieder hängen. Dutzende Tassen Kawa später machen wir uns auf den Heimweg ins Hotel. Im Nachbarhotel verkehren Peshawars Gourmets – ein wunderschönes Dachrestaurant mit riesigen Grillern und köstlichem BBQ. Steffi und David haben einige Probleme vegetarische Kost zu bekommen. Das einzig erhältliche Mahl besteht aus ungewürztem Gemüse in eigenartiger Soße. Dafür sind die fleischigen Kebabs umso besser. Prince gesellt sich zu uns, er ist ein etwas konfuser aber sehr hilfsbereiter älterer Mann, der mir gleich 3 verschiedene Visitenkarten in die Hände drückt. Er ist Chairman der World Welfare Organisation, Herausgeber eines Magazines dessen Artikel sich hauptsächlich um die grandiosen Taten des Chairman der WWO drehen und Touristguide. Spricht und verspricht den ganzen langen Tag viel um es später eher nicht einzuhalten. Wir trafen ihn in einem Internetcafe, das zugleich als Büro der WWO dient. Wäre nicht sein Partner, ein Kalash anwesend gewesen, wären wir mit einem Bündel falscher Infos losgezogen.
Beim BBQ hält er sich nicht lange auf, bzw. wir gehen rasch nach dem verputzen der Speisen in unser Hotel, wo wir auf dem Dach noch eine Feierabendzigarette rauchen wollten. Zum ersten Mal hören wir Einschränkungen für die Herren: „Bitte gehen sie runter, v.a. die Männer. Sie könnten sonst in die Fenster der tiefer liegenden Häuser sehen und die Frauen stören.“
Martin hält dem Starex beim Doktor das Händchen während wir uns durch den nun offenen und quirligen Bazaar drängen. Auf der Suche nach Messingwasserpfeifen, Gewürzen, Henna, Teeschalen, Stoffen usw. staunen wir über die Vielfalt. Die Ware in den kleinen Shops ist kunstvoll gestapelt, egal ob es sch um silbern glitzernde Töpfe, aufgetürmtes Henna oder Chilipulver, schön arrangiertes Obst oder Gemüse, bunte Seilbetten oder Zaehne handelt.
Wie schon zuvor gibt es für alles ein gewisses Viertel, viele wollen uns einladen oder fotografiert werden. Sie posieren stolz in ihren Shalwar Kameezes, weite blaue oder beige luftige Hosen und lange, bis zu den Knien reichende Hemden, oft eine Pathankappe dazu, wie sie auch David und Martin gekauft haben. Wäre Martin nicht so große und hätte keinen so kurzen Bart, könnte man ihn fast für einen Pakistani halten. Viele hier haben helle Hautfarbe, einige sogar blaue Augen. Alexander hat einiges hinterlassen.
Martin holt uns zu aller Erstaunen mit funktionierender Klimaanlage ab – das Loch wurde gefunden und geklebt. Also auf in Richtung Chitral. Die Gegend im Norden von Peshawar ist unerwartet dicht besiedelt, kleine Ortschaften am laufenden Band, viel Verkehr, Lärm, Staub.
Nach dem ersten kleinen Malakand-Pass mit 1500m nisten wir uns in Bhat Kela ein, verbringen eine angenehme Nacht mit gutem Essen und wunderbarem Blick in den nächtlichen Sternenhimmel.
Der Tankwart lädt zum Tee und zeigt sich besorgt ob unserer Pläne, eventuell auf halber Strecke in Dir zu übernachten. „In Dir sind die konservativsten unter den moslemischen Fundamentalisten zu hause, sie werden euch Probleme machen. Fahrt lieber durch bis Chitral.
Wir brechen relativ früh auf, kurz nach Bhat Kela gabelt sich die Straße. Rechts geht’s ins Swat Tal, wo wir letztes Jahr schon waren. Wir steuern nach links, überqueren den Swat Stausee und bewundern das Chitral Tal ist vom ersten Augenblick an. Kleine Holzhäuser stehen an den Hängen, auf bunten Feldern wiegt sich reifes Getreide im lauen Wind. Die langsam immer höher aufragenden Hügel haben viele grüne Farbtupfer, überall stehen Bäume, grade o wenige, dass man sie nicht als Wald bezeichnen könnte. Wir tragen beim Checkpost unsere Daten ein, damit wir nicht verloren gehen können und lehnen die angebotene Eskorte dankend ab. Nach 5 Minuten überholt uns ein Polizeimotorrad. Martin spielt das Überholspiel noch 2x, dann ist er sicher, dass die beiden Uniformierten zu uns gehörten. Sie stoppen wenn wir stoppen, fahren wenn wir fahren und winken uns freundlich zu. Nach einigen Km erscheint ein 2. Motorrad vor uns, sie deuten uns mit Handzeichen, nun ihnen zu folgen. 3x erleben wir diesen Wechsel, dann sind wir wieder alleine.
Ab Timargarha rollt der Panjkora gemächlich neben uns her, zeigt aber in so manchem Wirbel und Gefälle, welche Kraft er haben kann.
Die ersten Berge kommen ins Blickfeld, schneebedeckte Gipfel und Grate zieren die grauen Kolosse am Horizont.
Ewig viele Fotostopps und eine kurze Rast an einem malerischen Gebirgsbach gehören zum Tagesprogramm. Unter den fragenden Blicken der vorbei fahrenden Pakistanis genießen wir die Sonnenstrahlen am Ufer und platschen im Wasser – natürlich mit Schal, züchtig gekleidet, aber die Hosenbeine hochgekrempelt. Ein bisschen viel Fleisch für konservative Moslems, wir sind kurz vor Dir.
Die bunten LKWs sind hier in der schönen Landschaft besonders auffallend – mit viel Liebe bemalt, beschlagen, mit Glöckchen behängt, Heiligen- und Märtyrerbilder im Inneren tuckern sie würdevoll über die nicht mehr allzu breiten Straßen.
In Dir wollen wir uns die Erzkonservativen aus der Nähe ansehen und kaufen im Markt Getränke, Gemüse und frisches Brot beim gut versteckten Naan-Bäcker. Martin spaziert einstweilen den ganzen Markt hinauf, er hat keinen Hunger. Ich bemerke etwas spät, dass Steffi David und ich keinen Schlüssel fürs Auto haben und sprinte ihm ganz unmoslemisch nach. Sie beäugen mich zwar reichlich suspicious, weisen mich aber freundlich in Martins Richtung. So oft kommt hier auch wieder kein Ausländer vorbei, dass sie nicht genau wüssten wo er sich aufhält. Ein besonders freundlicher zeigt mir dann noch den Weg zum Bäcker. Er walkt und dreht gerade in Windeseile 10 runde Fladenbrote, klebt sie an die Innenwand seines Ofenloches und holt sie nach 5 min knusprig braun wieder raus.
Die Landschaft wir immer besser, fast kitschig. Hellgrün sprießende Blätter, strahlend blauer Himmel, schneeweiße Berge, klares rauschendes Wasser und hie und da eine Frau in bunter Tracht auf den Feldern.
Kurz nach Dir beginnt der Anstieg zum Lowari Pass. In Peshawar erfragten wir den Zustand. „Die Straße ist seit 3 Tagen offen, beim Pass ist sie vielleicht noch ein wenig schwer zu fahren, ihr müsst für diesen Abschnitt mit 4h rechnen. Mit eurem Auto ist das kein Problem.“ Optimistisch fahren wir noch am Fuße auf die erste Furt zu. Wasser strömt knöcheltief über die Straße, ein Jeep hängt mit Achsbruch mitten im Wasser fest. Ein Chitrali gibt Martin noch letzte Instruktionen, wo es am besten zum Fahren sei. David und ich steigen aus, um diese „Abenteuer“ auf Bild festzuhalten. Wir wussten nicht was noch kommen würde…
Mit Knirschen und Stöhnen quält sich der Starex durch, ein Rückstrahler bricht ab, sonst passiert nichts. Wir können zu Fuß gar nicht durchgehen, das Wasser ist eisig kalt. Ein Stück weiter oben dienen ein paar Baumstämme als Notbrücken.
„Wie ist die Straße weiter oben?“ frage ich mit meinen aus dem Guidebuch gelernten Wortbrocken. „Rasta teek heh!“ meint ein entgegenkommender Fahrer und meint damit laut meinem Buch, dass die Straße ok sei. „Rasta“ wird zwar mit „Trail“ übersetzt, aber wer weiß, auch Guidebuch-Autoren können sich täuschen. Das Chaos mit dem die verschiedenen Ausdrücke für Brot beschrieben sind lässt mich nicht stutzig werden. „Rasta teek heh“ also weiter.
Die nächste tiefe Furt lässt nicht lange auf sich warten, aber nun haben wir ja schon Erfahrung, also durch. „Rasta teek heh!“ heißt es auf der anderen Seite wieder. Durch viel Matsch brummt der Starex langsam aber sicher vorwärts, die grandiose Szenerie um uns lässt den Optimismus nicht schrumpfen. Dann stehen wir vor einem Schneefeld. Schneefeld ist das falsche Wort, der Weg – Straße kann man es beim besten Willen nicht mehr nennen – besteht aus halbgefrorenem Matsch mit Eis, Steinen und Dreck zu einem fast unpassierbaren Gemisch verschmolzen. Auf beiden Seiten sieht es aus, als ob ein richtiger Schneepflug den Massen zu Leibe gerückt wäre, wadentief ist der Altschnee zur Seite geschoben worden. Ein entgegenkommendes Fahrzeug versichert wieder „Rasta teek heh“ , kein Problem, es wird nicht mehr schlimmer.
Also dann, einen Versuch wollen wir wagen.
Zu unserem Erstaunen klettert das Baby zwischen den tiefen Furchen hoch, drängt lose Steine zur Seite und bahnt sich seinen Weg. Ich gehe vor, einerseits zum Fotografieren, andrerseits zum Einweisen. Die allergrößten Löcher und Steine müssen wir nicht unbedingt genau erwischen.
Die Schneewände werden immer höher, die Stimmung ist eigenartig. Draußen, wenn ich auf den Schneewällen spaziere stehen ringsum unter ihrer Schneedecke glitzernde Berge vor kitschig-blauem Hintergrund. Die Zehen werden angenehm frisch, meine Flipflops hab ich schon lange ausgezogen, sie rutschen viel zu sehr am Eis. Barfuss habe ich mehr Halt.
Im Auto zwischen den mittlerweile meterhohen Wällen herrscht Düsternis. Ein krasser Unterschied.
Immer weiter und weiter, es scheint kein Ende zu nehmen. Die Räder geben bedenkliche Geräusche von sich, sind kaum zu sehen an den aufgetauten Stellen – völlig vergraben im Matsch. Ein noch etwas bedenklicheres Geräusch lässt uns genauer inspizieren, der linke Hinterreifen steht schon neben der Felge. Also gut, kein Wagenheber? Doch, aber wie alle Qualitätsarbeit unseres lieben Autohändlers Toferer funktioniert er nicht. David läuft los und kommt nach 2 Minuten mit „check“ zurück. Bald haben sich 5 hilfreiche Pakistanis um die Bescherung versammelt und geben Anweisungen auf einen kurzerhand zurechtgerückten Steinhaufen zu fahren, um das Rad gleich zu erhöhen. Sie versuchen mit vereinten Kräften, beten, fluchen und treten, den Kampf gegen die eben erst in Peshawar fachgerecht zugeschraubten Radmuttern zu gewinnen. Nach einer halben Stunde haben sie der letzten hartnäckigen Mutter ihren Platz am Boden zugewiesen und machen sich in der Dämmerung ans Wechseln. Der einfache aber effektive Wagenheber drückt den Starex hoch, flinke Finger wuchten den Ersatzreifen präzise an seinen Platz und schrauben wieder zu. Sie machen das öfter, scheint’s. Außerdem haben sie die beste Motivation abgesehen von ihrer überwältigenden Hilfsbereitschaft: ihre Autos stehen in beiden Richtungen vor und hinter uns. Fährt der Starex nicht, so fahren auch sie nicht. Wir nützen die Zeit für ein paar atemberaubende Fotos, rechts die Gipfel, ruhig, friedlich unter einer weichen fast kuschelig anmutenden Schneedecke, links graue Schneewände, Steine, Matsch, ein „rasta“, keine Straße, viele Pakistani, eingewickelt in dicke Decken, der Atem ist sichtbar – und natürlich unser grünes Riesenbaby, gestrandet.
Wieder versichern sie uns „rasta teek heh“. Einer meint noch: „For some kilometers the road is not so friendly, but then no problems.” Also gut, wir wollen ja nach Chitral. Der kaputte Teil wir notdürftig in Plastik gepackt und ins ohnehin schon Schlamm verschmierte Auto gehievt. 4 Jeeps fahren nun hinter uns, eine gewisse Sicherheit, falls noch was passiert. Die Felsen glänzen nun golden in der Abendsonne. „wildromantisch“ meint Steffi. Das ist der richtige Ausdruck. Eher wild als romantisch, aber sicher auch wildromantisch. Ich würd am liebsten aussteigen und einfach den Sonnenuntergang ansehen. Es wird ohnehin finster, mindestens 4h Fahrt liegen noch vor uns. Seit 2 Stunden heißt es immer „Chitral 5 ghanta.“ (Stunden).
Vorher gibt es kein Hotel, also gibt es keine Alternative. Vom Lowaripass selbst (3118m) bekomme ich nicht viel mit, wir sind froh, dass er vorbei ist und hoffen auf die versprochene Besserung auf der anderen Seite. Es liegt nicht mehr so viel Schnee, der „rasta“ sieht nicht mehr aus, als ob einfach eine Schneefräse durch die Decke geschnitten hätte und irgendeine Rinne freigelegt hatte. Die Serpentinen sind dafür umso steiler. Am manchen Kehren rutscht unser Untersatz einfach ab, kippt gefährlich nach rechts, fängt sich wieder, gerade früh genug um einzuschlagen und den Rest der Kurve nicht von weiter unten zu sehen. Die Jeeps hinter uns fahren mit in der Luft hängenden Reifen, kein Kunststück bei dem weiten Radstand, den rieseln Rädern und dem enormen Spielraum der Federn und Achsen.
Nach jeder Kehre lächelt uns der Fahrer hinter uns von oben aufmunternd zu und stürzt sich selbst in die Tiefe. Mit den Burschen hinter uns fühl ich mich nicht ganz so verloren, aber manchmal ist schon ein wenig mulmig. Wie sollen wir jemals zurückkommen. Hinauf schafft der Starex es sicher nicht.
Alle paar Meter muss der Allrad helfen, wieder eine Kehre, links ein tiefes Loch, rechts der Abgrund, vor uns ein großer Stein. Millimeterarbeit, Martin und ich hängen mit den Köpfen zum Fenster raus und geben Anweisungen, welcher Stein wie angefahren werden soll. Der Seitenspiegel ist schon lange weggeklappt, der „rasta“ ist zu eng. Die Konzentration lässt Müdigkeit und Anstrengung vergessen. Ich liebe solche Situationen, wo der Verstand geschärft wird und ein kühler Kopf nötig ist. Ich werde wieder voll wach, unternehmerisch, positiv. Ich denke insgeheim an meine Zeit mit den Kindern (3 Jahre Arbeit in einer Kinderbetreuungsstätte) die mich gelehrt haben, in brenzligen Situationen mehr zu geben, wach zu sein, an das Positive zu glauben und sie dabei noch zu motivieren. Ich danke jedem einzelnen dafür! Martin knabbert mehr an solchen Abenteuern, verständlicher Weise. Falls dem Auto was passiert muss er es ausbaden und sich durch den Pakistanischen Bürokratendschungel schlagen. Seine Stimmung ist dementsprechend gereizt. David und Steffi haben auch langsam genug, der Tag dauert schon lange, sie sind hungrig, weil’s kaum vegetarisches Essen gibt, sie ernährten sich in den letzten paar Tagen hauptsächlich kalt – Gurken, Tomaten, Zwiebel, Brot.
Martin weicht gerade einem Kleinlastwagen aus, der Holz lädt, mir liegt „das war die letzte!!“ auf den Lippen, doch bevor ich den Mund aufmachen kann höre ich ein „Pfffffffff!“ wie aus dem Lehrbuch. Reifen aufgeschlitzt. Platten. Martin wollte dem Werkzeug der Holzfäller ausweichen und hat einen scharfkantigen Stein erwischt. Pech.
Unser Problem ist nun, dass der 2. Ersatzreifen keine Felge hat. Ich schlage vor, mit einem der Jungs hinter uns mitzufahren, den Reifen morgen flicken zu lassen und dann wieder zu kommen. Es fehlen nur 65km nach Chitral. Ein Katzensprung…
Ein freundlicher Pakistani aus Islamabad, der das GTZ Projekt Auto nach Chitral bringen soll macht noch mehr Hoffnung. Im nächsten Dorf seien fähige Reifenflicker, die kriegen das hin und ziehen den neuen Reifen auch gleich wieder auf. Wir schaukeln also runter, versuchen uns die schlimmsten Stellen zu merken für unsere eigene Abfahrt und bekommen Tee und Brot spendiert. Ein Pickup Besitzer willigt ein uns für den Dieselpreis und ein bisschen Trinkgeld samt Reifen wieder hoch zu bringen und uns als Eskorte zu begleiten. David uns Steffi bleiben bei Brot, Ofen und Pakistanis. Martin und ich machen uns im Stockdunkel auf. Mit ein paar Brocken Urdu, Händen und Füßen unterhalte ich mich mit unserem Schutzengel. Nach einigen Kilometern gesteht er, dass sein Auto keinen Allradantrieb hat. „2 Wheel“, meint er stolz. Mir rutscht das Herz ein wenig tiefer, ich muss lachen. Aber als ich merke, wie leicht er sich über jede Kehre hoch arbeitet, fasse ich wieder Vertrauen in eine Ankunft in Chitral. Über unglaublich steile und schräge Kanten klettert er scheinbar wie auf Schienen weiter und weiter unserem maroden Auto entgegen. Mit Paschtumusik, eingekeilt zwischen Türe und Martin, der wiederum eingekeilt zwischen mir und dem Schalthebel werde ich mit jedem Meter fröhlicher.
Auf der Ladefläche waren 3 weitere Hilfsengerl, die ich nichtmal gesehen habe. Sie wechseln wieder in Boxenstopp Tempo das kaputte Teil und wir rollen langsam die restlichen Serpentinen runter.
David und Steffi erwarten uns schon. Der gute Reifenflicker bekommt als Dank noch mehr Geschäft, wir vertrauen ihm auch den 2. Reifen an. Mit ein paar Flicken, Nadel und Faden, Kleber und einem neuen Schlauch, Pressluft und viel Liebe zum Detail entsteht ein neuer Reifen. Dann kann ja wieder etwas passieren. Sehr gut!
Um 1 Uhr nachts kommen wir in Chitral an, nicht ohne vorher noch mal durch wadenhohes Wasser am Dorfeingang fahren zu dürfen. Eine letzte Probe.
Im ersten Hotel, dem PTDC (Pakistan Tourist Developement Coorp.) checken wir ein. Ein Kuss auf die Motorhaube, er hat sich wacker geschlagen. Wir dachten mindestens 5x: „Jetzt müssen wir umdrehen, keine Chance“, doch der Starex hat uns durchgeboxt. Ein paar kleine Problemchen zählen nicht. Schließlich fährt er noch.
Kein Essen mehr, dafür warme Dusche und Wasser, das wir aus der Leitung trinken können. David, Steffi und ich lassen es uns nicht nehmen und müssen noch gleich die Fotos des vergangenen sehr sehr langen Tages ansehen. Wir haben beide 256MB Speicher verschossen.
Am Morgen schreckt uns der Preis vor einer 2. Nacht, ich gehe Hotel suchen. 2 stechen mir besonders ins Auge. Eines mit hübschem Garten und großem Parkplatz, eine mit gutem Blick von er Dachterrasse. Zwischendurch werde ich zum Essen eingeladen, Gemüse, Reis und Naan – köstlich. Wir fahren gemeinsam zum „Hotel Tourist Lodge“, wo wir gleich bleiben. Wir wollen das Auto putzen und alle in letzter Zeit gekauften und einfach wild verstauten Dinge ordentlich einschlichten.
Der Besitzer hilft mir, eine geeignete Blechkiste für meine Sachen im Bazaar zu finden, wir treiben auch noch ein paar Kartons auf und am Weg strahlt mir plötzlich der Tirich Mir entgegen, unter kitschblauem Himmel, wie gewohnt. Er ist hier der höchste Berg mit seinen 7700m. Ich bleibe verzückt stehen, da meint der Hotelbesitzer, komm weiter, ich zeig dir was im Hotel.
Wir eilen zurück, ich weiß nicht was er will. Er führt mich über eine winzige Stiege auf das Dach. Kein Geländer, schmale Trittflächen, Eisenstangen aus dem Boden bzw. der Decke, kreuz und quer gespannte Schnüre nehmen mir Sicht und verlangen Konzentration. Dann steh ich oben, er zeigt in eine Richtung, sein hellblauer Shalwar Kameez flattert im Wind, sein Gesicht lächelt. Vor mir liegt ein wunderschönes Tal, mit urigen Häusern, bunten Feldern, ein Fluss, der sich in der Mitte durch schlängelt und in der Mitte erhebt sich der Tirich Mir in vollster Pracht. Das Licht ist genial, die Stimmung einzigartig. Ich weiß, warum die Fahrt am Vortag nötig war. Ein paar Minuten bleibe ich einfach nur stehen, höre die anderen nicht mehr, die unten am Autoputzen sind und sauge einfach nur den Anblick ein.
Unten nehm ich Steffi an der Hand. „Lass das mal liegen, das hat Zeit. Ich zeig dir was! Komm mit!“ Sie sieht mich verwundert an und läuft mir nach. Oben geht es ihr wie mir. „Den Sonnenaufgang muss ich morgen sehen!“
Als wir uns losreißen können, machen wir uns wieder ans Aufräumen. Ich bitte den Besitzer, die Schleier abnehmen zu dürfen, sie stören ziemlich beim Putzen, hängen immer in den Wasserkübel. Er erklärt sich zu unserem väterlichen Beschützer und erlaubt uns, uns im Hof zuhause zu fühlen. Eine Erleichterung. Seeed läuft im Autoradio, manchmal äugt ein verwunderter Pakistani über das Dach, macht aber keine Probleme. Sie lächeln eher über die freudig putzenden und tanzenden Europäer, die es scheinbar noch lustig finden, ein vor Dreck kaum erkennbares Auto zu waschen.
Wir erfahren einiges über das Frühlingsfest in den Kalash Tälern, werden einen Jeep mieten und in die Nähe fahren, dann ein paar Tage dort mit Relaxen und Trekken verbringen. Zum Rausfahren müssen wir ohnehin auf die hoffentlich bald freie Straße nach Gilgit warten. Mal sehen.
Der Besitzer ist sichtlich geschockt, als David ihm die Bilder unserer Fahrt über den Lowari zeigt. So extrem habe er es noch nie gesehen. Noch mehr Dank an den Starex!
Er kocht uns wunderbares Essen, viel zu viel, wie immer. Gemüse, Reis, selbst gemachte Pommes Frites, frisches Naan, Linsenbrei, Salat. Ganz vegetarisch. Steffi und David schlemmen.
Nachts kommt ein griechisches Pärchen an, sie haben eine 18 stündige Fahrt von Peshawar hinter sich. Ich erfahre erst am nächsten Morgen, dass der Höllenlärm nachts von ihrem kaputten Auto kam, das Getriebe ist völlig hinüber. Es hat ihnen zuliebe die letzten paar Kilometer noch überlebt und wird sich bald zum Sterben hinlegen – und ganz unmoslemisch wiedergeboren werden oder zumindest als Organspender dienen. Die noch irgendwie verwertbaren Teile finden bestimmt einen guten Platz. Die beiden kratzt das nicht wirklich, sie bleiben bis Dezember im Kalash Tal, bei ihren alten Blutsverwandten.
Ich freu mich schon sehr auf die Kalash Täler, auf Schleier lose Tage, auf alte Bräuche und Kultur. Auf fast touristenfreie Natur, Berge, Bäche
Also bis bald nach dem Trek, so in 6-7 Tagen,
ich wünsch Dir eine schöne Zeit im nun kommenden Frühling oder Frühsommer – das Wetter scheint ja nicht ganz stabil zu sein. Von 30 Grad bis Schneefall hab ich in den letzten Wochen alles gehört/gelesen!
Bei Yahoo gibt's mehr Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom
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