Mastuj
Mitte Aug - Sept07
In Peshawar schlägt mir die heiße Luft entgegen, Ali und ich verbringen nur 2 Tage dort und machen uns dann auf den Weg nach Chitral und Mastuj. Ich habe einige Zeit nichts von meinem zukünftigen Boss gehört und muss ohnehin einige Sachen holen, bevor ich anfange, in Islamabad zu arbeiten.
Alis Großvater, der Col. Khushwaqt, hatte mich nach Mastuj eingeladen und für den Anfang beim Biogasanlagenbau ist es sicher gut, wenn Ali ein wenig Hilfe hat.
Nach weiteren 2 Tagen in Chitral in Alis Haus in Gesellschaft seiner Schwester, die nicht genug von den Geschichten aus Europa bekommen kann, geht es mit einem Heiratszug nach Mastuj. Wir drehen die Musik auf volle Lautstärke, stoppen 100e Male für Zuckerl, Obst, Kuchen, Saft und Kekse am Weg, die von Freunden des Brautpaares angeboten werden. Ich bin zwar schon 2 Mal an Mastuj vorbei gefahren – am Weg zum Shandur Pass, aber die Fahrt ist immer ein Erlebnis.
Nach 2h auf guter Straße endet diese abrupt in Buni, weiter führt eine Staubstraße, teils gefährlich im überhängenden Kliffs und über stellen die bei Erdrutschen und Gletscherbrüchen diesen Winter verschüttet wurden. manchmal klafft eine Spalte am Weg bis hinauf in die felsigen Hänge.
Das Brautpaar hat eine ungewöhnliche Geschichte. Sie sind schon 2 Jahre verheiratet, die Frau blieb mit dem bald geborenen Kind im Elternhaus, da das Haus des Bräutigams im Bau war. Er bringt Mama und Sohn nun heim, es ist wie eine 2. Heirat.
30min von Mastuj entfernt ist Endstation. In der Hochzeitsgesellschaft sind einige bekannte und viele unbekannte Gesichter. Die Frauen sind im Haus, welches mit großen Stofftüchern von den Blicken der Männer, die sich im Garten bei Musik vergnügen, abgeschirmt. Die Braut sitzt wie üblich ausgestellt am Sofa, jeder kommt vorbei für ein Foto und verschwindet wieder um mit alten Bekannten zu plappern.
Am Nachmittag fahren wir dann zum Fort, welches ein wenig außerhalb von Mastuj hinter den alten Fortmauern steht. Der Vater von Col Khushwaqt und ehemalige König von Chitral hatte es erbaut. Der Grossteil der alten Gebäude ist abgerissen, Ställe, Gesindehäuser, Gefängnis und das Haupthaus sind Erdbeben und Neuerungsarbeiten zum Opfer gefallen. Nichts desto trotz steht das neu errichtete Haupthaus stolz im weitläufigen Garten, Fort garden
eine große Wiese breitet sich vor der Veranda aus, in dessen Zentrum ein Nussbaum mit großem Holzbett darunter steht, auf dem sich lauschige Abende verbringen lassen. Kühe, Hühner, Hunde und ein Pferd tummeln sich in friedlicher Gemeinsamkeit, grasen hier ein wenig, picken dort ein wenig und freuen sich ihrerseits an der friedvollen Atmosphäre. Khushwaqts Glaube an die universelle Liebe Gottes und das Gute ist hier in der Praxis zu spüren. Hinter dem Haus geht es zur Küche, das einzige alte Gebäude welches noch erhalten ist, aber bereits deutliche Zeichen des Zahnes der Zeit zeigt. Ein Rundgang am dach und den Fortmauern zeigt die halb eingestürzte Decke, Pläne für einen Neubau sind schon parat. Der Colonel freut sich über meine Rückkehr, das Biogas Projekt wird diskutiert, morgen soll gestartet werden. Auch Saida treffen wir hier. Seit die Frau von Khushwaqt kurz vor Alis Ankunft in Österreich gestorben war, ist sie nun die Herrin des Forts und übt ihre Pflicht mehr oder weniger zufrieden aus. Seit 2 Monaten sieht sie auch ihre Tochter Rudaba wieder, die in Chitral zu Schule geht und zur Hochzeit ein paar Tage frei nehmen durfte.
Abends geht’s wieder zur Hochzeit, sogar Frauen dürfen von sicherer Entfernung im Dunkel der Nacht das ishtok (Musik und Tanz) verfolgen – klatschen ist für die Damenwelt aber unangebracht, daher schnippe ich einfach ein wenig mit den Fingern und schwelge in Erinnerungen an die Zeit bei den Kalash, wo alle mittanzen und singen und klatschen.
Am nächsten Tag werden ein paar Arbeiter zusammen getrommelt und die Grube für die Biogasanlage wird gegraben. Noch ist nicht viel für Ali und mich zu tun, außer immer mal wieder nachmessen, ob die Grube auch tief und breit genug ist. 3 Meter sind nicht unbedingt für jeden genau 3 Meter…
Den Rest der Zeit verbringe ich mit Rundgängen ums Fort.
Das dazugehörige Land ist weitläufig. Es gibt Quellen, einen ehemaligen Fischteich, dessen Damm gebrochen war, ein Polofeld, Wälder, Felder, Weiden, Obstgaerten und eine Steinhalde mit einer besonderen Legende. Ein Stein zeigt menschliche Abdrücke und die Leute erzählen, dass einst vor langer Zeit, als die Steine noch weich waren ein ein Bräutigam seine Braut heimbringen wollte und einer dieser Steine auf sie herab stürzte. Der frischgebackene Ehemann versuchte ihn abzuwehren, daher stammen auch die vielen Eindrücke im Stein von seiner Hand, dem Fuß, seinem Stock und sogar seinem Hintern. Er schafft es aber nicht und die Braut wird von Stein erdrückt.
Die Dorfleute erzählen sich auch Geschichten über unterirdische Räume unter einem Gräberfeld, Gegenstände sollen gefunden worden sein, ganze Säulen etc – ich frage den Colonel, ob er etwas darüber weiß. Er verneint, es lässt ihn aber nicht los und er nimmt sich vor, seinen Sohn zu beauftragen, dort zu graben. Ich habe ein schlechtes Gewissen, da ich weiß, dass wenn er sich etwas in den Kopf setzt, er etliche Male nachfragt. Manchmal aber vergisst er auch und ich bin sogar ein wenig froh, dass dies diesmal der Fall ist, denn sonst hätte sein armer Sohn eine Menge zu tun gehabt.
An einem besonders sonnigen Tag werden die Schafe geschoren und Saida beklagt sich über die beschwerliche Arbeit der Schafschur – 62 Schafe, 1 Handschere. Sie hat im Fernsehen eine elektrische Schurmaschine gesehen und will diese nun haben. Ich sehe mich wieder im Internet um und erkläre ihr, wie man mit Kreditkarte eine gute Qualitätsschere bestellen kann. Sie ist erstaunt aber sofort im Bilde und drauf und dran ihrem Mann die Kreditkarte zu entwenden.
Am Nachmittag liege ich in meiner Hängematte, die ich zwischen 2 Bäumen aufgehängt hatte. Ein nacktes Schaf grast schon friedlich neben mir, als ein zweites angelaufen kommt. Es bleibt auf Distanz stehen und meckert das andere Schaf an. Sie stehen sich mit unsicheren Blicken gegenüber …“Bist das nackige Wesen ohne Wolle wirklich du?“, scheint es zu sagen. Ein Meckern kommt zurück: „Ja, und du siehst auch nicht besser aus, du solltest dich im Spiegel sehen.“ Schließlich wird beschnuppert und erkannt – die äußerliche Erscheinung ist nicht wichtig…
Ein kleines Kalb steht ruhig und genussvoll da als ein Myna (Vogel) Zecken und sonstiges Ungeziefer aus Ohren und Augrändern pickt. Fast zutraulich läuft es dem Vogel hinter her als dieser sich abwendet, es schient sagen zu wollen: „du hast etwas vergessen… hier juckt es noch…“
Abends schlafe ich auf dem Holzbett unterm Nussbaum, Mond und Sterne leuchten hernieder, eine kühle Brise weht, die Jacke ist angenehm wohlig warm – nicht wie im stickigen Peshawar.
Wir hatten Schokolade für Sikander aus Österreich gebracht und sie dummerweise in Peshawar im Kühlschrank vergessen. Sie wurde nachgeschickt – anstatt nach Chitral direkt vom Flieger in den Kühlschrank, finden wir sie von eine gut meinenden Seele 5h im heißen Auto nach Mastuj gebracht. Die Form der hübschen Pralinen, Nougat-Meeresfrüchten, After-Eight und sonstigen Köstlichkeiten ist bis zur Unkenntlichkeit verschmolzen, wir starten einen Rettungsversuch und packen alles in den Gefrierschrank. Der Geschmack ist noch gut, aber die Form…
Nach 2 Wochen in dieser Oase des Friedens muss ich mich endgültig auf den Weg nach Islamabad machen, wo ich arbeiten werde.
Mastuj Pics
In Peshawar schlägt mir die heiße Luft entgegen, Ali und ich verbringen nur 2 Tage dort und machen uns dann auf den Weg nach Chitral und Mastuj. Ich habe einige Zeit nichts von meinem zukünftigen Boss gehört und muss ohnehin einige Sachen holen, bevor ich anfange, in Islamabad zu arbeiten.
Alis Großvater, der Col. Khushwaqt, hatte mich nach Mastuj eingeladen und für den Anfang beim Biogasanlagenbau ist es sicher gut, wenn Ali ein wenig Hilfe hat.
Nach weiteren 2 Tagen in Chitral in Alis Haus in Gesellschaft seiner Schwester, die nicht genug von den Geschichten aus Europa bekommen kann, geht es mit einem Heiratszug nach Mastuj. Wir drehen die Musik auf volle Lautstärke, stoppen 100e Male für Zuckerl, Obst, Kuchen, Saft und Kekse am Weg, die von Freunden des Brautpaares angeboten werden. Ich bin zwar schon 2 Mal an Mastuj vorbei gefahren – am Weg zum Shandur Pass, aber die Fahrt ist immer ein Erlebnis.
Nach 2h auf guter Straße endet diese abrupt in Buni, weiter führt eine Staubstraße, teils gefährlich im überhängenden Kliffs und über stellen die bei Erdrutschen und Gletscherbrüchen diesen Winter verschüttet wurden. manchmal klafft eine Spalte am Weg bis hinauf in die felsigen Hänge.
Das Brautpaar hat eine ungewöhnliche Geschichte. Sie sind schon 2 Jahre verheiratet, die Frau blieb mit dem bald geborenen Kind im Elternhaus, da das Haus des Bräutigams im Bau war. Er bringt Mama und Sohn nun heim, es ist wie eine 2. Heirat.
30min von Mastuj entfernt ist Endstation. In der Hochzeitsgesellschaft sind einige bekannte und viele unbekannte Gesichter. Die Frauen sind im Haus, welches mit großen Stofftüchern von den Blicken der Männer, die sich im Garten bei Musik vergnügen, abgeschirmt. Die Braut sitzt wie üblich ausgestellt am Sofa, jeder kommt vorbei für ein Foto und verschwindet wieder um mit alten Bekannten zu plappern.
Am Nachmittag fahren wir dann zum Fort, welches ein wenig außerhalb von Mastuj hinter den alten Fortmauern steht. Der Vater von Col Khushwaqt und ehemalige König von Chitral hatte es erbaut. Der Grossteil der alten Gebäude ist abgerissen, Ställe, Gesindehäuser, Gefängnis und das Haupthaus sind Erdbeben und Neuerungsarbeiten zum Opfer gefallen. Nichts desto trotz steht das neu errichtete Haupthaus stolz im weitläufigen Garten, Fort garden
eine große Wiese breitet sich vor der Veranda aus, in dessen Zentrum ein Nussbaum mit großem Holzbett darunter steht, auf dem sich lauschige Abende verbringen lassen. Kühe, Hühner, Hunde und ein Pferd tummeln sich in friedlicher Gemeinsamkeit, grasen hier ein wenig, picken dort ein wenig und freuen sich ihrerseits an der friedvollen Atmosphäre. Khushwaqts Glaube an die universelle Liebe Gottes und das Gute ist hier in der Praxis zu spüren. Hinter dem Haus geht es zur Küche, das einzige alte Gebäude welches noch erhalten ist, aber bereits deutliche Zeichen des Zahnes der Zeit zeigt. Ein Rundgang am dach und den Fortmauern zeigt die halb eingestürzte Decke, Pläne für einen Neubau sind schon parat. Der Colonel freut sich über meine Rückkehr, das Biogas Projekt wird diskutiert, morgen soll gestartet werden. Auch Saida treffen wir hier. Seit die Frau von Khushwaqt kurz vor Alis Ankunft in Österreich gestorben war, ist sie nun die Herrin des Forts und übt ihre Pflicht mehr oder weniger zufrieden aus. Seit 2 Monaten sieht sie auch ihre Tochter Rudaba wieder, die in Chitral zu Schule geht und zur Hochzeit ein paar Tage frei nehmen durfte.
Abends geht’s wieder zur Hochzeit, sogar Frauen dürfen von sicherer Entfernung im Dunkel der Nacht das ishtok (Musik und Tanz) verfolgen – klatschen ist für die Damenwelt aber unangebracht, daher schnippe ich einfach ein wenig mit den Fingern und schwelge in Erinnerungen an die Zeit bei den Kalash, wo alle mittanzen und singen und klatschen.
Am nächsten Tag werden ein paar Arbeiter zusammen getrommelt und die Grube für die Biogasanlage wird gegraben. Noch ist nicht viel für Ali und mich zu tun, außer immer mal wieder nachmessen, ob die Grube auch tief und breit genug ist. 3 Meter sind nicht unbedingt für jeden genau 3 Meter…
Den Rest der Zeit verbringe ich mit Rundgängen ums Fort.
Das dazugehörige Land ist weitläufig. Es gibt Quellen, einen ehemaligen Fischteich, dessen Damm gebrochen war, ein Polofeld, Wälder, Felder, Weiden, Obstgaerten und eine Steinhalde mit einer besonderen Legende. Ein Stein zeigt menschliche Abdrücke und die Leute erzählen, dass einst vor langer Zeit, als die Steine noch weich waren ein ein Bräutigam seine Braut heimbringen wollte und einer dieser Steine auf sie herab stürzte. Der frischgebackene Ehemann versuchte ihn abzuwehren, daher stammen auch die vielen Eindrücke im Stein von seiner Hand, dem Fuß, seinem Stock und sogar seinem Hintern. Er schafft es aber nicht und die Braut wird von Stein erdrückt.
Die Dorfleute erzählen sich auch Geschichten über unterirdische Räume unter einem Gräberfeld, Gegenstände sollen gefunden worden sein, ganze Säulen etc – ich frage den Colonel, ob er etwas darüber weiß. Er verneint, es lässt ihn aber nicht los und er nimmt sich vor, seinen Sohn zu beauftragen, dort zu graben. Ich habe ein schlechtes Gewissen, da ich weiß, dass wenn er sich etwas in den Kopf setzt, er etliche Male nachfragt. Manchmal aber vergisst er auch und ich bin sogar ein wenig froh, dass dies diesmal der Fall ist, denn sonst hätte sein armer Sohn eine Menge zu tun gehabt.
An einem besonders sonnigen Tag werden die Schafe geschoren und Saida beklagt sich über die beschwerliche Arbeit der Schafschur – 62 Schafe, 1 Handschere. Sie hat im Fernsehen eine elektrische Schurmaschine gesehen und will diese nun haben. Ich sehe mich wieder im Internet um und erkläre ihr, wie man mit Kreditkarte eine gute Qualitätsschere bestellen kann. Sie ist erstaunt aber sofort im Bilde und drauf und dran ihrem Mann die Kreditkarte zu entwenden.
Am Nachmittag liege ich in meiner Hängematte, die ich zwischen 2 Bäumen aufgehängt hatte. Ein nacktes Schaf grast schon friedlich neben mir, als ein zweites angelaufen kommt. Es bleibt auf Distanz stehen und meckert das andere Schaf an. Sie stehen sich mit unsicheren Blicken gegenüber …“Bist das nackige Wesen ohne Wolle wirklich du?“, scheint es zu sagen. Ein Meckern kommt zurück: „Ja, und du siehst auch nicht besser aus, du solltest dich im Spiegel sehen.“ Schließlich wird beschnuppert und erkannt – die äußerliche Erscheinung ist nicht wichtig…
Ein kleines Kalb steht ruhig und genussvoll da als ein Myna (Vogel) Zecken und sonstiges Ungeziefer aus Ohren und Augrändern pickt. Fast zutraulich läuft es dem Vogel hinter her als dieser sich abwendet, es schient sagen zu wollen: „du hast etwas vergessen… hier juckt es noch…“
Abends schlafe ich auf dem Holzbett unterm Nussbaum, Mond und Sterne leuchten hernieder, eine kühle Brise weht, die Jacke ist angenehm wohlig warm – nicht wie im stickigen Peshawar.
Wir hatten Schokolade für Sikander aus Österreich gebracht und sie dummerweise in Peshawar im Kühlschrank vergessen. Sie wurde nachgeschickt – anstatt nach Chitral direkt vom Flieger in den Kühlschrank, finden wir sie von eine gut meinenden Seele 5h im heißen Auto nach Mastuj gebracht. Die Form der hübschen Pralinen, Nougat-Meeresfrüchten, After-Eight und sonstigen Köstlichkeiten ist bis zur Unkenntlichkeit verschmolzen, wir starten einen Rettungsversuch und packen alles in den Gefrierschrank. Der Geschmack ist noch gut, aber die Form…
Nach 2 Wochen in dieser Oase des Friedens muss ich mich endgültig auf den Weg nach Islamabad machen, wo ich arbeiten werde.
Mastuj Pics
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