asiatische traeume

angefangen in 2005 war die urspruengliche idee, von bhutan ueberland nach oesterreich zu fahren - in pakistan wendete sich das blatt, das land und die leute nahmen mich gefangen, so blieb ich laenger als gedacht...

Tuesday, May 02, 2006

kalash - die schule

Ishpata,

ich habe schon kurz angekündigt, dass ich über die Schule im Kalash Tal ein eigenes Mail schreiben möchte, ein Mail der etwas anderen Art.
Vielleicht hast du die Faszination ein wenig zwischen den Zeilen gespürt, die die Kalash Kultur auf mich ausgeübt hat.
Ich hab mich diesmal lange umgesehen und genau umgehört, weil ich mir dachte, dass ich hier gerne etwas machen würde. Es gäbe viele Dinge zu tun, die Kalash können sich nicht wirklich selbst erhalten, das ist unter anderem ein Grund, warum sie noch so „ursprünglich“ sind. Sie haben teilweise einfach kein Geld, Neuheiten zu bezahlen. Sie produzieren Nahrung für 9 Monate, der Rest wird zugekauft mit den kleinen wenigen Mitteln die sie bekommen, wenn sie ihre ohne hin schon knappen Nahrungsmittel verkaufen. Nicht lebenswichtige Maulbeeren oder Nüsse gegen Weizen, Salz, Zucker und Öl.
Ich möchte auf keinen Fall irgendeine moderne Neuerung hinbringen, die der Kultur schaden kann oder sie unvorbereitet in eine andere Welt katapultiert.
Die Kalash sind das erste Volk, bei dem mir etwas (zu all den anderen Dingen) besonderes auffällt: junge Leute, die Schulbildung bekommen und auch außerhalb des Tales studieren können ziehen hier nicht weg in eine große Stadt um ihr großes Glück zu versuchen, sondern kehren zu 99% zurück und teilen ihr Wissen und ihre neuen Fertigkeiten mit dem Dorf, dem Tal. Sie sind sich total bewusst, wie einzigartig ihre Kultur ist, wie schön das Fleckchen Erde, das sie bewohnen dürfen, wie gesegnet sie sind, als Kalash geboren worden zu sein. Und um dies zu erhalten setzen sie ihr erlerntes Können ein – nicht für persönliche Wunschträume in fernen Landen.
In vielen anderen Gegenden hört man so oft (Bhutan, Pakistan, Nepal, Indien, Iran… aus eigener Erfahrung) „Ich will weg, hier habe ich zuwenig Geld, es gibt keine Möglichkeiten, ich will nach Europa oder Amerika oder Saudi Arabien!“
Hier hab ich so einen Satz nie gehört, obwohl ich die Frage oft gestellt habe. „Ich bleibe hier, ich liebe meine Familie, diese Kultur, sieh dich um wie schön es ist, würdest du weggehen wollen?“ fragen sie mich dann. Natürlich würde ich nicht weggehen.
Mein Freund Shar Alam, der erste und einzige Kalash Lehrer in den 3 Tälern hat seine Arbeit als Dispenser aufgegeben um sie den Kindern zu widmen und ihnen die Kultur vermitteln zu können.
Bis jetzt wird nur an einer Schule Kalashamun (Sprache der Kalash) unterrichtet, er hat unlängst die ersten Bücher drucken lassen.
Die Kinder sind wissbegierig, neugierig, konzentriert, freuen sich auf die Schule, aufs Lernen.
Sher Alam hat mir die Schule im letzten Dorf meines Lieblingstales Birir gezeigt. 4 Schulstufen gibt es, 3 davon sitzen im Garten auf Holzstämmen, die Bücher auf den Knien, Augen und Ohren beim Lehrer. Der Ausdruck im Gesicht sagt: „Was dürfen wir heute lernen?“ (für mich ein bisschen ungewohnt, in unseren Schulen ist die Hauptaufgabe des Lehrers erstmal, die lieben Kinder zu motivieren, überhaupt etwas zu lernen, gerade wenn sie schon etwas älter sind.) Es gibt nur 2 Lehrer, einer wird von der Regierung bezahlt, einer arbeitet freiwillig. Sie wechseln sich ab, gehen von „Klasse zu Klasse“, also eher Baumstamm zu Baumstamm, lehren kurz, vergeben Aufgaben und widmen sich den nächsten.
Wo ist die vierte Schulstufe? Aus einem düsteren Zimmer höre ich das Alphabet. „Das sind die Kleinen!“ meint der Lehrer stolz. Ein Zimmer aufgerichtet aus Steinplatten, durch die es durchzieht. Keine Fenster, kein elektrisches Licht, eine uralte Tafel, Matten am Boden. Ich gehe hinein, die Kinder sitzen vor der Tafel am Boden, die Nasen 5cm davon entfernt, so dunkel ist es. Ich will das eine winzige Fenster öffnen – es fällt mir entgegen. Die Holzstämme und Mauern draußen sind besetzt, die Kleinen haben keinen anderen Platz.
Dabei geht es ihnen gerade noch gut. Es ist warm draußen. Im Winter ist es bitterkalt, Schnee im Klassenraum, 2 offene Feuerstellen, kein Rauchabzug. Du weißt was das für Kinderaugen bedeutet.
Und es regnet nicht, denn das Dach ist undicht. Oft können die Kinder nicht kommen, weil das Gebäude und die Wetterlagen es nicht zulassen. Dichte Mauern, ein dichtes Dach und ein Rauchabzug würde helfen. Mit wenigen Mitteln wurde die Schule vor 5 Jahren notdürftig aufgebaut, jetzt ist sie in den letzten Zügen.
Ich frage, was es kostet, ein gutes Klassenzimmer zu bauen. 600 EUR vielleicht 700, aber dann ist es wirklich gut. Ich frage die Leute im Dorf, sie würden Holz spenden und ein paar Stunden freiwillig mitarbeiten, wenn die Kinder dafür eine gute Schule bekämen, sie wissen wie wichtig es ist, eine Grundausbildung zu haben. 600 EUR, ich bin nicht grade reich aber ich beschließe, ein Zimmer zu bauen. Ich kann mit den 600 EUR in Österreich ein gutes Monat maximal leben, hier ein wenig länger, aber diese Kinder können dafür eine gute Ausbildung für ihr Leben bekommen, müssten nicht ständig frieren, nass sein oder ihre Augen kaputtmachen. Wie kann ich da nein sagen?
Was sie sich wünschen, in ihrer Schule, wenn sich alle Wünsche erfüllen würden, frage ich. Ich will wissen, woran ich vielleicht nicht denken. Ich erwarte eine Flut an übertriebenen Dingen, aber was kommt? „Feste Wände, damit es nicht zieht, ein gutes Dach, damit es nicht reinregnet, gute Fenster, Strom, einen Ofen für den Winter mit Rauchabzug, eine neue Tafel oder vielleicht sogar für jede Klasse eine? Fließendes Wasser, eine Toilette. Eine Steinmauer, damit die Kinder nicht immer abgelenkt sind, wenn sie draußen lernen und rundherum im Dorf die Leute den täglichen Arbeiten nachgehen.“
„Und weiter“, frage ich, „gibt’s keine besonderen Ideen, keine besonderen Wünsche?“ Ich will wissen, wovon sie träumen.
„Hefte und Stifte, damit wir nicht jede Seite 3x überschreiben müssen, eine Bibliothek für die Kinder, ein paar Bücher, ein paar Spielsachen für die ganz Kleinen. Uniformen für die Kinder, damit sie sich nicht auslachen, wenn einer zerlumpt auftaucht (eigentlich müssen sie selbst aufkommen, Uniformen sind Pflicht, aber hier fehlt das Geld und im letzten Tal kontrolliert niemand), 4 Zimmer, für jede Schulstufe eines, 2 Lehrer, damit jede Klasse einen hat – einen PC, damit die Kinder wissen was es ist und nicht bei der Fahrt in die Stadt völlig daneben stehen. Vielleicht können sie auch etwas lernen damit.“

Ich bin überwältigt von der Einfachheit. Alles kann ich nicht bezahlen, soviel steht fest, aber mal ein Zimmer, vielleicht geht sich eine Toilette aus. Und ich werde für eine Weile als freiwillige Englischlehrerin hingehen, sobald meine Aufgaben im SOS Kinderdorf erfüllt sind.

Und ich habe versprochen, noch etwas zu machen, etwas was ich vorher noch nie gemacht habe: Ich werde meine Freunde zuhause in Europa fragen, was sie von der Geschichte halten und ob sie nicht mithelfen wollen.
Sher Alam meint „Natürlich wollen sie das, hier helfen Freunde und Bekannte immer zusammen!“

Falls du Lust hast, die Kalash in diesem Schulprojekt zu unterstützen, ihnen einen der kleinen bescheidenen Wünsche zu erfüllen oder mir sogar helfen willst, einen Teil eines weiteren Zimmers zu machen, es würde ihnen eine Riesenfreude bereiten und wäre ein wichtiger Schritt in eine gute Zukunft mit Kulturbewusstsein gepaart mit Verständnis für viele Dinge, eine neue Generation, die bewusst daran arbeitet ihre alten Traditionen nachhaltig zu bewahren.

Ich habe kein extra Konto für diese Projekt, aber du kennst mich gut genug, dass ich das Geld nur für die Kalash in diesem Rahmen verwenden werde, natürlich mit Bericht, Fotos und der Einladung, falls du nach Pakistan kommst, im Kalash Tal als Gast zu wohnen.

Ich weiß es gibt viele andere Menschen in der Welt, die Hilfe vielleicht nötiger hätten, aber mich fasziniert diese Kultur, das Interesse der Kinder, deren Schuld es bestimmt nicht ist, dass sie nicht genauso viel lernen können wie andere Kinder auch und damit besser helfen können, ihre Kultur vor dem Aussterben zu bewahren. Früher war das ganze Chitral Tal und Westafghanistan (Nuristan) von Kalash bevölkert, jetzt gibt es nur mehr 3 Täler, 4000 Kalash. Viele wurden zu Moslems konvertiert, teils zwanghaft, wie ich letztens erfahren habe, teils mit einer Menge Geld, welches sie manchmal nehmen müssen, wenn der Winter gar zu hart ist. Das wissen die Mullahs genau. Mit Kindern, die wissen, wie man die Kultur rettet, wie wichtig sie ist, denen genug Grundwissen für einen kleinen Nebenverdienst gegeben wird, kann so etwas nicht so leicht passieren. Es wäre zu schade, wenn es bald keine Kalash mehr geben würde.

Überleg es dir gut, tu nichts was du nicht willst, aber noch mal: überleg es dir gut!!

Falls du noch eine Frage hast, bitte schreib!!!!

Alles alles liebe, ich hoffe dass wir gemeinsam den Kalash etwas mehr helfen können als ich alleine es schaffen kann,

bei yahoo gibts fotos zum schulprojekt: passwort acchigom

  • Die Schule pics

  • Bei Yahoo gibt's Fotos zum blog, falls Du nach dem Passwort gefragt wirst: acchigom

    1 Comments:

    • At 3:00 PM, Blogger Unknown said…

      Isabella, das finde ich ganz toll, dass du ein Klassenzimmer gespendet hast! Und nicht nur das, ich finde deinen blog irrsinnig interessant! Weiter so!! Alles Liebe Andrea

       

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