Alltag in Lahore, Pferde in Islamabad, Khyber Pass und eine neue Idee bei den Kalash
16. juni - 4. juli 05
Assalam Aleykum + Ishpata
ich gewöhn mich in Lahore so langsam an das Leben mit dem Ventilator, alles immer gut festhalten oder festklemmen, Dinge an die man zu Hause nicht denken muss. Manchmal vergesse ich es trotzdem, dann fliegt alles durchs Zimmer und ich muss mich wieder mal selbst auslachen. Irgendwann werd ich es lernen. Das Thermometer klettert auf fast 50 Grad, wir wollen nach Chitral zu den Kalash, wo ich schon mal eine wunderbare Zeit verbracht habe.
Ich fahre einen Tag vorher nach Islamabad, zu meinen Freunden Asem (Reporter) und Adil (der Kontakt zur Iranischen Botschaft und mittlerweile eine Art Papa für mich). Zum ersten Mal fahre ich mit der Daewoo Buscompany – ein echtes Erlebnis. Daewoo hat ein riesen Netzwerk an Bussen aufgebaut, das einzig organisierte, funktionierende Transportunternehmen mit Zeitplan, Bordservice, Sitzplatzreservierung. Etwas teurer als die zu allen (Un-) Zeiten fahrenden Chaos Gesellschaften, die an jeder Ecke halten und ewig brauchen. Ich steige ein, um 7 Uhr früh, es ist kühl drinnen, ich friere fast ein wenig. Wir fahren los, würde nicht die Straße unter den Rädern manchmal löchrigerweise zu spüren sein könnte ich glauben ich sitze in einem Flugzeug. Die „Stewardess“ begrüßt übers Mikrofon, bringt Zeitung, Erfrischungsgetränke und Snacks (Käsesandwich wie bei Drukair Bhutan). Wow! Die Koreaner haben beim Bau des Motorways mitgeholfen und Daewoo irgendwie ein Monopol auf dieses Busservice verschafft. Am Weg gibt es extra Daewoo Rasthäuser und Toiletten, sehr westlich, aber eine komfortable, kühle Abwechslung in dieser grausigen Hitze.
Mit Adil sehe ich in Islamabad, wie schnell Genehmigungen, Anträge und sonstige bürokratische Wege binnen Sekunden erledigt werden können. Man muss nur die richtigen Leute kennen. Ich hab ein richtige schlechtes Gewissen dabei, an 50 Wartenden, die in der Hitze brüten, vorbei zu spazieren, direkt ins klimatisierte Büro des Direktors, wo es Tee und kalte Softdrinks oder Wasser gibt, Adil tauscht kurz die neuesten Nachrichten von Business und Family aus, bekommt seinen Stempel und wir gehen wieder. Was er in 3 Stunden erledigt können andere in Monaten nicht schaffen, weil sie nicht die richtigen Kontakte haben oder das Bestechungsgeld nicht aufbringen können. Traurig aber war.
Am Abend fahren wir zum Tent Pegging, dem Spektakel wegen dem ich eigentlich nach Islamabad gekommen bin. Pakistanischer Pferdesport ist mit unserem nicht zu vergleichen, nicht mal die Pferde sind mit unseren zu vergleichen. Sie tänzeln rum, stehen nie still, in ihren Augen glüht Feuer, sie zerren ungeduldig an den Zügeln, wollen rennen, ihre muskulösen, eleganten Beine in den Sandboden schlagen. Ein Blick in ihre Augen reicht um zu wissen, dass es sich um besondere Tiere handelt. Edel geschmückt traben sie am Ende der langen Erdbahnen im Kreis, alle paar Minuten löst sich ein Reiter mit seinem Tier und jagt es in wildem Galopp hinunter.
In der Mitte liegt ein kleines Stück Holz, welches der Reiter im Galopp mit seiner langen Lanze aufpicken muss. Tent Pegging ist ein alter Sport und hat seinen Ursprung in der Zeit der Wüstennomaden, die sich gegenseitig das Leben schwermachten in dem sie dem Gegner, der grade friedlich in seinem Zelt ruht und nichts Böses denkt, im Vorbeigalloppieren die Zeltstangen mit einer Lanze umstoßen.
Manche Pferde sind kaum zu kontrollieren, sie laufen ungesteuert in die Menge, alles springt zurück, lässt das Tier vorbei und hofft, dass es sich beruhigt bevor der Reiter unter ihm liegt.
Eigentlich sollte er sich ja gekonnt seitlich aus dem Sattel heben, runterbeugen und das winzige Stück Holz aufspießen. Wenn er es schafft, bekommt seine Mannschaft einen Punkt. Manchmal reiten auf 4 Teilnehmer aus verschiedenen Mannschaften zugleich los, wer nicht trifft, scheidet aus – KO System.
Es ist genial ihnen zuzusehen. Adil verspricht mir, zu lernen wie man sich auf so einem Tier länger als eine Minute hält und dabei noch glaubwürdig aussieht. Mal sehen wie viel Geduld er hat – es wär ein Herzenswunsch von mir. Ich darf anfangen, sobald ich Zeit hab…
Am Abend fahren wir hoch in die Margalla Hills, ein kleines Restaurant steht oben, wir genießen die Aussicht auf das nächtlich ruhige Islamabad, die spät geplante und gebaute Hauptstadt Pakistans. Die Briten wollten eine Hauptstadt an der Haupthandelsroute nahe den kühlen Hillstations, wohin sie sich im Sommer immer verkrochen, wenn’s unten zu heiß wurde für englische, regengewöhnte Verwalter. Manche sagen, das Beste an Islamabad ist, dass es nur 15km weg ist von Pakistan. Sie meinen damit Rawalpindi, eine echt Pakistanische Stadt mit Chaos, Bazaar und allem, was das völlig durchstrukturierte Islamabad mit seinem geraden Straßen, alphabetisch eingeteilten Vierteln und Botschaftsenklaven nicht hat.
Adil kennt natürlich den Besitzer des Restaurants, leider sitzt er gerade im Gefängnis. Korruption ist ein beliebtes Mittel, störende Politiker wie ihn aus dem Weg zu räumen. Er war Vorsitzender der PPP (Volkspartei, die von den Bhuttos) und viel bei den konservativeren militärischen Machthabern in Ungnade.
Als die Kellner Adil erkannten kommen sie um ihm und anschließend auch mir ein wahren Freundschaftsbeweis zu erweisen – eine wohltuende Kopfmassage. Es ist der erste Tag, an dem die Luft wirklich kühl und angenehm ist, dazu der erhebende Blick in die Ebene, gutes Essen und eine entspannenden Massage… WOW!
Am nächsten Tag bringt er mich mit gehörig Pakistanischer Verspätung nach Peshawar – nicht ohne am Hinweg noch bei seinem guten Freund vorbei zu sehen – Pferde kaufen.
Ein riesen Gestüt, dem Besitzer gehören die umliegenden 15 Dörfer – zumindest das Land auf dem sie stehen. Er ist ein netter alter Mann um die 70, der bestimmt schon einige Schmutzwäsche gewaschen hat – aber die Liebe zu den Pferden verbindet die beiden. Er ist freundlich, gebildet, gibt mir aber auch zur Begrüßung nicht die Hand – ein Missverständnis, wie wir später bemerken. Ich unterhalte mich eine Stunde mit ihm, während Adil Pferde aussuchen geht. Er erzählt mir von seiner Zeit in England, Ascot, Pferderennen und die Schule der Gentlemen – gib keiner Dame die Hand, wenn sie sie nicht zuerst hinstreckt. Ich hab sie natürlich nicht zuerst hingestreckt, weil das bei Moslems nicht üblich ist. Sein Anwesen ist riesen groß, der Garten ums Haus nicht zu durchlaufen in der Hitze, die Ställe wunderschön, die Pferde noch schöner. Daneben stehen die Lehmhütten der Dorfbewohner, die täglich ums Überleben kämpfen. Pakistan.
In Peshawar treffe ich dann Pierre, wir strollen im Bazaar herum, ich suche mir ein paar Routen, die ich mit meiner ersten Touristengruppe gehen möchte, treffe einen alten Afghanen, der mich durch den Dschungel leitet und mir ein paar Tipps gibt. Er hatte ein gutlaufendes Hotel in Kabul – bis die Russen kamen. Damals floh er nach Pakistan und betreibt seither ein Teppichgeschäft. Manchmal geht er auf die Straße um Touristen zu treffen und sein English aufzufrischen. Ich finde mein Lieblingsteehaus wieder und komme nach einigen Tassen und vielen neuen Bekanntschaften zurück ins Hotel.
Beim Iranischen Botschafter schaue ich auch noch vorbei, mein Iranvisum ist ja noch nicht verlängert. Ich weiß nicht ob ich es brauchen werde, aber wer hat der hat. Der Bursche erzählt ständig nur von den Pferden, und ob mein Hauptgrund im Iran auch „Pferdegestüte besuchen“ sei. Erwürde mit „Introduction letters“ mitgeben, damit ich überall hinein kann. Die Visagebühr kann er mir allerdings nicht ersparen. Das lässt mich mit der Asstellung noch warten – nun weiß ich ja wo ich hin muss, erst wenn ich wirklich gehe werde ich mir das Visum holen.
Am nächsten Morgen wollen wir zum Khyber Pass, dem legendären Übergang von Afghanistan nach Pakistan, damals Indien, über den schon Alexander der Große gekommen ist. Unser Guide teilte uns kurz vor Abfahrt mit, dass nicht er sondern ein anderer Guide mitfahren werde, er müsse seine Mutter ins Spital bringen. Der andere war: Prince Mahir Ullah, der gschaftige Multifunktionär von dutzenden selbstausgedachten Organisationen und Herausgeber einiger rein selbstbeweihräuchernder Zeitungen. Der, den wir beim ersten Treffen in Peshawar (mit Steffi, David + Martin) beim Essen haben sitzen lassen, weil er so anstrengend war. Na dann... Ein bewaffneter Guide muss mit, Pflicht in den Tribal Areas, wo Gesetzlosigkeit herrscht. Die Briten haben diese Gebiet als Pufferzone etabliert, den lokalen Stämmen aber weitestgehende Autonomie zugestanden – notgedrungener Weise, sie würden sich nie „regieren lassen“. Nach der Teilung von Pakistan und Indien behielten die Pakistanis aus demselben Grund diese Politik bei. Die Hauptstraße wird weitgehend vom Militär gesichert, alles abseits davon ist Stammesgebiet. Für Touristen nicht begehbar.
Die Häuser gleichen riesigen Festungen, man spürt ein wenig die Feindseligkeit, die zwischen den Familien herrscht, wenngleich sie gegenueber Fremden die den Pashtu eigene Gastfreundschaft walten lassen. Jeder Gast wird aufgenommen – zum Ärger der Regierung auch gesuchte „Terroristen“ aus Afghanistan. Am Pass wird gekehrt, nicht ohne den Blick nach ins Tal zur Afghanischen Grenze schweifen zu lassen. Der Pass selbst ist nicht spektakulär, dafür das Gefühl der Geschichtsträchtigkeit. Ein historischer Übergang, viel Gewalt und Leid, viele hochstrebende junge Agenten zu Zeiten des „Great Games“, der Periode in der Britisch Indien und Russland mit dem lokalen Herrschern um die Territorien in Zentralasien kämpften, Armeen und Botschafter, Händler und Abenteurer sind hier oben gewesen.
Der bewaffnete Guard ist angespannt, am Vortag gab es einige Tote hier oben, weil die Regierung wieder mal versucht hat, den Stammesleuten Steuerzahlungen abzuverlangen – sie sahen das etwas anders, es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen. Auf den ersten Blick lächeln alle, sind freundlich, wollen einladen. Herzensgute Menschen, unter dem Shalwar Kameez zeichnet sich die Kalaschnikow ab, jeder hier hat mindestens eine immer bei sich.
Am Abend nimmt uns ein Freund von Andreas zum Essen mit Freunden mit ins Hertiage Hotel, wo ich schon mit David, Steffi und Martin herrlich gespeist habe.
Dann geht’s auf nach Chitral, Diesmal soll uns ein kleiner Minivan über den Lawari Pass bringen, der dem Starex damals so zugesetzt hatte. 14h sind wir unterwegs, die Strassen sie aber schneefrei und relativ einfach zu fahren.
Für Österreichische Verhältnisse immer noch eine Katastrophe, aber im Vergleich zu vor einem Monat – ein Kinderspiel.
In Chitral halten wir uns nicht lange auf, finden gute Freude die uns nach Birir bringen, in das Tal, wo ich schon letztes Mal die schönste Zeit verbracht habe. Gleich am Eingang treffe ich meinen besten Kalash Freund Sher Alam, ein gutes Omen. Rabichan und Irfan, die Betreiber des Guesthouses begrüßen uns stürmisch, es ist eine Freude hier zu sein – fast wie nach hause kommen. Die kleine Tochter Masran, die eine gehörige Portion Charme, Durchsetzungsvermögen und Temperament mit einer schon zu erahnenden Schöhnheit von Mama mitbekommen hat, hab ich schon letztes Mal ins Herz geschlossen. Sie fragt, ob ich nicht bei ihr im Bett übernachten möchte - es fällt mir schwer abzulehnen, aber ich weiß, dass ich nicht allein mit ihr im Bett sein werde. Eine Heerschar schwarzer kleiner Quälgeister lassen mich nein sagen.
Die Luft ist klar, das Wasser trüb von der Schneeschmelze aber erfrischen kühl für so manches Bad .Ich liebe es im Gebirgsbach zu sitzen, das Wasser strömt über die Schulter – oder unter einem Wasserfall zu duschen – es ist wie im Paradies – und alles wieder mal ohne Kopftuch!
Wie letztes Mal wollen wir alle 3 Täler besuchen, bleiben aber gleich hier hängen. Ich hab das Gefühl, dass die Zufriedenheit hier in der Luft schwebt. Die Zufriedenheit mit dem, was man hat, so wie die Kalash zufrieden sind mit ihrer Kultur und die unbegreiflich nahe „Zivilisation“ gar nicht wollen. Ich spüre diese innere Ruhe hier ganz besonders. Es treibt mich nicht wie sonst an einem neuen Ort zu allen möglichen weiteren neuen Orten im Umkreis, ich will einfach bleiben und genießen und es ist gut so.
Sher Alam nimmt mich mit in seine Schule, wo ich ein bisschen Englisch unterrichte – zum Spass, aber es soll Inchallah mehr daraus werden. Am nächsten Tag gehen wir gemeinsam zum letzten Dorf im Tal, wo eine kleine Schule steht, in der ich in einem extra Mail noch genauer berichten möchte.
Ein Raum, ein Fenster, kein Licht, zugige Wände, ein undichtes Dach – vier Schulstufen, ein Lehrer. Ich entschließe mich zurückzukommen und am Bau einer neuen Schule zu helfen.
Der Heimweg dauert 5 Stunden – mit 25 Tees, 3 Mittagessen und einigen Gläsern Kalashwein am Weg.
Sher Alam erzählt mir auch die Geschichte der 4 Gräber, die am Flussufer stehen. Vor Jahren, als er selbst noch ganz ganz klein war, gab es 2 Spanische Toruisten, die von 4 Muslimischen Männern erst bedroht und dann getötet wurden. Die Frau wehrte sich gegen die Vergewaltigung, worauf ihr Mann umgebracht wurde mit der Drohung, ihr würde bei Widerstand das gleiche Schicksal widerfahren. Sie wehrte sich, die Vergewaltigung erfolgte nach der Ermordung. Nach dem Vorfall setzte die Spanische Regierung ihre Pakistanischen Kollegen ziemlich unter Druck, ein Skandal – zu Recht! Spanien wollte die Auslieferung, Pakistan entschied sich, die Mörder selbst hinzurichten – ihre Gräber stehen nun hier am Fluss. Die Witwen und Nachkommen sind immer noch in der Gesellschaft stigmatisiert. Dies ist das einzige Ereignis in jüngerer Geschichte, welches auf irgendeine Gewaltausübung gegen fremdes Leben deutet.
Die Tage sind unvergleichlich schön, ich habe letztes Mal schon viel von der Kultur erzählt und will nicht noch mal davon anfangen, aber wenn du nach Pakistan willst, bitte komm unbedingt in die Kalash Täler. Aber bring ein gutes Flohmittel, diese Tiere sind der einzige Dorn, der mich schmerzlich oft gestochen hat. Mein Körper ist übersäht mit Flohbissen, keine Chance sie loszuwerden. Hygiene ist hier kein erstrebenswertes Ziel. Ich sehe ohne Übertreibung aus, als ob ich Masern hätte. Von der Spitze des kleinen Fingers zum Haaransatz am Hals, über Bauch, Rücken bis zur Fußsohle – alles voller kleiner roter Punkte.
Am 3. Tag treffe ich Martin, einen Österreicher aus Neuhofen – keine 50km von meinem Heimatort entfernt. Wie klein doch die Welt ist.
Es tut gut, über zuhause zu reden, in oberösterreichischem Dialekt, mit Worten die ich seit meiner Abfahrt nicht mehr gehört habe und die mich den ganzen Tag über zum Lachen bringen. Ich habe nicht gewusst, dass mir das doch so fehlt. Aber das in einer so wundervollen Umgebung zu entdecken ist noch viel schöner.
Nach ein paar Tagen folgt ein nicht ganz einfacher Trek ins nächste Tal, Bumburet. Ich will nicht denselben Pass überschreiten wie beim letzten Mal, ich habe mein Bergschuhe nicht dabei. „Der Weg steigt ganz sanft, du kannst leicht gehen. Es dauert nur 4 Stunden, dann seid ihr in Bumburet!“ Ich sollte aus der Erfahrung vom letzten Mal wissen, dass ich nichts glauben darf, was Entfernung, Zeit oder Wegbeschreibung betrifft, aber ich will es glauben.
Der Weg ist nicht so steil wie der andere – stimmt, aber es fehlt nicht viel. Manchmal rutsche ich aus, einmal fange ich mich erst beim nächsten Gestrüpp am steinigen Weg abwärts – die Füße voran, Steine und Äste hinterlassen ein paar Spuren auf meinen Beinen und meinem Hintern. Nach 8 Stunden trinken wir bei Sher Alams Familie Tee. Erschöpft, mit wunden Zehen und Oberschenkeln aber glücklich.
Am Abend darauf gibt’s ein spezielles Ereignis im letzten Dorf im Bumburet Tal: Chandbhai, der bärtige Newage Mullah aus Lahore, mein Specialfriend hat sich doch tatsächlich genau in diesem genialen Landschaftsbild eine Frau gefunden – und heiratet!
Andi und Nicole, die Kanadierin sind ebenfalls da. Die Zeremonie selbst ist unspektakulär. Verhandlungen über den Preis, Koranverse, Zustimmung der Bräutigams und – nein, nicht der Braut sondern des Brautvaters. Die Braut ist gar nicht anwesend, sie sitzt oben in der Küche, Morgen soll ihr neues Leben beginnen, im fernen Lahore. Sie ist 21, sagen ihre Eltern. Sie spricht nur Nuristani, kein Urdu, kein Englisch. Sie soll also die Frau sein, die Chandbhai einen Minichandbhai schenken soll. Ihm selbst ist die Freude ins Gesicht geschrieben, zu Tränen und Lachen gleichzeitig gerührt, so kenn ich ihn noch nicht. Er freut sich auf sie, darauf ihr Urdu und Englisch zu lernen, sie mit dem Stadtleben vertraut zu machen. „Ich freue mich auf den Tag, an dem sie genug Selbstvertrauen hat, alleine in den Bazaar zugehen, zu handeln und dort Spass zu haben – mit dem Baby!“ träumt Chandbhai vor sich hin.
Für die Nacht sind wir im PTDC Hotel bei Faham Aziz, dem ehemaligen Schüler von Martin eingeladen, der mich schon wie eine Tochter behandelt.
Es ist ein gutes Gefühl, nicht immer nur in Martins Schlepptau eingeladen zu werden, sondern selbst geschätzt zu werden. Das hat mir immer gefehlt früher. Es ist, wie bei guten alten Freunden hier. Ich freue mich auf das Zurückkommen.
Am morgen fliegen wir nach Peshawar, Pierre und ich müssen früher zurück als die anderen, die Arbeit wartet. 35min Flug statt 14 Stunden Fahrt, wunderbar. Dafür dauert die Busfahrt von Peshawar nach Lahore um einiges länger als geplant. Reifenpannen, Stopps zu den Gebetsstunden und andere Stopps aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen – Pakistan.
Jetzt sitze ich wieder in Lahore – die Luft ist schwer, dunstig nach den schweren Regenfällen und Überschwemmungen in den letzten Tagen. Bis 52 Grad war das Thermometer hochgeklettert, selbst im Haus in Gulberg war alles unter Wasser erzählt Paul, der uns zuhause empfängt. Er startete vor einem halben Jahr mit dem Motorrad in der Schweiz und ist nun grade hier, um sich ein wenig von den bisherigen Strapazen, Verfolgungsjagden und Durchfällen zu erholen. Einige Tage war Pakistan vom Internet abgeschnitten, das SEA ME WE3 Hauptkabel, welches Südostasien, Mittelasien und Westeuropa verlinkt und eigentlich friedlich am Meeresgrund schlummern sollte war kaputt. Aber angeblich funktioniert nun alles und mein Mail erreicht dich Inchallah.
Die Flöhe tausche ich gerade gegen die Mosquitos, die „kontaminierte Wäsche“ hab ich sofort in der Waschmaschine ertränkt. Ich hoffe es hilft.
Ich freue mich schon wieder auf die Berge, übermorgen fahre ich nach Islamabad, um die Touristen abzuholen, dann geht’s auf in den Karakoram bis hoch zu Chinesischen Grenze.
Dafür muss ich nun noch genug Infos sammeln und mich vorbereiten, also bis bald Inchallah
Allah hafez
Bei Yahoo gibt's Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom
Islamabad Peshawar Kalash pics
Assalam Aleykum + Ishpata
ich gewöhn mich in Lahore so langsam an das Leben mit dem Ventilator, alles immer gut festhalten oder festklemmen, Dinge an die man zu Hause nicht denken muss. Manchmal vergesse ich es trotzdem, dann fliegt alles durchs Zimmer und ich muss mich wieder mal selbst auslachen. Irgendwann werd ich es lernen. Das Thermometer klettert auf fast 50 Grad, wir wollen nach Chitral zu den Kalash, wo ich schon mal eine wunderbare Zeit verbracht habe.
Ich fahre einen Tag vorher nach Islamabad, zu meinen Freunden Asem (Reporter) und Adil (der Kontakt zur Iranischen Botschaft und mittlerweile eine Art Papa für mich). Zum ersten Mal fahre ich mit der Daewoo Buscompany – ein echtes Erlebnis. Daewoo hat ein riesen Netzwerk an Bussen aufgebaut, das einzig organisierte, funktionierende Transportunternehmen mit Zeitplan, Bordservice, Sitzplatzreservierung. Etwas teurer als die zu allen (Un-) Zeiten fahrenden Chaos Gesellschaften, die an jeder Ecke halten und ewig brauchen. Ich steige ein, um 7 Uhr früh, es ist kühl drinnen, ich friere fast ein wenig. Wir fahren los, würde nicht die Straße unter den Rädern manchmal löchrigerweise zu spüren sein könnte ich glauben ich sitze in einem Flugzeug. Die „Stewardess“ begrüßt übers Mikrofon, bringt Zeitung, Erfrischungsgetränke und Snacks (Käsesandwich wie bei Drukair Bhutan). Wow! Die Koreaner haben beim Bau des Motorways mitgeholfen und Daewoo irgendwie ein Monopol auf dieses Busservice verschafft. Am Weg gibt es extra Daewoo Rasthäuser und Toiletten, sehr westlich, aber eine komfortable, kühle Abwechslung in dieser grausigen Hitze.
Mit Adil sehe ich in Islamabad, wie schnell Genehmigungen, Anträge und sonstige bürokratische Wege binnen Sekunden erledigt werden können. Man muss nur die richtigen Leute kennen. Ich hab ein richtige schlechtes Gewissen dabei, an 50 Wartenden, die in der Hitze brüten, vorbei zu spazieren, direkt ins klimatisierte Büro des Direktors, wo es Tee und kalte Softdrinks oder Wasser gibt, Adil tauscht kurz die neuesten Nachrichten von Business und Family aus, bekommt seinen Stempel und wir gehen wieder. Was er in 3 Stunden erledigt können andere in Monaten nicht schaffen, weil sie nicht die richtigen Kontakte haben oder das Bestechungsgeld nicht aufbringen können. Traurig aber war.
Am Abend fahren wir zum Tent Pegging, dem Spektakel wegen dem ich eigentlich nach Islamabad gekommen bin. Pakistanischer Pferdesport ist mit unserem nicht zu vergleichen, nicht mal die Pferde sind mit unseren zu vergleichen. Sie tänzeln rum, stehen nie still, in ihren Augen glüht Feuer, sie zerren ungeduldig an den Zügeln, wollen rennen, ihre muskulösen, eleganten Beine in den Sandboden schlagen. Ein Blick in ihre Augen reicht um zu wissen, dass es sich um besondere Tiere handelt. Edel geschmückt traben sie am Ende der langen Erdbahnen im Kreis, alle paar Minuten löst sich ein Reiter mit seinem Tier und jagt es in wildem Galopp hinunter.
In der Mitte liegt ein kleines Stück Holz, welches der Reiter im Galopp mit seiner langen Lanze aufpicken muss. Tent Pegging ist ein alter Sport und hat seinen Ursprung in der Zeit der Wüstennomaden, die sich gegenseitig das Leben schwermachten in dem sie dem Gegner, der grade friedlich in seinem Zelt ruht und nichts Böses denkt, im Vorbeigalloppieren die Zeltstangen mit einer Lanze umstoßen.
Manche Pferde sind kaum zu kontrollieren, sie laufen ungesteuert in die Menge, alles springt zurück, lässt das Tier vorbei und hofft, dass es sich beruhigt bevor der Reiter unter ihm liegt.
Eigentlich sollte er sich ja gekonnt seitlich aus dem Sattel heben, runterbeugen und das winzige Stück Holz aufspießen. Wenn er es schafft, bekommt seine Mannschaft einen Punkt. Manchmal reiten auf 4 Teilnehmer aus verschiedenen Mannschaften zugleich los, wer nicht trifft, scheidet aus – KO System.
Es ist genial ihnen zuzusehen. Adil verspricht mir, zu lernen wie man sich auf so einem Tier länger als eine Minute hält und dabei noch glaubwürdig aussieht. Mal sehen wie viel Geduld er hat – es wär ein Herzenswunsch von mir. Ich darf anfangen, sobald ich Zeit hab…
Am Abend fahren wir hoch in die Margalla Hills, ein kleines Restaurant steht oben, wir genießen die Aussicht auf das nächtlich ruhige Islamabad, die spät geplante und gebaute Hauptstadt Pakistans. Die Briten wollten eine Hauptstadt an der Haupthandelsroute nahe den kühlen Hillstations, wohin sie sich im Sommer immer verkrochen, wenn’s unten zu heiß wurde für englische, regengewöhnte Verwalter. Manche sagen, das Beste an Islamabad ist, dass es nur 15km weg ist von Pakistan. Sie meinen damit Rawalpindi, eine echt Pakistanische Stadt mit Chaos, Bazaar und allem, was das völlig durchstrukturierte Islamabad mit seinem geraden Straßen, alphabetisch eingeteilten Vierteln und Botschaftsenklaven nicht hat.
Adil kennt natürlich den Besitzer des Restaurants, leider sitzt er gerade im Gefängnis. Korruption ist ein beliebtes Mittel, störende Politiker wie ihn aus dem Weg zu räumen. Er war Vorsitzender der PPP (Volkspartei, die von den Bhuttos) und viel bei den konservativeren militärischen Machthabern in Ungnade.
Als die Kellner Adil erkannten kommen sie um ihm und anschließend auch mir ein wahren Freundschaftsbeweis zu erweisen – eine wohltuende Kopfmassage. Es ist der erste Tag, an dem die Luft wirklich kühl und angenehm ist, dazu der erhebende Blick in die Ebene, gutes Essen und eine entspannenden Massage… WOW!
Am nächsten Tag bringt er mich mit gehörig Pakistanischer Verspätung nach Peshawar – nicht ohne am Hinweg noch bei seinem guten Freund vorbei zu sehen – Pferde kaufen.
Ein riesen Gestüt, dem Besitzer gehören die umliegenden 15 Dörfer – zumindest das Land auf dem sie stehen. Er ist ein netter alter Mann um die 70, der bestimmt schon einige Schmutzwäsche gewaschen hat – aber die Liebe zu den Pferden verbindet die beiden. Er ist freundlich, gebildet, gibt mir aber auch zur Begrüßung nicht die Hand – ein Missverständnis, wie wir später bemerken. Ich unterhalte mich eine Stunde mit ihm, während Adil Pferde aussuchen geht. Er erzählt mir von seiner Zeit in England, Ascot, Pferderennen und die Schule der Gentlemen – gib keiner Dame die Hand, wenn sie sie nicht zuerst hinstreckt. Ich hab sie natürlich nicht zuerst hingestreckt, weil das bei Moslems nicht üblich ist. Sein Anwesen ist riesen groß, der Garten ums Haus nicht zu durchlaufen in der Hitze, die Ställe wunderschön, die Pferde noch schöner. Daneben stehen die Lehmhütten der Dorfbewohner, die täglich ums Überleben kämpfen. Pakistan.
In Peshawar treffe ich dann Pierre, wir strollen im Bazaar herum, ich suche mir ein paar Routen, die ich mit meiner ersten Touristengruppe gehen möchte, treffe einen alten Afghanen, der mich durch den Dschungel leitet und mir ein paar Tipps gibt. Er hatte ein gutlaufendes Hotel in Kabul – bis die Russen kamen. Damals floh er nach Pakistan und betreibt seither ein Teppichgeschäft. Manchmal geht er auf die Straße um Touristen zu treffen und sein English aufzufrischen. Ich finde mein Lieblingsteehaus wieder und komme nach einigen Tassen und vielen neuen Bekanntschaften zurück ins Hotel.
Beim Iranischen Botschafter schaue ich auch noch vorbei, mein Iranvisum ist ja noch nicht verlängert. Ich weiß nicht ob ich es brauchen werde, aber wer hat der hat. Der Bursche erzählt ständig nur von den Pferden, und ob mein Hauptgrund im Iran auch „Pferdegestüte besuchen“ sei. Erwürde mit „Introduction letters“ mitgeben, damit ich überall hinein kann. Die Visagebühr kann er mir allerdings nicht ersparen. Das lässt mich mit der Asstellung noch warten – nun weiß ich ja wo ich hin muss, erst wenn ich wirklich gehe werde ich mir das Visum holen.
Am nächsten Morgen wollen wir zum Khyber Pass, dem legendären Übergang von Afghanistan nach Pakistan, damals Indien, über den schon Alexander der Große gekommen ist. Unser Guide teilte uns kurz vor Abfahrt mit, dass nicht er sondern ein anderer Guide mitfahren werde, er müsse seine Mutter ins Spital bringen. Der andere war: Prince Mahir Ullah, der gschaftige Multifunktionär von dutzenden selbstausgedachten Organisationen und Herausgeber einiger rein selbstbeweihräuchernder Zeitungen. Der, den wir beim ersten Treffen in Peshawar (mit Steffi, David + Martin) beim Essen haben sitzen lassen, weil er so anstrengend war. Na dann... Ein bewaffneter Guide muss mit, Pflicht in den Tribal Areas, wo Gesetzlosigkeit herrscht. Die Briten haben diese Gebiet als Pufferzone etabliert, den lokalen Stämmen aber weitestgehende Autonomie zugestanden – notgedrungener Weise, sie würden sich nie „regieren lassen“. Nach der Teilung von Pakistan und Indien behielten die Pakistanis aus demselben Grund diese Politik bei. Die Hauptstraße wird weitgehend vom Militär gesichert, alles abseits davon ist Stammesgebiet. Für Touristen nicht begehbar.
Die Häuser gleichen riesigen Festungen, man spürt ein wenig die Feindseligkeit, die zwischen den Familien herrscht, wenngleich sie gegenueber Fremden die den Pashtu eigene Gastfreundschaft walten lassen. Jeder Gast wird aufgenommen – zum Ärger der Regierung auch gesuchte „Terroristen“ aus Afghanistan. Am Pass wird gekehrt, nicht ohne den Blick nach ins Tal zur Afghanischen Grenze schweifen zu lassen. Der Pass selbst ist nicht spektakulär, dafür das Gefühl der Geschichtsträchtigkeit. Ein historischer Übergang, viel Gewalt und Leid, viele hochstrebende junge Agenten zu Zeiten des „Great Games“, der Periode in der Britisch Indien und Russland mit dem lokalen Herrschern um die Territorien in Zentralasien kämpften, Armeen und Botschafter, Händler und Abenteurer sind hier oben gewesen.
Der bewaffnete Guard ist angespannt, am Vortag gab es einige Tote hier oben, weil die Regierung wieder mal versucht hat, den Stammesleuten Steuerzahlungen abzuverlangen – sie sahen das etwas anders, es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen. Auf den ersten Blick lächeln alle, sind freundlich, wollen einladen. Herzensgute Menschen, unter dem Shalwar Kameez zeichnet sich die Kalaschnikow ab, jeder hier hat mindestens eine immer bei sich.
Am Abend nimmt uns ein Freund von Andreas zum Essen mit Freunden mit ins Hertiage Hotel, wo ich schon mit David, Steffi und Martin herrlich gespeist habe.
Dann geht’s auf nach Chitral, Diesmal soll uns ein kleiner Minivan über den Lawari Pass bringen, der dem Starex damals so zugesetzt hatte. 14h sind wir unterwegs, die Strassen sie aber schneefrei und relativ einfach zu fahren.
Für Österreichische Verhältnisse immer noch eine Katastrophe, aber im Vergleich zu vor einem Monat – ein Kinderspiel.
In Chitral halten wir uns nicht lange auf, finden gute Freude die uns nach Birir bringen, in das Tal, wo ich schon letztes Mal die schönste Zeit verbracht habe. Gleich am Eingang treffe ich meinen besten Kalash Freund Sher Alam, ein gutes Omen. Rabichan und Irfan, die Betreiber des Guesthouses begrüßen uns stürmisch, es ist eine Freude hier zu sein – fast wie nach hause kommen. Die kleine Tochter Masran, die eine gehörige Portion Charme, Durchsetzungsvermögen und Temperament mit einer schon zu erahnenden Schöhnheit von Mama mitbekommen hat, hab ich schon letztes Mal ins Herz geschlossen. Sie fragt, ob ich nicht bei ihr im Bett übernachten möchte - es fällt mir schwer abzulehnen, aber ich weiß, dass ich nicht allein mit ihr im Bett sein werde. Eine Heerschar schwarzer kleiner Quälgeister lassen mich nein sagen.
Die Luft ist klar, das Wasser trüb von der Schneeschmelze aber erfrischen kühl für so manches Bad .Ich liebe es im Gebirgsbach zu sitzen, das Wasser strömt über die Schulter – oder unter einem Wasserfall zu duschen – es ist wie im Paradies – und alles wieder mal ohne Kopftuch!
Wie letztes Mal wollen wir alle 3 Täler besuchen, bleiben aber gleich hier hängen. Ich hab das Gefühl, dass die Zufriedenheit hier in der Luft schwebt. Die Zufriedenheit mit dem, was man hat, so wie die Kalash zufrieden sind mit ihrer Kultur und die unbegreiflich nahe „Zivilisation“ gar nicht wollen. Ich spüre diese innere Ruhe hier ganz besonders. Es treibt mich nicht wie sonst an einem neuen Ort zu allen möglichen weiteren neuen Orten im Umkreis, ich will einfach bleiben und genießen und es ist gut so.
Sher Alam nimmt mich mit in seine Schule, wo ich ein bisschen Englisch unterrichte – zum Spass, aber es soll Inchallah mehr daraus werden. Am nächsten Tag gehen wir gemeinsam zum letzten Dorf im Tal, wo eine kleine Schule steht, in der ich in einem extra Mail noch genauer berichten möchte.
Ein Raum, ein Fenster, kein Licht, zugige Wände, ein undichtes Dach – vier Schulstufen, ein Lehrer. Ich entschließe mich zurückzukommen und am Bau einer neuen Schule zu helfen.
Der Heimweg dauert 5 Stunden – mit 25 Tees, 3 Mittagessen und einigen Gläsern Kalashwein am Weg.
Sher Alam erzählt mir auch die Geschichte der 4 Gräber, die am Flussufer stehen. Vor Jahren, als er selbst noch ganz ganz klein war, gab es 2 Spanische Toruisten, die von 4 Muslimischen Männern erst bedroht und dann getötet wurden. Die Frau wehrte sich gegen die Vergewaltigung, worauf ihr Mann umgebracht wurde mit der Drohung, ihr würde bei Widerstand das gleiche Schicksal widerfahren. Sie wehrte sich, die Vergewaltigung erfolgte nach der Ermordung. Nach dem Vorfall setzte die Spanische Regierung ihre Pakistanischen Kollegen ziemlich unter Druck, ein Skandal – zu Recht! Spanien wollte die Auslieferung, Pakistan entschied sich, die Mörder selbst hinzurichten – ihre Gräber stehen nun hier am Fluss. Die Witwen und Nachkommen sind immer noch in der Gesellschaft stigmatisiert. Dies ist das einzige Ereignis in jüngerer Geschichte, welches auf irgendeine Gewaltausübung gegen fremdes Leben deutet.
Die Tage sind unvergleichlich schön, ich habe letztes Mal schon viel von der Kultur erzählt und will nicht noch mal davon anfangen, aber wenn du nach Pakistan willst, bitte komm unbedingt in die Kalash Täler. Aber bring ein gutes Flohmittel, diese Tiere sind der einzige Dorn, der mich schmerzlich oft gestochen hat. Mein Körper ist übersäht mit Flohbissen, keine Chance sie loszuwerden. Hygiene ist hier kein erstrebenswertes Ziel. Ich sehe ohne Übertreibung aus, als ob ich Masern hätte. Von der Spitze des kleinen Fingers zum Haaransatz am Hals, über Bauch, Rücken bis zur Fußsohle – alles voller kleiner roter Punkte.
Am 3. Tag treffe ich Martin, einen Österreicher aus Neuhofen – keine 50km von meinem Heimatort entfernt. Wie klein doch die Welt ist.
Es tut gut, über zuhause zu reden, in oberösterreichischem Dialekt, mit Worten die ich seit meiner Abfahrt nicht mehr gehört habe und die mich den ganzen Tag über zum Lachen bringen. Ich habe nicht gewusst, dass mir das doch so fehlt. Aber das in einer so wundervollen Umgebung zu entdecken ist noch viel schöner.
Nach ein paar Tagen folgt ein nicht ganz einfacher Trek ins nächste Tal, Bumburet. Ich will nicht denselben Pass überschreiten wie beim letzten Mal, ich habe mein Bergschuhe nicht dabei. „Der Weg steigt ganz sanft, du kannst leicht gehen. Es dauert nur 4 Stunden, dann seid ihr in Bumburet!“ Ich sollte aus der Erfahrung vom letzten Mal wissen, dass ich nichts glauben darf, was Entfernung, Zeit oder Wegbeschreibung betrifft, aber ich will es glauben.
Der Weg ist nicht so steil wie der andere – stimmt, aber es fehlt nicht viel. Manchmal rutsche ich aus, einmal fange ich mich erst beim nächsten Gestrüpp am steinigen Weg abwärts – die Füße voran, Steine und Äste hinterlassen ein paar Spuren auf meinen Beinen und meinem Hintern. Nach 8 Stunden trinken wir bei Sher Alams Familie Tee. Erschöpft, mit wunden Zehen und Oberschenkeln aber glücklich.
Am Abend darauf gibt’s ein spezielles Ereignis im letzten Dorf im Bumburet Tal: Chandbhai, der bärtige Newage Mullah aus Lahore, mein Specialfriend hat sich doch tatsächlich genau in diesem genialen Landschaftsbild eine Frau gefunden – und heiratet!
Andi und Nicole, die Kanadierin sind ebenfalls da. Die Zeremonie selbst ist unspektakulär. Verhandlungen über den Preis, Koranverse, Zustimmung der Bräutigams und – nein, nicht der Braut sondern des Brautvaters. Die Braut ist gar nicht anwesend, sie sitzt oben in der Küche, Morgen soll ihr neues Leben beginnen, im fernen Lahore. Sie ist 21, sagen ihre Eltern. Sie spricht nur Nuristani, kein Urdu, kein Englisch. Sie soll also die Frau sein, die Chandbhai einen Minichandbhai schenken soll. Ihm selbst ist die Freude ins Gesicht geschrieben, zu Tränen und Lachen gleichzeitig gerührt, so kenn ich ihn noch nicht. Er freut sich auf sie, darauf ihr Urdu und Englisch zu lernen, sie mit dem Stadtleben vertraut zu machen. „Ich freue mich auf den Tag, an dem sie genug Selbstvertrauen hat, alleine in den Bazaar zugehen, zu handeln und dort Spass zu haben – mit dem Baby!“ träumt Chandbhai vor sich hin.
Für die Nacht sind wir im PTDC Hotel bei Faham Aziz, dem ehemaligen Schüler von Martin eingeladen, der mich schon wie eine Tochter behandelt.
Es ist ein gutes Gefühl, nicht immer nur in Martins Schlepptau eingeladen zu werden, sondern selbst geschätzt zu werden. Das hat mir immer gefehlt früher. Es ist, wie bei guten alten Freunden hier. Ich freue mich auf das Zurückkommen.
Am morgen fliegen wir nach Peshawar, Pierre und ich müssen früher zurück als die anderen, die Arbeit wartet. 35min Flug statt 14 Stunden Fahrt, wunderbar. Dafür dauert die Busfahrt von Peshawar nach Lahore um einiges länger als geplant. Reifenpannen, Stopps zu den Gebetsstunden und andere Stopps aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen – Pakistan.
Jetzt sitze ich wieder in Lahore – die Luft ist schwer, dunstig nach den schweren Regenfällen und Überschwemmungen in den letzten Tagen. Bis 52 Grad war das Thermometer hochgeklettert, selbst im Haus in Gulberg war alles unter Wasser erzählt Paul, der uns zuhause empfängt. Er startete vor einem halben Jahr mit dem Motorrad in der Schweiz und ist nun grade hier, um sich ein wenig von den bisherigen Strapazen, Verfolgungsjagden und Durchfällen zu erholen. Einige Tage war Pakistan vom Internet abgeschnitten, das SEA ME WE3 Hauptkabel, welches Südostasien, Mittelasien und Westeuropa verlinkt und eigentlich friedlich am Meeresgrund schlummern sollte war kaputt. Aber angeblich funktioniert nun alles und mein Mail erreicht dich Inchallah.
Die Flöhe tausche ich gerade gegen die Mosquitos, die „kontaminierte Wäsche“ hab ich sofort in der Waschmaschine ertränkt. Ich hoffe es hilft.
Ich freue mich schon wieder auf die Berge, übermorgen fahre ich nach Islamabad, um die Touristen abzuholen, dann geht’s auf in den Karakoram bis hoch zu Chinesischen Grenze.
Dafür muss ich nun noch genug Infos sammeln und mich vorbereiten, also bis bald Inchallah
Allah hafez
Bei Yahoo gibt's Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom
0 Comments:
Post a Comment
<< Home