Herbst
Mitte November bis Mitte Dezember 06
Nach dem Medical Camp geht das Herbstleben weiter. Das Tal liegt friedvoll eingebettet zwischen den Bergen. Die Ziegen werden zu den spärlichen Wiesen geführt, die Kinder schütteln ihnen das inzwischen goldene Laub von den Bäumen. Die letzten Tomaten werden zum Trocknen aufgelegt. Weintrauben, die im Winter als Medizin dienen sollen werden unter das Kaminloch gehängt um sie zu räuchern.
Die Duschen werden immer kälter und daher auch reduziert, täglich ist nicht mehr nötig, jeden zweiten Tag reicht völlig.
Am 25. November kommt Imtiaz auf Besuch, wir frieren uns erst im Gästehaus die Finger beim Kartenspiel und wärmen sie mit selbstgemachtem Glühwein wiederauf, schliesslich steht die Adventszeit vor der Tür und man muss vorbereitet sein. Und die Glühwein Variante ist die einzige Möglichkeit für mich, eine Tasse Wein zu trinken ohne Magenproblem vom Säuregehalt des Weins zu bekommen.
Dann kommt ein Junge mit Einladung zum Abendessen. Wir folgen ihr wiederwillig, die Höflichkeit gebietet es, der Vater ist ein guter Freund, der Dorn im Fleisch ist, dass gerade in dem Moment das Guesthouse ein wenig warm geworden war und das Haus in dem schon das Abendessen kocht einen ordentlichen Fussmarsch entfernt. Also raus in die Kälte… Als wir ankommen erwartet uns ein typischer markal, die wohl angenehmste Heizmethode. Ein einfacher Tisch, behängt mit dutzenden Decken bis zum Boden, darunter eine feuerfeste Schüssel mit glühenden Kohlen. Schnell die Füsse unter den Tisch gesteckt, die Decke bis zur Halskante hochgezogen – so lassen sich kalte Herbstabende und Winter angenehm verbringen.
Spätabends zurück ins Guesthouse, wo wir noch ein wenig Kartenspielen und den Rest des Glühweins aus der Thermoskanne schlürfen, dann mach ich mich wieder auf in die Kälte um Heim zu marschieren.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück – so um zwölf Uhr – ist Imtiaz gerade beim Abfahren, als mir in den Sinn kommt, dass ich ja eigentlich Peshawar fahren sollte, um mein Visum zu verlaengern.
In fünf Minuten packe ich meine Siebensachen und ab gehts in den Süden.
Soll heissen erst mal nach Sweer zu Imtiaz, um dann früh am nächsten Morgen abzureisen. Mit ein bisschen Glück ist der Lawari Pass offen. In den letzten Tagen hatte es geschneit dort oben und er war für 5 Tage geschlossen.
Der Flieger ist bei diesem Wetter auch eher eine Seltenheit, und dann immer zum Bersten gefüllt.
Nach einer gemütlichen Nacht, versuesst mit gutem Essen und Früchten, die Imtiaz’ Frau unermüdlich nachbereitet in einem warmen Zimmer mit Warmwasser am frühen Morgen gehts auf nach Drosh um ein Vehikel zu suchen, dass den Lawari passieren sollte. Um 9 gehts dann los.
Keine Lawariquerung ohne schräge Ereignisse. Diesmal ist der Landcruiser-Fahrer ein besonderer Strohkopf und der Autobesitzer, der am Beifahrersitz mitfährt, rauft sich pausenlos die Haare, unterbrochen nur von ein paar hastigen Ausrufen wie „beokuf“ etc. Mir ist das Wort bisher unbekannt, aber die Bedeutung ist nicht schwer zu eraten.
Gleich nach 10km rammt der Fahrer einen Kleinwagen. „Beokuf!!!“ Er hat Glück im Unglück, es passiert nichts. Nur der andere Fahrer, den es ordentlich geschreckt hatte, kommt auf uns zugerannt, oeffnet die Fahrer Tür und boxt unserem „beokuf“ mitten ins Gesicht. Ein paar harsche Worte werden gewechselt, dann geht die Fahrt weiter.
Der furchtsame Autobesitzer am Beifahrersitz ist nun vorgewarnt und wirft mit bösen Blicken und Räusperern um sich, sobald „beokuf“ auch nur die kleinste falsche Handbewegung macht oder eine Sekunde zu spät schaltet – also fast immer. Der Fahrer wird natürlich immer unsicherer, die Schlitterpartie über den verschneiten Lawari wird zur Abenteuerfahrt. Am Pass fängt es an zu schneien, wir haben Glück, dass wir durchgekommen sind, wenige Stunden später ist der Pass wieder gesperrt.
In der „Stadt“ nach dem Lawari steige ich um ein Uhr in ein anderes Fahrzeug um, der Landcruiser macht sich auf den Rückweg. Später sollte ich erfahren, dass genau dieses Auto als einziges von einer Lawine verschüttet wird und der mitgerissene totgeglaubte Fahrer am Abend nach Stunden langem Suchen ohne Kratzer im Schnee gefunden wird. Er ist der Held des Tages...
Weiter geht es nach Peshawar, wo ich gegen Abend ankomme.
Ich hatte Glück, in diesen 2 Tagen, in denen der Pass offen war runter zu kommen, aber nun sitze ich fest.
Na macht nichts. In Zarins Haus bin ich gut aufgehoben und mein Visa muss ohnehin verlängert werden. Da ich ein Doppel-entry Visum habe plane ich an der Afghanischen Grenze die Stempel zu sammeln. Dafür brauch ich aber erst das Afghanische Visum. Eine andere Überlegung ist es, nach Indien zu fahren, aber das Indische Visum lässt auf sich warten. Das Afghanische gibts in 1 Tag. Ich bin erstaunt über die Kompetenz im Afghanischen Konsulat, es dauert 2 Stunden, dann habe ich den Sticker im Reisepass. „Normalerweise geht es schneller“’ beteuert ein Beamter, „aber der Konsular ist gerade in einem Meeting. In 20 Minuten ist er frei.“ So viel freiwillig weitergegebene Information ist schon erschreckend, üblich ist eher die „Lass-sie-dumm-sterben“ Methode angebracht und man sitzt ewig ohne Info oder Antwort.
Das erschreckenste an dem Ganzen: er war wirklich nach 20 Minuten frei. Was für ein Tag!
Am Tag der Wahrheit, als ich zur Grenze in Torkham will stellt sich heraus, das ein Bekannter von Zarin ebenfalls nach Kabul faehrt, er kan mich bis zur Grenze mitnehmen. Er weist mich durch den Stempeldschungel, hilft hier und da mit Bekannten aus, wenns nicht so schnell geht wie es eigentlich gehen sollte, wir essen im kleinen Orangenbaum-Garten hinter dem Zollhaus.
Torkham ist ein einziges Chaos, die Strassen verstopft mit LKWs, bunten halb kaputten die grossteils Obst liefern und 1A Trucks, die versiegelte Ladung für die vielen Auslaender in Afghanistan transportieren. Natürlich nicht ohne dass ein Teil der Flaschen vorher irgendwo am Schwarzmarkt unterkommt. Die Ware wird am Seeweg geliefert und da Afghanistan wegen Meermangel keinen Hafen hat, wird das Gut durch Pakistan angekarrt.
Die Strasse wurde vor wenigen Monaten ausgebaut und ist nun schon wieder völlig verstopft – Zukunftsplanung adieu...
Es waere ein Leichtes hier unregisitriert über die Grene zu laufen, die Immigrationgebäude sind versteckt hinter dem kleinen Bazarr, der sich die Grenzstrasse entlangzieht.
Frauen und Kinder werden in Schubkarren über die Grenze geschoben, denn öffentlichen Verkehrsmittel queren diese nicht, sie müssen gewechselt werden. Ein paar hundert Meter bleiben also für Fussweg.
Im privaten Auto ist das natürlich nicht so, wir fahren sprichwörtlich bis vor die Nase der Visabeamten und erledigen den Papierkram. Ausreise aus Pakistan, Einreisestempel Afghanistan, Ausreisestempel Afghanistan und Einreise in Pakistan.
Mein Paki Visum ist einige Tage überfällig, jedoch laut Gesetz sind 2 Wochen problemlos möglich ohne irgendwelche Umstände. Letztes Jahr am Flughafen in Karachi war das alles kein Problem, die Verantwortlichen wussten bescheid. Hier bis zum kleinen Grenzposten Torkham wo selten ein Ausländer vorbeikommt, ist diese Weisheit nicht durchgedrungen und ich habe alle Hände voll zu tun ihnen ihre Arbeit zu erklären. Schliesslich gab ich auf, hole die Telefonnummer von einem Freund im Innenministerium heraus und sage „Da, ruf an und frag, aber er wird nicht sehr erfreut sein, dass ihr eure eigenen Visaregeln nicht kennt!“
Das hat gesessen, der Stempel wird aufgedrückt, alles ist fein. In Afghanistan (3 Meter weiter vorne) meint der zuständige Beamte, dass Ausländer (als solche gelten natürlich nicht Pakistanis) nicht am selben Tag ausreisen dürfen. Ich erzähle ihm, dass mein Meeting abgesagt wurde und ich erst jetzt gerade per Anruf davon erfahren habe, als wir bereits aus Pakistan ausgereist waren. Zarins Freund ist wieder sehr hilfreich und wir lassen schliesslich das Chaos hinter uns, wieder auf dem Heimweg nach Pakistan über den Khyberpass.
Mein Helfer benahm sich sehr korrekt, höflich und in keinster Weise aufdringlich, das sollte mich schon nachdenklich stimmen. Um so mehr schreckte es mich, als ich später erfahre, er haette rumerzählt, dass wir eine Nacht in Kabul verbracht haetten. Die Liebe der Chitralis zu Gerüchten ist wie die Liebe der Österreicher zu Kaffee, Kuchen, Bier, Fussball, Ski etc zusammen.
Ich kenne das Getratsche aus Bhutan, jeder weiss was der andere eingekauft hat, wann er das Haus verlässt, wohin er geht, was er macht, bla bla – aber wenigstens handelt es sich zu 80% um Fakten.
Ein Britischer General hat während der Britschen Herrschaft – also vor 1947 ein genaueres Datum weiss ich nicht – über Chitral folgendes niedergeschrieben: „In Chitral ist es unmöglich einen Geheimdienst zu installieren. Um all den zahllosen Geruechten nachzugehen und sie als unhaltbar bestätigen wäre eine Armee an Agenten nötig.
Nun darf ich also damit Bekannschaft machen. Ich stochere ein wenig nach und stosse in ein Wespennest. Keine Seele über die nicht zahlreiche Gerüchte existieren und keine Seele, die diese nicht liebend gern weiterverbreitet. Besonders über Ausländer/angrez werden lieben gern alle möglichen Sensationen verbreitet, denn erstens werden angrez meist nicht davon erfahren, das sie keine echten Freunde haben die ihnen alles erzählen und weil doch jedes Kind weiss, dass angrez alles mögliche tun, was Gott verboten hat. Sie gehen sogar – stell dir das mal vor – mit jemandem zum Mittagessen aus. Wenn das kein Hinweis auf eine versteckte Affäre ist...
Es wird schwer, jemandem zu glauben. Imtiaz ist nun der einzige, der mein 100% Vertrauen hat. Er lässt mich auch immer die neuesten Bazargeschichten hören. Oft gefällt mir ganz und gar nicht was mir da zu Ohren kommt.
Eines davon ist z.B. das ich öfters betrunken durch Chitral laufe. Die Tatsache, dass ich bei allen Treffen, wo Alkohol getrunken wird meist die einzige Ausländerin und die einzig nüchterne Person bin, weil ich das Essigwasser einfach nicht trinken kann, wird übersehen.
Alle Ausländer saufen. Punkt. Vorurteilsfrei gehts wohl nirgends...
Gottseidank ist das in den Tälern anders. Kalash sehen alles viel relaxter und haben keine Vorliebe für Gerüchte.
Dorthin ziehts mich auch bald wieder von Peshawar, den das Chawmosfest soll beginnen.
Das der Lawari wirklich gesperrt ist, muss ich den Flieger nehmen, der natürlich auch ein wenig auf sich warten lässt. Lawari hat für jeden eine Prüfung parat. Für das Flugzeug sind es die Wolken, die er liebend gern um sich auftürmt und so den Weg nach Chitral auf allen Ebenen sperrt.
Aber noch ist es Dezember und das Wetter mit wenigen Ausnahmen klar. Also heim nach Chitral – mit der Militärmaschine, die den Flugverkehr übernommen hat, seit die kleinen Fokkers wegen einem Zwischenfall im südlichen Multan aus dem Service genommen wurden. Ein paar Monate soll es noch dauern, bis die neuen ATR fliegen.
Einstweilen werden Menschen und Gepäck in die Transportmaschine gepfercht, die Sitze sind nicht in Quer- sondern Längsreihen angebracht, eine paar rote Stoffstreifen über ein Metallgestell gespannt sorgt üblicherweise für praktische Soldatensitze. Die Frauen werden auf eine Seite gequetscht, dann Angrez, dann Paki Männer. Wer mal sitz kann bis zur Landung nicht mehr aufstehen – wohin auch? Toiletten gibt es nicht.
Die Motoren heulen auf, mit entsetzlichem Krach hebt das Teil schliesslich ab und steigt langsam hoch. Die Lunchboxen werden durchgereicht, was meist dazu führt, dass sie im hintersten Eck nie ankommen. Weiterreichen wenn man selbst noch nichts hat ist unmöglich. Aber das Abenteuer endet nach 40 min genauso geräuschvoll wie es begonnen hat und ich bin endlich wieder daheim in Chitral.
Nach dem Medical Camp geht das Herbstleben weiter. Das Tal liegt friedvoll eingebettet zwischen den Bergen. Die Ziegen werden zu den spärlichen Wiesen geführt, die Kinder schütteln ihnen das inzwischen goldene Laub von den Bäumen. Die letzten Tomaten werden zum Trocknen aufgelegt. Weintrauben, die im Winter als Medizin dienen sollen werden unter das Kaminloch gehängt um sie zu räuchern.
Die Duschen werden immer kälter und daher auch reduziert, täglich ist nicht mehr nötig, jeden zweiten Tag reicht völlig.
Am 25. November kommt Imtiaz auf Besuch, wir frieren uns erst im Gästehaus die Finger beim Kartenspiel und wärmen sie mit selbstgemachtem Glühwein wiederauf, schliesslich steht die Adventszeit vor der Tür und man muss vorbereitet sein. Und die Glühwein Variante ist die einzige Möglichkeit für mich, eine Tasse Wein zu trinken ohne Magenproblem vom Säuregehalt des Weins zu bekommen.
Dann kommt ein Junge mit Einladung zum Abendessen. Wir folgen ihr wiederwillig, die Höflichkeit gebietet es, der Vater ist ein guter Freund, der Dorn im Fleisch ist, dass gerade in dem Moment das Guesthouse ein wenig warm geworden war und das Haus in dem schon das Abendessen kocht einen ordentlichen Fussmarsch entfernt. Also raus in die Kälte… Als wir ankommen erwartet uns ein typischer markal, die wohl angenehmste Heizmethode. Ein einfacher Tisch, behängt mit dutzenden Decken bis zum Boden, darunter eine feuerfeste Schüssel mit glühenden Kohlen. Schnell die Füsse unter den Tisch gesteckt, die Decke bis zur Halskante hochgezogen – so lassen sich kalte Herbstabende und Winter angenehm verbringen.
Spätabends zurück ins Guesthouse, wo wir noch ein wenig Kartenspielen und den Rest des Glühweins aus der Thermoskanne schlürfen, dann mach ich mich wieder auf in die Kälte um Heim zu marschieren.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück – so um zwölf Uhr – ist Imtiaz gerade beim Abfahren, als mir in den Sinn kommt, dass ich ja eigentlich Peshawar fahren sollte, um mein Visum zu verlaengern.
In fünf Minuten packe ich meine Siebensachen und ab gehts in den Süden.
Soll heissen erst mal nach Sweer zu Imtiaz, um dann früh am nächsten Morgen abzureisen. Mit ein bisschen Glück ist der Lawari Pass offen. In den letzten Tagen hatte es geschneit dort oben und er war für 5 Tage geschlossen.
Der Flieger ist bei diesem Wetter auch eher eine Seltenheit, und dann immer zum Bersten gefüllt.
Nach einer gemütlichen Nacht, versuesst mit gutem Essen und Früchten, die Imtiaz’ Frau unermüdlich nachbereitet in einem warmen Zimmer mit Warmwasser am frühen Morgen gehts auf nach Drosh um ein Vehikel zu suchen, dass den Lawari passieren sollte. Um 9 gehts dann los.
Keine Lawariquerung ohne schräge Ereignisse. Diesmal ist der Landcruiser-Fahrer ein besonderer Strohkopf und der Autobesitzer, der am Beifahrersitz mitfährt, rauft sich pausenlos die Haare, unterbrochen nur von ein paar hastigen Ausrufen wie „beokuf“ etc. Mir ist das Wort bisher unbekannt, aber die Bedeutung ist nicht schwer zu eraten.
Gleich nach 10km rammt der Fahrer einen Kleinwagen. „Beokuf!!!“ Er hat Glück im Unglück, es passiert nichts. Nur der andere Fahrer, den es ordentlich geschreckt hatte, kommt auf uns zugerannt, oeffnet die Fahrer Tür und boxt unserem „beokuf“ mitten ins Gesicht. Ein paar harsche Worte werden gewechselt, dann geht die Fahrt weiter.
Der furchtsame Autobesitzer am Beifahrersitz ist nun vorgewarnt und wirft mit bösen Blicken und Räusperern um sich, sobald „beokuf“ auch nur die kleinste falsche Handbewegung macht oder eine Sekunde zu spät schaltet – also fast immer. Der Fahrer wird natürlich immer unsicherer, die Schlitterpartie über den verschneiten Lawari wird zur Abenteuerfahrt. Am Pass fängt es an zu schneien, wir haben Glück, dass wir durchgekommen sind, wenige Stunden später ist der Pass wieder gesperrt.
In der „Stadt“ nach dem Lawari steige ich um ein Uhr in ein anderes Fahrzeug um, der Landcruiser macht sich auf den Rückweg. Später sollte ich erfahren, dass genau dieses Auto als einziges von einer Lawine verschüttet wird und der mitgerissene totgeglaubte Fahrer am Abend nach Stunden langem Suchen ohne Kratzer im Schnee gefunden wird. Er ist der Held des Tages...
Weiter geht es nach Peshawar, wo ich gegen Abend ankomme.
Ich hatte Glück, in diesen 2 Tagen, in denen der Pass offen war runter zu kommen, aber nun sitze ich fest.
Na macht nichts. In Zarins Haus bin ich gut aufgehoben und mein Visa muss ohnehin verlängert werden. Da ich ein Doppel-entry Visum habe plane ich an der Afghanischen Grenze die Stempel zu sammeln. Dafür brauch ich aber erst das Afghanische Visum. Eine andere Überlegung ist es, nach Indien zu fahren, aber das Indische Visum lässt auf sich warten. Das Afghanische gibts in 1 Tag. Ich bin erstaunt über die Kompetenz im Afghanischen Konsulat, es dauert 2 Stunden, dann habe ich den Sticker im Reisepass. „Normalerweise geht es schneller“’ beteuert ein Beamter, „aber der Konsular ist gerade in einem Meeting. In 20 Minuten ist er frei.“ So viel freiwillig weitergegebene Information ist schon erschreckend, üblich ist eher die „Lass-sie-dumm-sterben“ Methode angebracht und man sitzt ewig ohne Info oder Antwort.
Das erschreckenste an dem Ganzen: er war wirklich nach 20 Minuten frei. Was für ein Tag!
Am Tag der Wahrheit, als ich zur Grenze in Torkham will stellt sich heraus, das ein Bekannter von Zarin ebenfalls nach Kabul faehrt, er kan mich bis zur Grenze mitnehmen. Er weist mich durch den Stempeldschungel, hilft hier und da mit Bekannten aus, wenns nicht so schnell geht wie es eigentlich gehen sollte, wir essen im kleinen Orangenbaum-Garten hinter dem Zollhaus.
Torkham ist ein einziges Chaos, die Strassen verstopft mit LKWs, bunten halb kaputten die grossteils Obst liefern und 1A Trucks, die versiegelte Ladung für die vielen Auslaender in Afghanistan transportieren. Natürlich nicht ohne dass ein Teil der Flaschen vorher irgendwo am Schwarzmarkt unterkommt. Die Ware wird am Seeweg geliefert und da Afghanistan wegen Meermangel keinen Hafen hat, wird das Gut durch Pakistan angekarrt.
Die Strasse wurde vor wenigen Monaten ausgebaut und ist nun schon wieder völlig verstopft – Zukunftsplanung adieu...
Es waere ein Leichtes hier unregisitriert über die Grene zu laufen, die Immigrationgebäude sind versteckt hinter dem kleinen Bazarr, der sich die Grenzstrasse entlangzieht.
Frauen und Kinder werden in Schubkarren über die Grenze geschoben, denn öffentlichen Verkehrsmittel queren diese nicht, sie müssen gewechselt werden. Ein paar hundert Meter bleiben also für Fussweg.
Im privaten Auto ist das natürlich nicht so, wir fahren sprichwörtlich bis vor die Nase der Visabeamten und erledigen den Papierkram. Ausreise aus Pakistan, Einreisestempel Afghanistan, Ausreisestempel Afghanistan und Einreise in Pakistan.
Mein Paki Visum ist einige Tage überfällig, jedoch laut Gesetz sind 2 Wochen problemlos möglich ohne irgendwelche Umstände. Letztes Jahr am Flughafen in Karachi war das alles kein Problem, die Verantwortlichen wussten bescheid. Hier bis zum kleinen Grenzposten Torkham wo selten ein Ausländer vorbeikommt, ist diese Weisheit nicht durchgedrungen und ich habe alle Hände voll zu tun ihnen ihre Arbeit zu erklären. Schliesslich gab ich auf, hole die Telefonnummer von einem Freund im Innenministerium heraus und sage „Da, ruf an und frag, aber er wird nicht sehr erfreut sein, dass ihr eure eigenen Visaregeln nicht kennt!“
Das hat gesessen, der Stempel wird aufgedrückt, alles ist fein. In Afghanistan (3 Meter weiter vorne) meint der zuständige Beamte, dass Ausländer (als solche gelten natürlich nicht Pakistanis) nicht am selben Tag ausreisen dürfen. Ich erzähle ihm, dass mein Meeting abgesagt wurde und ich erst jetzt gerade per Anruf davon erfahren habe, als wir bereits aus Pakistan ausgereist waren. Zarins Freund ist wieder sehr hilfreich und wir lassen schliesslich das Chaos hinter uns, wieder auf dem Heimweg nach Pakistan über den Khyberpass.
Mein Helfer benahm sich sehr korrekt, höflich und in keinster Weise aufdringlich, das sollte mich schon nachdenklich stimmen. Um so mehr schreckte es mich, als ich später erfahre, er haette rumerzählt, dass wir eine Nacht in Kabul verbracht haetten. Die Liebe der Chitralis zu Gerüchten ist wie die Liebe der Österreicher zu Kaffee, Kuchen, Bier, Fussball, Ski etc zusammen.
Ich kenne das Getratsche aus Bhutan, jeder weiss was der andere eingekauft hat, wann er das Haus verlässt, wohin er geht, was er macht, bla bla – aber wenigstens handelt es sich zu 80% um Fakten.
Ein Britischer General hat während der Britschen Herrschaft – also vor 1947 ein genaueres Datum weiss ich nicht – über Chitral folgendes niedergeschrieben: „In Chitral ist es unmöglich einen Geheimdienst zu installieren. Um all den zahllosen Geruechten nachzugehen und sie als unhaltbar bestätigen wäre eine Armee an Agenten nötig.
Nun darf ich also damit Bekannschaft machen. Ich stochere ein wenig nach und stosse in ein Wespennest. Keine Seele über die nicht zahlreiche Gerüchte existieren und keine Seele, die diese nicht liebend gern weiterverbreitet. Besonders über Ausländer/angrez werden lieben gern alle möglichen Sensationen verbreitet, denn erstens werden angrez meist nicht davon erfahren, das sie keine echten Freunde haben die ihnen alles erzählen und weil doch jedes Kind weiss, dass angrez alles mögliche tun, was Gott verboten hat. Sie gehen sogar – stell dir das mal vor – mit jemandem zum Mittagessen aus. Wenn das kein Hinweis auf eine versteckte Affäre ist...
Es wird schwer, jemandem zu glauben. Imtiaz ist nun der einzige, der mein 100% Vertrauen hat. Er lässt mich auch immer die neuesten Bazargeschichten hören. Oft gefällt mir ganz und gar nicht was mir da zu Ohren kommt.
Eines davon ist z.B. das ich öfters betrunken durch Chitral laufe. Die Tatsache, dass ich bei allen Treffen, wo Alkohol getrunken wird meist die einzige Ausländerin und die einzig nüchterne Person bin, weil ich das Essigwasser einfach nicht trinken kann, wird übersehen.
Alle Ausländer saufen. Punkt. Vorurteilsfrei gehts wohl nirgends...
Gottseidank ist das in den Tälern anders. Kalash sehen alles viel relaxter und haben keine Vorliebe für Gerüchte.
Dorthin ziehts mich auch bald wieder von Peshawar, den das Chawmosfest soll beginnen.
Das der Lawari wirklich gesperrt ist, muss ich den Flieger nehmen, der natürlich auch ein wenig auf sich warten lässt. Lawari hat für jeden eine Prüfung parat. Für das Flugzeug sind es die Wolken, die er liebend gern um sich auftürmt und so den Weg nach Chitral auf allen Ebenen sperrt.
Aber noch ist es Dezember und das Wetter mit wenigen Ausnahmen klar. Also heim nach Chitral – mit der Militärmaschine, die den Flugverkehr übernommen hat, seit die kleinen Fokkers wegen einem Zwischenfall im südlichen Multan aus dem Service genommen wurden. Ein paar Monate soll es noch dauern, bis die neuen ATR fliegen.
Einstweilen werden Menschen und Gepäck in die Transportmaschine gepfercht, die Sitze sind nicht in Quer- sondern Längsreihen angebracht, eine paar rote Stoffstreifen über ein Metallgestell gespannt sorgt üblicherweise für praktische Soldatensitze. Die Frauen werden auf eine Seite gequetscht, dann Angrez, dann Paki Männer. Wer mal sitz kann bis zur Landung nicht mehr aufstehen – wohin auch? Toiletten gibt es nicht.
Die Motoren heulen auf, mit entsetzlichem Krach hebt das Teil schliesslich ab und steigt langsam hoch. Die Lunchboxen werden durchgereicht, was meist dazu führt, dass sie im hintersten Eck nie ankommen. Weiterreichen wenn man selbst noch nichts hat ist unmöglich. Aber das Abenteuer endet nach 40 min genauso geräuschvoll wie es begonnen hat und ich bin endlich wieder daheim in Chitral.
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