asiatische traeume

angefangen in 2005 war die urspruengliche idee, von bhutan ueberland nach oesterreich zu fahren - in pakistan wendete sich das blatt, das land und die leute nahmen mich gefangen, so blieb ich laenger als gedacht...

Tuesday, May 02, 2006

Projekte und ein Schatten

feb- ende maerz 06

Lang lang ist’s her. Nun hab ich meinen Laptop wieder und kann, wenn auch umstaendlich, schreiben und email schicken.
Viel ist passiert – zum Beispiel hab ich nun einen neuen “malgiri” (Freund), der mich auf Schritt und Tritt verfolgt – wenn er nicht grade irgendwohin verschwunden ist. Er hat eine blaue Uniform, Kappe mit Abzeichen und ein Gewehr, mit dem er allerdings nicht schiessen darf.
Richtig geraten – ein personal security guard. Er begleitet mich, erst wegen dem Cartoon Streit, der in Peshawar (weit weg von hier) fuer Ausschreitungen gesorgt hat. Nicht nur in Pakistan, auch in anderen Landern. Ich hab ein bisschen im Internet geschaut als ich mal Zeit hatte und es funktionierte. Die Aktion des Italienischen was-weiss-ich Ministers (der glaub ich zurueckgetreten ist) mit dem Druck der Cartoons auf T-Shirts war nicht grade clever. Warum muss unbedingt provoziert werden?
Na ja, jedenfalls als dieses Problem ausgestanden war begannen Kaempfe in den wazirischen Agencies (Grenzgebiet zu Afghanistan) mit Afghanischen Guerillas. Ich denke du weisst mehr von den Details als ich – Nachrichten sind hier nicht grade einfach zu kriegen. Hier ist allerdings nichts davon zu spueren. Jeder fragt mich, was der neue Schatten den nun soll – Leute sind befremdet. Wenn ich ihnen die Geschichte erzaehle – dank Imran bin ich nun faehig es in Kalash zu erzaehlen – meinen sie “was will er tun? Wir sind alle deine Security!” und dann marschieren wir gemeinsam ins Anguti (Gaestezimmer) zum Kartenspielen, Musizieren und Tanzen. Die heile Welt wird nur von eben diesem Security gestoert.
Vielleicht denkst du nun ich sei naiv, ich solle froh sein und aufpassen. Aber nach mehr als einem halben Jahr kenne ich die Pappenheimer hier ein wenig. Ihre Fuersorge ist genial, ich bin im Familiensystem aufgenommen, hab Vater, Mutter, Schwester, Bruder und hunderte Onkeln, Tanten und Cousinen. Wenn einer nicht direkt mit mir “verwandt” ist, werd ich “Jamili” genannt (Tochter des Clans). Kalash oder Muslim – alle machen mit. In jeder Familie sind Muslims, viele konvertierten. Es gibt manchmal Probleme, aber die liegen auf ganz anderen Ebenen als Kaempfe oder Unfreundlichkeiten.
Eines hab ich vor kurzem selbst erfahren duerfen. Im Baishali (dem Haus in das Kalashfrauen waehren der Monatsblutung und fuer Geburten gehen muessen da sie zu dieser Zeit als unrein gelten) fiel das Licht aus. Die Leitung fing Feuer, Kabel, Lampenhalter, Steckdosen (trifft sich hier alles auf einem Brett) war kaputt. Ein neues sollte her, moeglichst schnell. Geld war nicht da. Was machen? Die Frauen schickten ein Kind zu meinem Haus um mich um Hilfe zu bitten. Da ich aber schon ziemlich lange hier bin und es in Chitral kein Bankomatsystem gibt hab ichs grade nicht so dick. Außerdem will ich nicht das Gefuehl geben, dass ich alles mit dem kleinen Finger machen kann. Leute verlieren die Motivation etwas selbst zu machen was hier schon vielfach passiert. Viele Projekte wurden hier von verschiedenen NGOs mit mehr oder weniger Erfolg ausgefuehrt. Leute beginnen auf Hilfe von Außen zu warten. Sie beginnen sich zu bemitleiden, zu oft wurde ihnen gesagt dass sie nichts selber machen koennen, dass sie weit hinter den Standards leben, als waeren sie nichts wert. Aus diesem Grund haben wir auch bei der Schule erst mit den Dorfaeltesten gesprochen, ob Freiwillige da sind, ob Holz gratis gegeben werden kann. Es ist wichtig fuer das Selbstbewusstsein der Leute zu wissen, dass sie einen nicht unbeachtlichen Teil beigetragen haben. Es ist ihr Projekt, nicht meines. Sie werden auf die Schule achtgeben muessen, sie erhalten, reinigen etc. – Ach ja: die Eroeffnung hat stattgefunden, herzlichen Dank nochmal an die jenigen, die mitgeholfen haben!!!

Eine Menge “wichiger” Leute war anwesend – der Tehsil Nasim, der Education Department Officer des Districts, der Union Nasim und eine Menge anderer Nasims und Zeitungsfritzen. Zum ersten Mal trafen sich diese Leute hier. Noch nie waren “officials” im letzten Dorf des Tales angelangt. Sie waren ziemlich effektiv, haben gleich den staendig abwesenden Lehrer gefeuert und die Stelle dem bisher von einer NGO bezahltem Hilfslehrer angeboten. Ein paar Toiletten fuer’s Dorf sollen auch noch gebaut werden (zur Zeit: 50 Haeuser, 1 Privattoilette + 2 neue bei der Schule, der Rest duengt den Wald. Grubensystem gibt es hier nicht). Und sie werden drueber beraten ob nicht doch eine High School im Tal gebaut werden soll. Zur Zeit kann sich niemand leisten, die vielversprechenden Schueler in eine der Staetde fuer hoehere Bildung zu schicken. Es waere eine grosse Hilfe. Ich hab Sartaj, dem Tehsil Nasim, (sowas wie Bezirkshauptmann) das Versprechen abgenommen, sich persoenlich dafuer einzusetzen. Ich werd ihn noch oft sehen – er ist ein guter Freund von mir, mit dem sichs gut Karten spielen laesst – und ihn erinnern. Er ist einer der wenigen Politiker hier, die wirklich was tun und Geld nicht einfach einstecken. Er ist ein lustiger Mensch, aeussere Umstaende sind ihm voellig gleich, er maschiert ueberall hin, wenns sein muss in stroemendem Regen oder waden hohem Matsch. In seinem Buero rieselt die Farbe von den Waenden, im Badezimmer herrscht permanente Flut. Er lacht nur wenn ich sage er arbeite unter schwierigen Wetterverhaeltnissen – Schnee im Buero und Ueberschwemmung im Bad. Es ist im egal. Geld wird fuer nuetzlichere Dinge ausgegeben. Etikette ist auch nicht grade sein Ding, er eckt bei vielen “richtigen” Politikern an,aber er haelt seinen Weg bei. Seine offizielle Tahsil Nasim Email Adresse lautet “sartaj@hotmail.com” . Wir haben einige kleine Projekte gemeinsam gemacht, weitere stehen an. Researches in den Kalash Taelern, Carrier Councelling, etc.
Aber zurueck zum Baishali. Was tun? Wir liefen von Haus zu Haus und sammelten pro Frau 5 Rupies ein. Sie waren stolz etwas beizutragen. Wir hatten bald 400 Rupies beisammen, den Rest auf die noetigen 1000 hab ich beigesteuert. Es ist kein grosser Betrag, aber mit der Message: “wir alle helfen zusammen!” hatte das Projekt groesseren Erfolg als alle anderen. Sie wissen nun, dass sie diese Dinge auch selbst in die Hand nehmen koennen. Es ist vorher niemandem zu keinem Zweck eingefallen, kleine Betraege einzusammeln und am Schluss eine ordentliche Summe zubekommen. Organisation ist nicht grade hier erfunden worden.
Nun begann das Problem: Kalash Maenner duerfen nicht in dieses Frauenhaus gehen, sie wuerden unrein. Es gibt dann nur die Moeglichkeit, eine Ziege zu opfern um sich rituell zu reinigen. Eine Ziege kostet allerdings das Vielfache der Kabel und Lampen. Ein junger Kalash, Taj Mahmad, hatte sich zwar bereit erklaert zu gehen, der Rat der Aeltesten erlaubte es ihm aber nur unter oben genannter, teurer, Bedingung. Shah Hussain, ein guter Freund und Moslem (unter anderem mein “moa” = “Onkel”) war bereit zu gehen. Taj Mahmad, der einzige Elektriker im Tal stand draussen um verbal Hilfe zu leisten falls irgendwelche Montageproblem auftraten. Nach 2 Stunden war die Sache erledigt. Ein Raum blieb ohne Licht, weil sich keine Oeffnung fuer das Kabel fand. Wir begaben uns also auf die Suche nach einem Bohrer. Ein weiteres Problem. Der Bohrerbesitzer, ein aelterer Kalash, rueckte das Ding nur unter der Bedingung raus, dass der Holzgriff, der im Frauenhaus unrein werden wuerde, ausgetauscht wuerde. Auf meine Frage “Warum der Griff, aber nicht der Bohrer selbst?” hieß es: “Holz besteht aus mehreren Komponenten, es nimmt die Unreinheit auf. Metall ist rein!” Ich verbiss mir den Kommentar, dass in Pakistan nichts rein sei, was zum Verkauf bestimmt war.
Am nachsten Tag marschierten wir also wieder los. Eine der Frauen meinte: “Im anderen Baishali flussaufwaerst ist das Licht auch kaputt. Seit 3 Monaten!”
Wir gingen also wieder Geld sammeln. Diesmal 10 Rupien pro Nase, weil weniger Frauen in dieses andere Baishali gehen. (70 Rupies = 1 EUR). Alle machten gluecklich mit.
Zum Einkaufen in Chitral (Stadt) nahmen wir noch ein paar Patienten mit, die sich die Transport- und Medizinkosten nicht leisten konnten. Hier in Biriu gibt es zwar einen Medizinischen Assistenten, Medizin ist allerdings rar. Er kann maximal ein Rezept schreiben. Seit ich anfing, Kopfwehtabletten, Durchfallmedizin und andere Medikamente aus meinem Depot zu geben und Wunden zu verbinden glauben die Leute ich sei Doktor und kommen mit den wunderlichsten Anfragen. Einige kann ich nach Chitral bringen, es handelt sich meist um 5 Euro pro Nase fuer Transport, Arzt und Medizin. Einer der wenigen guten Aerzte ist ein persoenlicher Freund, ihn kann ich fragen wenn ich Medizin habe aber nicht genau weiss ob sie helfen wird. Leute hier sind einfach. Wenn man Kopfweh, Fieber, Durchfall, Mandelentzuendung, Mittelohrentzuendung und Wunden behandeln kann glauben sie man habe Roentgenaugen und Wunderhaende.
Aber nicht nur Patienten und Kabelkauf standen am Programm. Mit Imran habe ich ein Projekt begonnen, welches die Kalashschrift verbreiten soll. Bis vor 3 Jahren gab es keine Schrift, ein paar Linguisten haben in Kooperation mit dem Nationalen Sprachen Institut Pakistans ein Schrift gebastelt (besteht hauptsaechlich aus Lateinischen Buchstaben mit ein paar neuen Zeichen fuer Nasallaute). Imran arbeitete mit diesen Leuten und erfand eine gute Methode, diese Schrift zu lehren. Er ist allerdings der einzige mit diesem Wissen. Nun unterrichtet er die Lehrer und einige Schueler- und Erwachsenenklassen parallel. Dazu brauchen wir Schreibwaren, Texte, Kopien etc. Wir haben einige NGOs um Hilfe gebeten. Diese Bueros galt es nun abzuklappern.
Dazu ein Besuch bei Sartaj und dem IUCN (World Conversation Union, frag mich nicht wie sie zu der Abkuerzung kommen) Buero wegen einem Research Projekt die Gesamtsituation der Kalash betreffend. Praesident Muzaraff hat ein Paket zur Entwicklungshilfe zugesagt. Nun sollen wir herausfinden, welchen Projekten Prioritaet zugestanden werden soll. Die Researcharbeit wurde hauptsaechlich von den IUCN Leuten erledigt, ich soll nur ein paar Kommentare abgeben und ergaenzen. Es ist schwierig fuer die Leute hier ihre Probleme zu nennen. Ich wohne doch schon einige Zeit hier und habe Einsicht in manche Dinge, die von Aussen schwer ersichtlich sind, Kalash wissen oft nicht was wie veraendert werden kann. Speziell Frauenthemen sind heikel.
Mal sehen was draus wird.
Viel Arbeit fuer 5 Stunden. Und natuerlich musste ich die wichtigsten Mails lesen und beantworten und meinen Laptop abholen, der mehr schlecht als recht arbeitet, aber wenigstens kann ich schreiben und Musik hoeren – die Musik die uebrig ist. Der gute Mann hat zwar seine ganze Erfahrung eingesetzt und viel getan, dabei aber 6 GB Musik verloren. Pakistan eben.
Ich dachte nicht dass es hier jemals stressig wird, aber die Chitral Besuche haben es immer in sich. Der Jeep faehrt – wenn er fahrt – um 8 Uhr morgens, 1,5h nach Chitral und um ca. 3 Uhr zurueck.
Der Polizist, der jetzt grade bei mir ist hindert mich wenigstens nicht. Die anderen mussten zusaetzlich immer bei Laune gehalten werden.
Einmal musste ich sogar im Internetcafe sitzen bleiben und andere Leute, namentlich Shah Hussain und Imran, schicken um Dinge fuer mich zu erledigen. Ich habs nicht gerne Leute zu schicken, wenn ich selbst arbeiten koennte. Es machte mich leicht unvertraeglich.
Die ganze Securitygeschichte fing harmlos an.
3 Polizisten erschienen in meinem Haus und fragten um die Registrationspapiere – welche ich nicht hatte. Mir wurde vorher gesagt, im Winter brauche ich sowas nicht, weil sowieso in den Taelern keine Polizisten zu finden waeren. Touristen sind im Winter nicht vorhanden, somit haben diese Leute frei – naja, sie sitzen halt irgendwo anders und drehen Daumen.
2 Monate hatte das niemanden gestoert obwohl ich sogar mit dem Registrationsheini geplaudert habe. Nun schien es sehr eilig. Wir machten uns also sofort auf nach Ayun. Dort sammelten wir den Heini ein und weiter gings nach Chitral. Um 5 Uhr abends sind die Bueros geschlossen, er sperrte eigens auf. Ein kleine Hindernis tauchte auf. Ich brauchte meine Passport und Visakopie, die im Laptop gespeichert waren. Dieses vermaledeite Ding wollte aber nicht funktionieren. Die Originale waren in Biriu. Mit einem Securityguard gings also nachts zurueck nach Biriu. Am nachsten Morgen wieder nach Chitral. Als alle Papiere ausgefuellt waren – was einige Zeit in Anspruch nahm war es vorbei. Ich durfte als freier Mensch zurueck nach Hause. 3 Tage spaeter tauchten wieder 2 Fritzen auf. Ich bekaeme einen Guard. Zu der Zeit hatte ich noch keine Ahnung von Cartoons. Zumindest nicht von Mohammed Cartoons. Mir war alles schleierhaft. Ich schrieb einen Wisch in dem ich erklaerte, dass ich keinen Security Guard brauche. Die Maenner zogen ab. Nach 4 Stunden waren sie zurueck und meinten ich muesse diesen Zettel in Chitral vor den Augen des Polizeidistriktchefs unterzeichnen. Noch mal nach Chitral? Ich muss das alles zahlen meinen Herren. Ich komme in 3 Tagen, da muss ich soewieso hin. Murrend schlichen sie heim.
Bei diesem Besuch durfte ich dann hoeren, dass alle Zettel nichts helfen, ich werde einen Schatten bekommen. Im Internetcafe – wo ich gnaedigerweise warten durfte bis meine Freunde die Matratzen und Toepfe fuers Baishali gekauft hatten – las ich dann von den Cartoons. Die Homepage des oesterreichischen Aussenministeriums verbreitet Horrormeldungen, von vorn bis hinten falsch. Es gab Demonstrationen, Ausschreitungen, Streiks, ja. Von gesprengten Touristenbussen aber keine Spur. Sher Alam, der Lehrer, der mir beim Schulbau soviel geholfen hat und immer noch bei jeder Tat helfend zur Seite steht, war zu der Zeit in Peshawar. Er erzaehlte von Demos, kaputten Shopfenstern, gesprengten Mobilanbieter Geschaeften und Traenengaseinsaetzen – eine Demo halt. Leider.
Er wusste zu der Zeit nicht was Traenengas war, er sagte nur, dass die Armee irgendwas verspruehte und er dann 2 Tage geschlafen habe, nichts sehen konnte und Kopfweh hatte. Ein Freund – ein Moslem, bot ihnen Unterkunft und Hilfe an.
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Die Registrationsheinis waren nur wegen diesen Dingen ploetzlich so agil. Die ganze Chitralfahrerei hatte ich diesem netten Daenen zu verdanken. Keine Angst, ich weiss immer noch was Pressefreiheit, Meinungsfreiheit etc. sind. Ich mag es nur nicht, wenn sie fuer Provokationszwecke verwendet werden.
Von diesem Tag an gaben sich hier die Guards die Klinke in die Hand. Manchmal sind sie ganz ok, ein andermal wieder laecherlich laestig. Bei Nacht verschwinden sie irgendwo hin, tagsueber rennt er mir bis zum Klo nach, oder setzt sich in die Wiese, wenn ich zuviel laufe – wie es beim Geldeinsammeln der Fall war. Da war er ploetzlich zu faul zum “Duty ausfuehren”.
Der jetzige ist ok, sitzt im Zimmer und laesst mich laufen wohin ich will. Abends tanzt und singt er mit uns und raucht Haschisch, wie hier fast alle. An den unmoeglichsten Plaetzen wird hier von den unmoeglichsten Leuten ein Ofen gedreht und genuesslich inhaliert. Legal ist es nauterlich nicht, aber wen scherts, wenn der oberste Polizeichef in Hinterkammerl, die Bezirksrichter am gemuetlichen Abend bei Wein in Biriu, Doktoren und Lehrer waehrend der Pause ebenso kiffen.
Meinen Guard sicher nicht.
Ich lebe also relativ frei nun.
Langweilig wirds sicher nicht, zwischen all den Projekten, Patienten und “Familienmitgliedern” laufen wir das Tal ab um Information ueber diese laestige “Bird Flu” zu verbreiten. Die Pakistanische Regierung hatte lange die Position bezogen, dass es hier keine Vogelgrippe gaebe. Dass man hierzulande allerdings nicht die Tests ausfuehren kann, um den H5N1 Virus nachzuweisen – mit Betonung auf den fuer Menschen gefaehrlichen N1 – haben sie unter den Teppich gekehrt. Die Gefluegellobby ist hier realtiv stark, sie breitet Druck auf die Regierung aus mit Regressforderungen fuer den Verlust. In einem Land das 85% seines Budgets fuer die Armee ausgibt um den Todfeind Indien abzuschrecken gibts aber wenig Geld fuer ein paar kranke Vogerl. Es ist billiger, das Problem zu verleugnen. Was sind schon Menschenleben in einem Land, wo viele nicht mal regisitriert sind. Die scheinen international ja gar nicht auf. Der Ruf nach Aussen ist hier groesste Sorge. Was sich innerhalb der eigenen Grenzen an Problemen, Leid und Armut abspielt ist nicht so wichtig, so lange er eben diesen Ruf nicht stoert. Es gilt hauptsachlich Amerika freundlich zu halten. Immerhin sponsert die Regierung der Vereinigten Staaten die Pakistanische Armee. Ich musste lachen als ich Shaukat Aziz (Paki Aussenminister) und Bush im Fernsehen ewige Bruederlichkeit ausrufen hoerte. Shaukat bedankte sich fuer die finanzielle Hilfe im Bildungs- und Gesundheitsbereich – wo nie Geld angelangt ist.
Nun hat sich das Blatt gewendet. In der 1-Woche-alten Zeitung, die hier grade auftauchte, beschweren sich die Pakis, dass Bush den Indern viel mehr versprochen haette. Soll Pakistan den immer hinter Indern herhumpeln? Eine bodenlose Frechheit. Ansonsten verbreitet dieses Blatt nicht viel Wissen.

Ich verlier schon wieder den Faden. Wir waren grade unterwegs in “Mission Bird Flu”. Es war nicht sehr einfach die Leute zu ueberzeugen. Viren sind nicht einfach zu erklaeren fuer Leute die glauben, dass alle Krankheiten Gottes Wille sind. Mit einfachen Worten machten wir den Leuten schliesslich versteandlich wo der Hund begraben lag. Es ist fast ein wenig laecherlich ihnen zu sagen, sie sollen die Viecherl nicht essen, wenn sie ueberall rumlaufen, Kinder im Huehnerdreck spielen und die Finger nachher abschlecken. Wir versuchten die Gefahr deutlich zu machen, mal sehen ob’s hilft.
Die ganze Hygiene und Reinlichkeitssituation gehoert hier gruendlich ueberholt. Ein Zweig der Strategie die IUCN ausgearbeitet hat ist eben dieses Projekt. Waschen ist im Winter kein Thema, es wird im Zimmer rumgespuckt, in manchen stehen Ziegen, Zaehne putzen und Haendewaschen sind nicht nur Fremdwoerter weil sie Englisch sind hier. Man schneuzt sich in die Finger und schmiert es waehrend der Unterhaltung auf die Sesselkante oder den Tuerstock. Kinder spielen im Huehnerdreck, Ziegen werden auf der Veranda geschlachtet, der Darm und Mageninhalt stroemt ungehindert aus und sickert langsam in den gestampften Erdboden. Die Kinder sitzen ohne Unterhosen mitten drin und spielen mit Darm, Sehnen, Kopf etc. Jeder hier hat Wuermer und/oder Durchfall und sonstige Krankheiten die mit ein wenig Reinlichkeit verhindert werden konnten.
Im Baishali (Frauenhaus), wo Kinder zur Welt kommen und Frauen mit Monatsblutung sitzen gibt es kein fliessendes Wasser, alle moeglichen Tiere laufen ein und aus und sch… in die Ecken. Fuer die Impfung von Kinder gibt es fuer die 3 Taeler 1 Krankenschwester, die im Winter wegen der kaputten Strassen nicht kommt. Viele Frauen oder Saeuglinge sterben wegen ungenuegender medizinischer und hygienischer Verhaeltnisse.
- ein kleiner Exkurs: Imran sitzt grade neben mir und versucht Deutsch zu lesen, ich muss alles uebersetzen. Er ist grade bei der Zeile mit dem Schneuzen und Schmieren angelangt – ich muss mir was einfallen lassen. Er macht das naemlich genauso und waere wahrscheinlich leicht gekraenkt wenn ich ueber sowas Selbstverstaendliches in dem Ton berichte. –

Aber zureck ins Frauenhaus. Ich bin froh ueber meine Hormonspirale wegen der ich noch eine gute Zeitlang keine Monatsblutung habe und nicht in dieses Haus muss. Ich wuerde mich vor Krankheiten fuerchten muessen die ich dort aufschnappen wuerde.
Eines der naechsten Dinge die zu erledigen sind ist die Wasserleitung ins Baishali. Die Leitungen sind von der Schule uebrig geblieben, Haehne, Kniee und sonstiger Klempnerbedarf liegen bei mir im Zimmer. Erst musste wieder der Rat der Aeltesten eingeholt werden. Geruechte gingen um. Das Wasser bzw. die Quelle sei “onjesta”, heisst das Wasser darf nicht zu einem unreinen Ort wie dem Baishali. Nach Erklaerungen dass die Leitung weiter oben angezapft werden wuerde und das “unreine” Wasser nicht ins Dorf sondern direkt in dieses Frauenhaus geleitet wuerde, von wo es in den Bach geht in dem sich die Frauen ohnehin waschen, bekamen wir die Genehmigung. Einem der Senioren wurde grade ein Enkerl geboren und ein paar Hinweise auf dessen Gesundheit taten den Rest.
Obwohl ich mich wirklich zu Hause fuehle, die Traditionellen Gerichte und Brot machen kann, ein bisschen mitbekommen, was so rundherum gesprochen wird, mich im kalten Holzbad mit Betonboden und Lueftungsschlitzen direkt ins Freie mit einem Kuebel kaltem Wasser “duschen” kann – zur Not auch im Finsteren, meine Waesche im kalten Fluss wasche, wo ich auch Zoepfe flechten muss (duerfen aus religiosesen Gruenden nicht im Haus geoeffnet werden), mit Brot am Morgen, mittags und Bohnen oder Kaese am Abend ueberleben und sonstige Kalashbraeuchen folgen kann – diese Frauending ist nicht immer einfach.
Eine Freundin verlor ihr Baby im Frauenhaus nach dem 3. Monat. 1 Monat lang lavarierte sie im Baishali rum, weil sie wegen anhaltender Blutungen nicht in ihr Haus durfte. Dann kam sie mal zum Doktor, wieder zurueck in diese Krankheitsverbreitungsstelle genannt Baishali. 5 Monate lang hatte sie gesundheitliche Probleme. Jetzt gehts ihr wieder gut – Gott-sei-Dank.
Die Strom- und Wasserleitungen sind eine kleine Hilfe, aber bei Weitem nicht genug. Vor allem das Bewusstsein muss gebildet werden. Erklaeren hilft nicht viel. Abschauen ist besser. Ich predige meist nicht lang, weils nichts helfen wuerde aber wasche und putze oeffentlich. Ich werfe Abfall ins Feuer anstatt in draussen fallen zu lassen, wie es hier ueblich ist. Einmal hob ich ein gerade weggeworfenes Plastikpapierl auf und murmelte, dass es ins Feuer gehoerte. Auf die Frage “warum?” meinte ich, dass es gefaehrliche Inhaltsstoffe habe (vor allem in Pakistan) die in die Erde und somit in ihren Weizen und ins Essen gelangen. Ausserdem sei es nicht schoen, es wuerde lange Zeit rumliegen ohne wie Kompost zu verrotten oder von den Kuehen und Ziegen gefressen zu werden. Die Sache mit dem Weizen leuchtete ihm ein. Die einfache Antwort: “Dann schmeiss es in den Fluss, so kommts nicht ins Essen und bleibt nicht liegen.” ...
Mit dem Argument, dass es dann vielleicht in anderer Leute Essen und Trinken kommt war zu weit hergeholt und stiess auf verschlossene Ohren.
Aber es gibt schon ein paar Kinder, die ihren Abfall nicht mehr achtlos fallen lassen und sich vor dem Essen die Haende waschen. Langsam aber stetig gewinnt das Rennen.
Mit London hab ich viel ueber Reinlichkeit bei Saeuglingen gesprochen. Sie hat gerade einen Sohn geboren, ist kaesebleich im Gesicht wegen schlechter Ernaehrung und hatte 2 Wochen Dauerdurchfall. Ein Vitaminpraeperat hilft ihr ein bisschen und sie gibt ein bisschen mehr Acht auf Sauberkeit mit ihrem Sohn.
London ist nicht gerade ein gebrauchlicher Name hier, viel mehr ist sie die Einzige. Viele Eltern hier, die beeindruckt von der “Aussenwelt” sind (es gibt hier keinen Fernseher, internationale Nachrichten oder Zeitungen) geben ihren Kindern eigenartige Namen. So laeuft hier eine Lection Bibi rum (sie wurde am Tag der Wahl ihres Vaters zum Minderheitenvertreter auf unterer Ebene geboren; Election bedeutet in Englisch “Wahl”), ein “Dollar Khan”, ein “Engeneer” (Ingenieur), ein “Major Khan” und eben eine “London”, um nur einige zu nennen.

Langsam aber sicher beginne ich mir Namen zu merken, zu identifizieren wer in welchem Haus wohnt und wer grade nur auf Besuch rumsitzt. Meine “naechsten Verwandten” kenn ich beim Verwandschaftsgrad und auch den Großteil der Nachbarn – also das ganze Dorf, weil ein Haus auf dem anderen gebaut wird. Durch die vielen Ausfluege beim Geldsammeln und bei Informationskampagnen in ganzen Tal kenn ich auch alle Doerfer bzw. Haueser und fast alle Wege persoenlich. Saemtliche Kranke mit teils furchtbarer Vorgeschichte und einer Liste erfolgloser Behandlungsversuche im Provinzkrankenhaus haben sich auch vorgestellt. Ein Kind wurde nach tagelangen Schmerzen verursacht durch eine schwere Mittelohrentzuendung zum Arzt nach Chitral gebracht. Das Medikament war am uebernachsten Tag verloren, Eiter und Blut flossen noch 3 Monate lang. Jetzt hoert sie kaum und hat immer noch Schmerzen – nach 5 Monaten, die Ohren sind heillos verdreckt. Wir reinigten sie um zu sehen, ob noch frisches Eiter floss – die Mutter verneinte vorher. Nach einer Stunde (!) mit um Holzsplitter gewickelter Watte und heissem Wasser (ein Prozess der mehrere Zuschauer fesselte) war klar, dass von einer Heilung nicht zu reden war. Mein Freund der Arzt schenkte mir Medikamente. Nun ist sie wenigstens schmerzfrei, die Entzuendung ist abgeheilt. Ob sie wieder mal richtig hoeren kann ist fraglich. Fast ein wenig veraergert habe ich die Mutter gefragt, wie sie ihrem Kind 3 Monate zusehen kann, wenn es ueber Schmerzen klagt und Eiter samt Blut aus den Ohren fliesst. Verlegen fluesterte sie, dass kein Geld fuer Arzt und Medikamente vorhanden war. Nun war ich ein wenig beschaemt. 5 Euro sind hier ein Haufen Geld. Leute, die fast alles was sie zum Leben brauchen selbst produzieren, haben kein Bargeld. Wovon und wofuer auch? Die Kleine ist froh nun und versucht der Mutter auch taeglich zu erklaeren, dass sie ihr die Ohren putzen soll. Manchmal funktionierts, manchmal nicht. Warum Ohren putzen wenn die Schmerzen weg sind?

Zwischen all diesen Dingen, die sich aufwendiger anhoeren als sie sind, gibts immer Zeit irgendwo in der Sonne zu sitzen, zu plaudern, zu knuepfen, Karten zu spielen. Immer oefter kommen Leute und erzaehlen mir Geschichten – mittlerweile verstehe ich sie wenn langsam gesprochen wird und einfaches Vokabular verwendet wird. Sie haben grose Freude dran zu plaudern, von Europa zu hoeren – wie e wirklich ist. Viele Fragen sind einfach, aber einleuchtend. Aus dem taeglichen Leben. “Womit heizt ihr?” “Was waechst bei euch und welche Tiere gibts dort?” “Gibt es dort auch Kalash Leute?” “Wie laeuft eine Hochzeit/ein Begraebnis ab?” “Was ist eine Versicherung?” Manches ist einfach zu erklaeren, manches schwieriger weil Worte und Verstaendnis fehlen. Ein Ferwaermekraftwerk wird zu einem großen Haus in dem Feuer brennt mit langen Leitungen zu allen anderen Hauesern, eine Zuchtsau zu einem rosa Wildschwein ohne Fell mit viel Fleisch. Der Gedanke von Versicherung war nicht wirklich zu vermitteln. Warum soll jemand fuer Schaden zahlen? Wer wuerde das tun. Und warum sollte ich jeden Monat Geld zahlen wenn nichts passiert ist? Poltern und andere Braeuche finden großen Gefallen.
Dann erzaehlen sie Geschichten. Geschichten vom Dehar, der oben am Berg gewohnt hat, seiner Frau ein eigenes Baishali baute und nie ins Dorf kam weil er “Onjesta” war – er schwebte ueber dem Boden. Ein Dehar ist ein religioeser Fuehrer mit “Superkraeften”, Heilkraeften und der Faehigkeit, in Trance mit Gott Kontakt auf zu nehmen. Er wird ueblicherweise als Kind “erkannt” und ist dan Zeit eines Lebens Dehar. Der letzte starb vor ein paar Jahren, es gibt keine Nachfolger, angeblich weil die Kalash-Kultur nicht mehr rein ist.
Ich frage, wann dieser Dehar am Berg lebte. “Bata ne” heisst soviel wie “Keine Ahnung, Addresse unbekannt!” “Wieviele Menschenleben sind vergangen?” “Vielleicht 5 oder 7.” “Also ein paar hundert Jahre?” “Hm… nein! Er war der Großvater deiner nana (Tante, ist vielleicht 35 Jahre alt).”
Soviel zum Zeitgefuehl. Zeit ist hier nicht wichtig. Die Uhren gehen alle Stunden vor oder nach, der Sonnenstand reicht um zu wissen, wann es mittags und abends ist. Mehr brauchen wir hier nicht.

Fuer mich sind nun die letzten Tage hier angebrochen. In wenigen Wochen fliege ich voraussichtlich nach Bhutan um dort ein paar Monate zu arbeiten. Mir tut das Herzerl ein wenig weh wenn ich dran denke, hier weg zu gehen, aber im Sommer kehre ich zurueck. Wenn auch nur fuer kurze Zeit, dann gehts weiter nach Europa wenn alle “Plaene” klappen. Dann wieder nach Bhutan. Mal sehen was draus wird.
Ich freu mich jedenfalls auf einen Platz, an dem ich zu Hause bin. Ich fuehl mich wohl hier, koennte zu Hause sein, aber mit dem Gedanken im Hinterkopf, weiter zu ziehen ist es doch etwas anders. Reisen macht Spass, ich lerne soviel wie zuvor in keiner Schule, ich liebe die Leute, die Geschichten, die Gegend. Aber ein “Zu Hause” ist doch etwas Besonderes.

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