Abschied und Heimweh - eine Liebeserklaerung an die Kalash Taeler
16 - 28 maerz 06
Ishpata
Ich bin schon ein Land weiter, aber meine Gedanken haengen immer noch in den
Valleys. Ich habe Heimweh. Ich dachte dieses Wort existiert nicht fuer mich,
freue mich immer auf das was kommt, was es auch sein mag. Ich erinnere mich
gerne an alle Leute daheim, sehr oft, fast jeden Tag, aber es schmerzt
nicht. Jetzt will ich nur zurueck.
Die letzten Tage waren wunderbar oben, wunderbar und traurig.
Der Fruehling hat begonnen, rosa, weiss und gelb bluehen die Baeume,
Veilchen und Narzissen wachsen wild und allerhand anderes Kraut dessen Namen
ich nicht kenne. Die neugeborenen Kitzlein springen uebermuetig auf den
frisch gruenen Wiesen, die Felder werden von Steinen geereinigt –
Fruehlingsstimmung, Aufbruchsstimmung.
Ich wanderte nochmals das Tal ab zum “Gheri Pashik” (Wiedersehen) sagen,
Traenen in den Augen. “Mo pari” (geh nicht) hiess es ueberall. Und alle
sangen sie ein bekanntes Lied hier – mein Lieblingslied, obwohl ich lange
nicht wusste was es bedeutet. Ich liebte die Melodie von Anfang an. “Achi
gos a noi?” (Will you come back or not). Oft haben sie mir zuliebe dieses
Lied gesungen, weil sie wussten dass es mir gefaellt. Diesmal schwag ein
anderer Unterton mit, ein fragender, ein ernster.
Am letzten Abend tanzten und sangen wir noch ein letztes Mal gemeinsam,
Jamil dichtete einen neuen Song. Einen Song von einer Angrezi, die geht, die
nicht gehen soll aber hoffentlich bald wieder kommt, mit den besten
Wuenschen von allen im Dorf. Normalerweise tanzt nur einer bei Musik in
Chitral – Tradition – aber bei diesem Lied standen ale auf und machten mit.
Mir rannen die Traenen ueber die Wangen, zum Glueck wars finster und nicht
alle sahen was los war.
Das Packen viel mir schwer, staendig kamen Leute, brachten Walnuesse und
handgemachte Baender (traditionelle Abschiedsgeschenke) – mein Gepack
besetht zu 50% aus Nuessen ;) - Ich konnte die halbgepackten Taschen gar
nicht wirklich ansehen, suchte immer wieder einen Ablenkungsgrund.
Dann war es soweit. In einer halben Stunde sollte der Jeep fahren. Ich
musste das Kalash Kleid ausziehen, Pakistanisches Gewand anlegen. Meine
Haende zitterten beim Aufmachen der Zoepfe. Azurma, eine liebe Freundin,
half mir dann.
Das halbe Dorf war um den Jeep versammelt, meine “Aya” kam aus dem Baishali
(Frauenhaus) zum Abschied. Zoegernd streckte sie die Hand aus, weil man ja
Baishali Frauen nicht beruehren soll, aber dann fiel sie mir schuchzend um
den Hals.
Ich hab solche Abschiedsszenen nie gern gehabt, war immer schon einen
Schritt weiter in Gedanken, was wohl Schoenes kommen wuerde. Vorallem wenn
ich wusste, dass ich wieder zurueck komme. Ich weiss auch diesmal, dass ich
wieder zurueck kehre – ich muss einfach – trotzdem war und ist es schwer.
Ein paar sangen wieder “achi gos a noi?”, den Weg raus aus dem Tal wurde es
dann Ernst “nun bin ich wirklich weg!” war mein einziger Gedanke,
unterbrochen von ein paar Traenen, die im Schlaglochtakt von meinen Wangen
sprangen.
Lange noch war am Horizont Guru zu sehen.
Eine Nacht noch in Chitral, da der Flug am fruehen Morgen gehen sollte. Ich
hoffte auf schlechtes Wetter. Shah, Sher Alam und Taj begleiteten mich. Wir
besuchten noch eine Freundin im Spital, ich gab ihr mein letztes Geld (zu
der Zeit war ich noch im irrtuemlicen Galuben, dass ich in Peshawar in ein
paar Stunden Geld abheben koennte) zum bezahlen der Medizin und fuer den
langen Spitalsaufenthalt.
Zur Polizei musste ich auch noch um meine Abreise bekanntzugeben.
Ueberrascheder Weise verliess mich der Security guard gleich darauf. Was
fuer ein Gefuehl – man merkt es nur, wenn man den Unterschied kennt. Laut
schreiend life ich ueber den finsteren Sportplatz – “Azat sindagi” (freies
Leben) – die Maenner hinter mir grinsten.
Am naechsten Morgen war das Wetter leider ziemlich gut, aber Wolken zogen am
Horizont auf. Am Flughafengelaende verabschiedete ich mich noch von meinen
Begleitern.
Im Flugzeug hoffte ich immer noch auf ein Umdrehen – passiert oefters wenn
ueber dem Lowari (Strassenpass, der wegen Schnee zur Zeit geschlossen ist)
Wolken haengen – die Focker drehte laut bruellend ein paar Spiralen nach
oben – mein Herz sprang – Geht es zurueck? Nein, es dauerte heute nur etwas
laenger um Hoehe zu gewinnen. Ich wusste natuerlich, dass ich in den Sueden
muss um mein Flugzeug nach Bhutan zu erreichen, trotzdem war es irgendwie
entsetzlich endgueltig, als wir den Lawari ueberquerten.
Zarin, ein Kalash holte mich in Peshawar vom Flughafen ab – nach einer
knappen Stunde Flug (auf der Strasse dauerts 14 Stunden). Imtiaz war
zufaellig da, es war ein bisschen wie ein langsames entgleiten in eine
andere Welt. Das riesige, laute, stinkige Peshawar – das ich eigentlich ganz
gern habe – konnte mich nicht froehlich stimmen.
Zarin gab sich alle Muehe, brachte mich zum Fuss wo wir Fisch assen,
schleppte mich in einen “Interantional Club” wo ich Rotwein trinken durfte
und westliche Musik zum Umfallen gespielt wurde, aber das alles waren
Sekunden der Ablenkung.
Ich sah die glitzernde Sonne am ruhigen Fluss, kitschige Boote dekoriert mit
1000en Plastikblumen, voll beladen mit modernen Frauen mit Schal und
Kriegsbemalung, droehnende Musik aus den Lautsprechern und dachte an den
glucksenden Bach in Biriu, in dem die Kids tollen, Frauen Waesche waschen
und Zoepfe flechten.
Ich hoerte all diese Lieder im Club mit extremem Bassound, sah die paar
Westler (hauptsaechlich NGO Angestellte, da es kaum Touristen gibt jetzt)
und denke an Jamil, Baras Khan mit Sitar, Floete und Trommel und die Saenger
und eleganten Taenzer in den Valleys.
Mit Daewoo gehts nach Lahore – am Terminal hinter Plastikplanen stehen noch
die alten nieder gebrannten Busse, die bei den Demos draufgingen.
Javed empfing mich, brachte mich zu seiner Family, wo alle schon ungeduldig
warteten. Am Weg holten wir das Flugticket ab, welches er fuer mich
reserviert hatte. “Kann ich es umtauschen gegen eines das nach Chitral
fuehrt?”
Ich versuchte meinen Laptop zu reparieren, er war in der letzten Wochen
endgueltig demoliert worden – vom Jeep gefallen. Leider ist er irreparabel
hinueber – jetzt muss ich in Nepal einen neuen kaufen. Es gaebe wohl bessere
Pflaster fuer diese Mission, aber manchmal spielt das Leben auf seine eigene
Art. Wer weiss wofuer es gut ist.
In Lahore war wieder Erdbeershake Saison – Ich kam in Erdbeershake Saison
und ging in Erdbeershake Saison – ein gutes Omen, zumindest red ich mir das
ein.
Javeds schwangerer Frau get es gut, sie betet das Ende herbei, ansonsten ist
alles klar. Ein ein halb Monate wird es noch dauern. Wenn ich zurueck bin
werd ich das Baby nicht mehr sehen. Es wird bei Javeds Schwester in Lahore
sein. Sie selbst kann keine Kinder kriegen, so tut Salma ihr diesen
“Gefallen”.
Sie beschwert sich ein wenig, weil ich nicht mehr so viel Urdu spreche wie
vorher. Es faellt mir schwer. Kalashamun laege mir nun viel leichter auf der
Zunge. Jedesmal faelt mir zuerst die Kalash Wendung ein, dann bleib ich
wieder in den Valleys haengen in Gedanken und Urdu ist vergessen.
Nun sitze ich in Kathmandu, war zum ersten Mal im Pool schwimmen – ein
sensationelles Gefuehl im Wasser, das hat mir gefehlt. Heisses Bad im
Shangri La, im Garten bluehen Blumen in allen Farben, es duftet himmlisch –
ich wuensch mir einen kalten Kuebel Wasser, mein staubiges Zimmer und die
Veilchen.
Morgen muss ich einen neuen Laptop kaufen, dann gehts nach Bhutan, wo die
Arbeit wartet – und ein Zuhause. Ich hoffe ich kann mich dort Zuhause
fuehlen – Wenigstens bis wir wieder in die Valleys fahren…
Ishpata
Ich bin schon ein Land weiter, aber meine Gedanken haengen immer noch in den
Valleys. Ich habe Heimweh. Ich dachte dieses Wort existiert nicht fuer mich,
freue mich immer auf das was kommt, was es auch sein mag. Ich erinnere mich
gerne an alle Leute daheim, sehr oft, fast jeden Tag, aber es schmerzt
nicht. Jetzt will ich nur zurueck.
Die letzten Tage waren wunderbar oben, wunderbar und traurig.
Der Fruehling hat begonnen, rosa, weiss und gelb bluehen die Baeume,
Veilchen und Narzissen wachsen wild und allerhand anderes Kraut dessen Namen
ich nicht kenne. Die neugeborenen Kitzlein springen uebermuetig auf den
frisch gruenen Wiesen, die Felder werden von Steinen geereinigt –
Fruehlingsstimmung, Aufbruchsstimmung.
Ich wanderte nochmals das Tal ab zum “Gheri Pashik” (Wiedersehen) sagen,
Traenen in den Augen. “Mo pari” (geh nicht) hiess es ueberall. Und alle
sangen sie ein bekanntes Lied hier – mein Lieblingslied, obwohl ich lange
nicht wusste was es bedeutet. Ich liebte die Melodie von Anfang an. “Achi
gos a noi?” (Will you come back or not). Oft haben sie mir zuliebe dieses
Lied gesungen, weil sie wussten dass es mir gefaellt. Diesmal schwag ein
anderer Unterton mit, ein fragender, ein ernster.
Am letzten Abend tanzten und sangen wir noch ein letztes Mal gemeinsam,
Jamil dichtete einen neuen Song. Einen Song von einer Angrezi, die geht, die
nicht gehen soll aber hoffentlich bald wieder kommt, mit den besten
Wuenschen von allen im Dorf. Normalerweise tanzt nur einer bei Musik in
Chitral – Tradition – aber bei diesem Lied standen ale auf und machten mit.
Mir rannen die Traenen ueber die Wangen, zum Glueck wars finster und nicht
alle sahen was los war.
Das Packen viel mir schwer, staendig kamen Leute, brachten Walnuesse und
handgemachte Baender (traditionelle Abschiedsgeschenke) – mein Gepack
besetht zu 50% aus Nuessen ;) - Ich konnte die halbgepackten Taschen gar
nicht wirklich ansehen, suchte immer wieder einen Ablenkungsgrund.
Dann war es soweit. In einer halben Stunde sollte der Jeep fahren. Ich
musste das Kalash Kleid ausziehen, Pakistanisches Gewand anlegen. Meine
Haende zitterten beim Aufmachen der Zoepfe. Azurma, eine liebe Freundin,
half mir dann.
Das halbe Dorf war um den Jeep versammelt, meine “Aya” kam aus dem Baishali
(Frauenhaus) zum Abschied. Zoegernd streckte sie die Hand aus, weil man ja
Baishali Frauen nicht beruehren soll, aber dann fiel sie mir schuchzend um
den Hals.
Ich hab solche Abschiedsszenen nie gern gehabt, war immer schon einen
Schritt weiter in Gedanken, was wohl Schoenes kommen wuerde. Vorallem wenn
ich wusste, dass ich wieder zurueck komme. Ich weiss auch diesmal, dass ich
wieder zurueck kehre – ich muss einfach – trotzdem war und ist es schwer.
Ein paar sangen wieder “achi gos a noi?”, den Weg raus aus dem Tal wurde es
dann Ernst “nun bin ich wirklich weg!” war mein einziger Gedanke,
unterbrochen von ein paar Traenen, die im Schlaglochtakt von meinen Wangen
sprangen.
Lange noch war am Horizont Guru zu sehen.
Eine Nacht noch in Chitral, da der Flug am fruehen Morgen gehen sollte. Ich
hoffte auf schlechtes Wetter. Shah, Sher Alam und Taj begleiteten mich. Wir
besuchten noch eine Freundin im Spital, ich gab ihr mein letztes Geld (zu
der Zeit war ich noch im irrtuemlicen Galuben, dass ich in Peshawar in ein
paar Stunden Geld abheben koennte) zum bezahlen der Medizin und fuer den
langen Spitalsaufenthalt.
Zur Polizei musste ich auch noch um meine Abreise bekanntzugeben.
Ueberrascheder Weise verliess mich der Security guard gleich darauf. Was
fuer ein Gefuehl – man merkt es nur, wenn man den Unterschied kennt. Laut
schreiend life ich ueber den finsteren Sportplatz – “Azat sindagi” (freies
Leben) – die Maenner hinter mir grinsten.
Am naechsten Morgen war das Wetter leider ziemlich gut, aber Wolken zogen am
Horizont auf. Am Flughafengelaende verabschiedete ich mich noch von meinen
Begleitern.
Im Flugzeug hoffte ich immer noch auf ein Umdrehen – passiert oefters wenn
ueber dem Lowari (Strassenpass, der wegen Schnee zur Zeit geschlossen ist)
Wolken haengen – die Focker drehte laut bruellend ein paar Spiralen nach
oben – mein Herz sprang – Geht es zurueck? Nein, es dauerte heute nur etwas
laenger um Hoehe zu gewinnen. Ich wusste natuerlich, dass ich in den Sueden
muss um mein Flugzeug nach Bhutan zu erreichen, trotzdem war es irgendwie
entsetzlich endgueltig, als wir den Lawari ueberquerten.
Zarin, ein Kalash holte mich in Peshawar vom Flughafen ab – nach einer
knappen Stunde Flug (auf der Strasse dauerts 14 Stunden). Imtiaz war
zufaellig da, es war ein bisschen wie ein langsames entgleiten in eine
andere Welt. Das riesige, laute, stinkige Peshawar – das ich eigentlich ganz
gern habe – konnte mich nicht froehlich stimmen.
Zarin gab sich alle Muehe, brachte mich zum Fuss wo wir Fisch assen,
schleppte mich in einen “Interantional Club” wo ich Rotwein trinken durfte
und westliche Musik zum Umfallen gespielt wurde, aber das alles waren
Sekunden der Ablenkung.
Ich sah die glitzernde Sonne am ruhigen Fluss, kitschige Boote dekoriert mit
1000en Plastikblumen, voll beladen mit modernen Frauen mit Schal und
Kriegsbemalung, droehnende Musik aus den Lautsprechern und dachte an den
glucksenden Bach in Biriu, in dem die Kids tollen, Frauen Waesche waschen
und Zoepfe flechten.
Ich hoerte all diese Lieder im Club mit extremem Bassound, sah die paar
Westler (hauptsaechlich NGO Angestellte, da es kaum Touristen gibt jetzt)
und denke an Jamil, Baras Khan mit Sitar, Floete und Trommel und die Saenger
und eleganten Taenzer in den Valleys.
Mit Daewoo gehts nach Lahore – am Terminal hinter Plastikplanen stehen noch
die alten nieder gebrannten Busse, die bei den Demos draufgingen.
Javed empfing mich, brachte mich zu seiner Family, wo alle schon ungeduldig
warteten. Am Weg holten wir das Flugticket ab, welches er fuer mich
reserviert hatte. “Kann ich es umtauschen gegen eines das nach Chitral
fuehrt?”
Ich versuchte meinen Laptop zu reparieren, er war in der letzten Wochen
endgueltig demoliert worden – vom Jeep gefallen. Leider ist er irreparabel
hinueber – jetzt muss ich in Nepal einen neuen kaufen. Es gaebe wohl bessere
Pflaster fuer diese Mission, aber manchmal spielt das Leben auf seine eigene
Art. Wer weiss wofuer es gut ist.
In Lahore war wieder Erdbeershake Saison – Ich kam in Erdbeershake Saison
und ging in Erdbeershake Saison – ein gutes Omen, zumindest red ich mir das
ein.
Javeds schwangerer Frau get es gut, sie betet das Ende herbei, ansonsten ist
alles klar. Ein ein halb Monate wird es noch dauern. Wenn ich zurueck bin
werd ich das Baby nicht mehr sehen. Es wird bei Javeds Schwester in Lahore
sein. Sie selbst kann keine Kinder kriegen, so tut Salma ihr diesen
“Gefallen”.
Sie beschwert sich ein wenig, weil ich nicht mehr so viel Urdu spreche wie
vorher. Es faellt mir schwer. Kalashamun laege mir nun viel leichter auf der
Zunge. Jedesmal faelt mir zuerst die Kalash Wendung ein, dann bleib ich
wieder in den Valleys haengen in Gedanken und Urdu ist vergessen.
Nun sitze ich in Kathmandu, war zum ersten Mal im Pool schwimmen – ein
sensationelles Gefuehl im Wasser, das hat mir gefehlt. Heisses Bad im
Shangri La, im Garten bluehen Blumen in allen Farben, es duftet himmlisch –
ich wuensch mir einen kalten Kuebel Wasser, mein staubiges Zimmer und die
Veilchen.
Morgen muss ich einen neuen Laptop kaufen, dann gehts nach Bhutan, wo die
Arbeit wartet – und ein Zuhause. Ich hoffe ich kann mich dort Zuhause
fuehlen – Wenigstens bis wir wieder in die Valleys fahren…
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