FMC in Birir
Das Medizinische Camp
Mitte November 2006
Das FMC (free medical camp) steht an, die Aerzte sind informiert und einverstanden, der Tag nach Absprache mit dem EDO Gesundheit fuer Sonntag, den 19. November fixiert. Nun wollen wir ein Fahrzeug finden, welches die Aerzte zu uns nach Birir bringt, hoffentlich gratis. Wir fragen also informell bei AKHSP an (der Zweig der Aga Khan Stiftung, der fuehr Gesundheit etc zustaendig ist). JA, es gaebe eine Moeglichkeit, dafuer sollen wir einen schriftlichen Antrag stellen, der dann Inchallah genehmigt wuerde.
Also an den Laptop, schreiben, einen PC mit XP finden an den ein Drucker angehaengt ist – nicht so einfach, es gibt nur einen in Chitral der diese technischen Finessen bieten kann. Drucken, kopieren. Unterschreiben und zurueck ins AKHSP Buero.
2 Tage vor dem Camp komme ich wieder nach Chitral, wir packen die gesammelten Medikamente, die hauptsaechlich aus Musterspenden von Pharmafirmen bestehen und einigen gekauften.
Ein Kontrollanruf bei AKHSP bestaetigt, dass das Fahrzeug nun anderwertig Verwendung gefunden hat und wir ohne Vehikel da stehen.
Was tun? Hier kommt nun der nette Zufall ins Spiel, dass wir in Pakistan sind.
Ich habe, wie ihr wisst, vor kurzem meine neue Handynummer bekommen, ein guter Freund, der Tehsil Nazim (BH) von Chitral kennt sie noch nicht. Und er hat einen Pickup, den er an Wochenenden nicht braucht.
Ich spiele also das Lieblingsspiel der Chitralis, die erst seit wenigen Monaten im Mobilnetz haengen. Die Spielregeln: schreib SMS von einer neuen Nummer und lass den anderen raten, wer es ist. Ich bloedle also ein wenig herum, gebe ihm kleine Hinweise und schliesse mit: “Rate wer ich bin, falls du es erraetst gewinnst du einen Preis.”
Er liebt Preise. “Der Preis ist die Ehre, einen Tag lang ein Fahrzeug fuer das Wohl von 2000 Menschen zur Verfuegung zu stellen und der Dank dieser Menschen…”
Er raet ein wenig rum und erklaert sich natuerlich schlussendlich bereit, das Auto bereitzuhalten.
Am Sonntag kommt wieder alles ganz anders, 2 Aerzte aus Drosh kommen mit Imtiaz, ein Arzt mit seinem eigenen Auto, und einer ein wenig spaeter und das nur weil ein ausgesandter Nazim ihn spontan vom Fruehstueckstisch abbeordert hat.
Der Tehsil Nazim glaubt aufgrund dieser Wendung, dass sein Fahrzeug nicht mehr gebraucht wird und die 2 Repraesentanten der Pharmafirmen, die bei der Medikamentenausgaben helfen sollen, mieten ihr eigenes Transportmittel.
Ich komme am Vortag ins Tal um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Talbewohner sollen nochmals mittels Info in den Schulen, den Moscheen und einem Laufboten per Dorf informiert werden, das Guesthouse, wo das Camp stattfinden soll, muss auf Vordermann gebracht werden, Sessel und Tische so arrangiert, dass 3 Aerzte ordinieren koennen – vom Vierten wissen wir ja noch nichts.
Das Essen fuer die Gaeste, der Platz fuer die “Apotheke” etc. Um halb elf, als die Sonne grade nach langer Zeit gnaedig ein paar waermende Strahelen schickt und das Tal in liebliches Licht taucht, kommen die Doktoren, es ist noch kein einziger Patient in Sicht.
Aber ich bin nun schon lange genug hier um zu wissen, dass Kinder auf den Hausdaechern stehen und Boten schicken, sobald sie die Autos anrumpeln sehen. Es bleibt gerade noch genug Zeit fuer den obligatorischen Tee, dann trudeln die ersten Kranken ein. Shah Hussain, mein “Onkel” schreibt das Patientenregister und ordnet die Kranken dem richtigen Arzt zu und teilt vorbereitete Patientenformulare aus. Der Zettel soll auch mir dienen um spaeter einen Ueberblick ueber die haeufigsten Krankheiten zu bekommen, die Anzahl der Patienten nach Alter und Geschlecht. Die gefinkelte Frage nach dem Alter weiss niemand zu beantworten, so kuerzen wir diesen Prozess mit Gruppeneinteilung ab. Saeugling, Kind, Erwachsener, Greis. Wer notiert schon den Geburtstag wenn er nicht schreiben kann und die offizielle Regisitrierung erst mit dem Antrag aud eine Identity Card beginnt. (Auf dieser steht dann meist eine ungefaehre Schaetzung und sie wird in diesen abgelegenen Gebieten nur beantragt wenn noetig, also fuer gewisse Jobs oder Auslandsaufenthalte oder Wahlen)
Die Aerzte tun ihre Arbeit, notieren die verschriebene Medizin auf die Rueckseite des Formulars, welches in der “Apotheke” eingesammelt wird. Medizin, die nicht vorhanden ist werde ich am naechsten Tag aus Chitral holen.
Der kritischste Part ist das Austeilen und Erklaeren von Medikamenten. Leute koennen nicht lesen und sind daher auf einfache Zeichen angewiesen, die Dosis und Einnahmeintervalle angeben.
Ich verschone euch mit Statistiken – die ich als notorische Listen und Diagrammliebhaberin natuerlich angelegt habe - aber rund 200 Patienten (ein Zehntel der Bevoelkerung) werden behandelt, der Grossteil davon Kinder und Frauen im mittleren Alter. Letztere weil diese haeufig aus Scham nicht zum Arzt gehen. 80% von diesen Damen sind heilfroh ueber die Gynaekologin im Aerzteteam.
Die beiden kuerzlich ausgebildeten Geburtshelferinnen assistieren ihr und lernen wieder ein wenig mehr.
Ueberall sind hilfreiche Haende, mein Kalashbruder und sein bester Freund mit dem klingenden Namen “Saddam Hussain” sind an meiner Seite um fuer kleine Botendienste geschickt zu werden. Andere Freunde helfen hier und dort um den wilden ungeordneten Ansturm unter Kontrolle zu halten. Die Vorbereitungen und Absprachen mit den Helferlein haben sich bezahlt gemacht, alles laeuft rund.
Ein kleines Maederl kommt ganz allein mit ihrem noch kleineren Bruder und steht verloren im Garten. Ich frag sie, wo denn Mama oder Papa seien, oder wenigstens ein Onkel, aber ich muss hoeren, dass die Eltern es nicht fuer noetig hielten, das schwache, fiebernde Baby zum Kinderarzt zu bringen, obwohl er gerade im Tal ist. So hat die Kleine mit ihren 7 oder 8 Jahren das Buerschlein gepackt und ist allein 20 Minuten vom Haus hierher marschiert, da sie in der Schule gehoert hatte, dass der Onkel Doktor kommt.
Um 5 Uhr nachmittags ist der Spuk vorbei, die Aerzte werden nach Hause gefahren, die Patienten tragen gluecklich ihre Medikamente nach Hause es geht ihnen schon viel besser…
Frueh am naechsten Morgen, zu einer Zeit in der die Sonne noch nicht mal dran denkt ueber die hohen Berge zu blinzeln, stehe ich auf, und mache mich bewaffnet mit der Ausbeute an Rezepten von nicht vorhandenen Medikamenten auf, nach Chitral zu fahren.
Jeeps sind rar hier in Birir und speziell in der kaelteren Jahreszeit nicht sehr verlaesslich. Manchmal fahren sie schon um sechs ab, wenns jemand besonders eilig hat und genug Passagiere eintreffen. Dann ist sprichwoertlich der Jeep abgefahren und die Moeglichkeit nach Chitral zu kommen auf einen 2h Fussmarsch zur Hauptstrasse beschraenkt.
Meist fahren sie aber gen 8 oder 9, manchmal gar nicht. Das heisst also: verschlafen aus dem warmen Bett kraxeln, Shalwar Kameez anlegen – die moslemische Kleidung, da ich mit dem Kalasha Piran in Chitral als Paradiesvogel fuer starrende Aufmerksamkeit sorge, was nicht immer hilfreich ist.
Dann fruehstuecken und warten. Meine Familie weiss sobald ich aufstehe, dass ich nach Chitral will, da ich sonst in diesen fruehen sonnenlosen Morgenstunden nicht umbedingt aus meinem Zimmer komme. Der Grossteil glaubt ich schlafe taeglich bis 10 oder elf, weil ich erst zu dieser Zeit meine Tuer oeffne. Die Realitaet liegt wie so oft im Kompromiss. Sechs waere wirklich zu frueh fuer mich, aber acht ist fein, dann kann ich ein wenig ungestoerte Zeit zum Schreiben oder fuer sonstige Arbeiten geniessen, oft sprueht auch noch Strom aus den Steckdosen fuer PC Arbeit. Sobald die Tuer offen ist, stroemen Leute herein, ich werde 15 Mal zu Tee und Fruehstueck gebeten, etc.
Ich liebe die Geselligkeit und Waerme hier, aber in der grauen Morgendaemmerung kann ich gewissen Quasselstrippen nichts abgewinnen und brodle lieber selbst vor mich hin…
Aber dieser Tag gehoert eben Chitral und den Medikamenten, also blinzle ich verschlafen ueber meinen Haeferlrand und traeume vom warmen Bett…
Bald kommt ein Jeep, faehrt noch einige Male Tal aufwaerts, waegt mich in Sicherheit bis mich draengende Klang der Hupe von anderen Ufer aus meinen Tagtraeumen reisst. Abfahrt, rasch!!
Meine Freunde von der Pharmafirma erwarten mich und leiten mich durch den Apothekendschungel. Fuer einige Medikameten muessen Alternativen gefunden werden, da sie entweder nicht vorhanden sind oder qualitative gleichwertige billiger sind.
Wir haben eine Liste vorbereitet auf der wir die Gesamtzahlen der benoetigten Artikel von den einzelnen Rezepten zusammen geschrieben haben. Nach dem wir 5 verschiedene Shops von “Freunden” abgeklappert haben, einge Tassen Tee geschluerft und die Apotheker schlussendlich dazu gebracht haben, annehmbare – heisst leserlich und halbwegs offiziell aussehende – Rechnungen zu kritzeln eilen, wir zurueck zum “Hauptquartier” – meinem Stammhotel, in dem ich auch wenn ich kein Zimmer buche immer mein Gepaeck deponieren und die Telefonleitungen besetzen darf, zum Essen geladen werde und mit dutzenden Tassen heissem Chay (Tee) versorgt werde.
Nun folgt die schwierige Aufgabe: Finde zu jedem der Rezept die passende Medizin – oder das Generikum und ordne sie in Plastiksackerl. Das ist nicht ganz so einfach, da ich die Pakistanischen Medikamentnamen von verschiedensten Firmen aus Zeitmangel noch nicht auswendig gelernt habe – und auch nicht wirklich plane dies zu tun. Somit erledigen die Helferlein den Grossteil der Arbeit und ich beschraenke meinen Beitrag auf das Beschriften der Plastiksackerl…
Die beiden Burschen verdienen einen Orden, haben sie doch freiwillig viele Tage geopfert um dies alles moeglich zu machen.
Ich habe noch einige andere Arbeit in Chitral und bleibe daher, nicht ohne einen langen Brief an meinen Onkel im Tal zu schreiben, dass und wie er die Sackerl verteilen soll. Zu meinem Erstaunen sind nur 2 Sackerl ueberig als ich nach 3 Tagen heim komme.
Niemand scheint die beiden Ladies zu kennen, die Verwirrung ist komplett, da auf den Patientenformularen die echten Namen stehen, Frauen aber meist nur als “Frau von XY” oder “Mutter von YZ” oder “Tochter von AB” bekannt sind.
Die beiden Sackerl sind bis heute bei mir, den Damen scheinen sie nicht zu fehlen sonst haetten sie einen Boten mit der Frage um den Verbleib geschickt…
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Mitte November 2006
Das FMC (free medical camp) steht an, die Aerzte sind informiert und einverstanden, der Tag nach Absprache mit dem EDO Gesundheit fuer Sonntag, den 19. November fixiert. Nun wollen wir ein Fahrzeug finden, welches die Aerzte zu uns nach Birir bringt, hoffentlich gratis. Wir fragen also informell bei AKHSP an (der Zweig der Aga Khan Stiftung, der fuehr Gesundheit etc zustaendig ist). JA, es gaebe eine Moeglichkeit, dafuer sollen wir einen schriftlichen Antrag stellen, der dann Inchallah genehmigt wuerde.
Also an den Laptop, schreiben, einen PC mit XP finden an den ein Drucker angehaengt ist – nicht so einfach, es gibt nur einen in Chitral der diese technischen Finessen bieten kann. Drucken, kopieren. Unterschreiben und zurueck ins AKHSP Buero.
2 Tage vor dem Camp komme ich wieder nach Chitral, wir packen die gesammelten Medikamente, die hauptsaechlich aus Musterspenden von Pharmafirmen bestehen und einigen gekauften.
Ein Kontrollanruf bei AKHSP bestaetigt, dass das Fahrzeug nun anderwertig Verwendung gefunden hat und wir ohne Vehikel da stehen.
Was tun? Hier kommt nun der nette Zufall ins Spiel, dass wir in Pakistan sind.
Ich habe, wie ihr wisst, vor kurzem meine neue Handynummer bekommen, ein guter Freund, der Tehsil Nazim (BH) von Chitral kennt sie noch nicht. Und er hat einen Pickup, den er an Wochenenden nicht braucht.
Ich spiele also das Lieblingsspiel der Chitralis, die erst seit wenigen Monaten im Mobilnetz haengen. Die Spielregeln: schreib SMS von einer neuen Nummer und lass den anderen raten, wer es ist. Ich bloedle also ein wenig herum, gebe ihm kleine Hinweise und schliesse mit: “Rate wer ich bin, falls du es erraetst gewinnst du einen Preis.”
Er liebt Preise. “Der Preis ist die Ehre, einen Tag lang ein Fahrzeug fuer das Wohl von 2000 Menschen zur Verfuegung zu stellen und der Dank dieser Menschen…”
Er raet ein wenig rum und erklaert sich natuerlich schlussendlich bereit, das Auto bereitzuhalten.
Am Sonntag kommt wieder alles ganz anders, 2 Aerzte aus Drosh kommen mit Imtiaz, ein Arzt mit seinem eigenen Auto, und einer ein wenig spaeter und das nur weil ein ausgesandter Nazim ihn spontan vom Fruehstueckstisch abbeordert hat.
Der Tehsil Nazim glaubt aufgrund dieser Wendung, dass sein Fahrzeug nicht mehr gebraucht wird und die 2 Repraesentanten der Pharmafirmen, die bei der Medikamentenausgaben helfen sollen, mieten ihr eigenes Transportmittel.
Ich komme am Vortag ins Tal um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Die Talbewohner sollen nochmals mittels Info in den Schulen, den Moscheen und einem Laufboten per Dorf informiert werden, das Guesthouse, wo das Camp stattfinden soll, muss auf Vordermann gebracht werden, Sessel und Tische so arrangiert, dass 3 Aerzte ordinieren koennen – vom Vierten wissen wir ja noch nichts.
Das Essen fuer die Gaeste, der Platz fuer die “Apotheke” etc. Um halb elf, als die Sonne grade nach langer Zeit gnaedig ein paar waermende Strahelen schickt und das Tal in liebliches Licht taucht, kommen die Doktoren, es ist noch kein einziger Patient in Sicht.
Aber ich bin nun schon lange genug hier um zu wissen, dass Kinder auf den Hausdaechern stehen und Boten schicken, sobald sie die Autos anrumpeln sehen. Es bleibt gerade noch genug Zeit fuer den obligatorischen Tee, dann trudeln die ersten Kranken ein. Shah Hussain, mein “Onkel” schreibt das Patientenregister und ordnet die Kranken dem richtigen Arzt zu und teilt vorbereitete Patientenformulare aus. Der Zettel soll auch mir dienen um spaeter einen Ueberblick ueber die haeufigsten Krankheiten zu bekommen, die Anzahl der Patienten nach Alter und Geschlecht. Die gefinkelte Frage nach dem Alter weiss niemand zu beantworten, so kuerzen wir diesen Prozess mit Gruppeneinteilung ab. Saeugling, Kind, Erwachsener, Greis. Wer notiert schon den Geburtstag wenn er nicht schreiben kann und die offizielle Regisitrierung erst mit dem Antrag aud eine Identity Card beginnt. (Auf dieser steht dann meist eine ungefaehre Schaetzung und sie wird in diesen abgelegenen Gebieten nur beantragt wenn noetig, also fuer gewisse Jobs oder Auslandsaufenthalte oder Wahlen)
Die Aerzte tun ihre Arbeit, notieren die verschriebene Medizin auf die Rueckseite des Formulars, welches in der “Apotheke” eingesammelt wird. Medizin, die nicht vorhanden ist werde ich am naechsten Tag aus Chitral holen.
Der kritischste Part ist das Austeilen und Erklaeren von Medikamenten. Leute koennen nicht lesen und sind daher auf einfache Zeichen angewiesen, die Dosis und Einnahmeintervalle angeben.
Ich verschone euch mit Statistiken – die ich als notorische Listen und Diagrammliebhaberin natuerlich angelegt habe - aber rund 200 Patienten (ein Zehntel der Bevoelkerung) werden behandelt, der Grossteil davon Kinder und Frauen im mittleren Alter. Letztere weil diese haeufig aus Scham nicht zum Arzt gehen. 80% von diesen Damen sind heilfroh ueber die Gynaekologin im Aerzteteam.
Die beiden kuerzlich ausgebildeten Geburtshelferinnen assistieren ihr und lernen wieder ein wenig mehr.
Ueberall sind hilfreiche Haende, mein Kalashbruder und sein bester Freund mit dem klingenden Namen “Saddam Hussain” sind an meiner Seite um fuer kleine Botendienste geschickt zu werden. Andere Freunde helfen hier und dort um den wilden ungeordneten Ansturm unter Kontrolle zu halten. Die Vorbereitungen und Absprachen mit den Helferlein haben sich bezahlt gemacht, alles laeuft rund.
Ein kleines Maederl kommt ganz allein mit ihrem noch kleineren Bruder und steht verloren im Garten. Ich frag sie, wo denn Mama oder Papa seien, oder wenigstens ein Onkel, aber ich muss hoeren, dass die Eltern es nicht fuer noetig hielten, das schwache, fiebernde Baby zum Kinderarzt zu bringen, obwohl er gerade im Tal ist. So hat die Kleine mit ihren 7 oder 8 Jahren das Buerschlein gepackt und ist allein 20 Minuten vom Haus hierher marschiert, da sie in der Schule gehoert hatte, dass der Onkel Doktor kommt.
Um 5 Uhr nachmittags ist der Spuk vorbei, die Aerzte werden nach Hause gefahren, die Patienten tragen gluecklich ihre Medikamente nach Hause es geht ihnen schon viel besser…
Frueh am naechsten Morgen, zu einer Zeit in der die Sonne noch nicht mal dran denkt ueber die hohen Berge zu blinzeln, stehe ich auf, und mache mich bewaffnet mit der Ausbeute an Rezepten von nicht vorhandenen Medikamenten auf, nach Chitral zu fahren.
Jeeps sind rar hier in Birir und speziell in der kaelteren Jahreszeit nicht sehr verlaesslich. Manchmal fahren sie schon um sechs ab, wenns jemand besonders eilig hat und genug Passagiere eintreffen. Dann ist sprichwoertlich der Jeep abgefahren und die Moeglichkeit nach Chitral zu kommen auf einen 2h Fussmarsch zur Hauptstrasse beschraenkt.
Meist fahren sie aber gen 8 oder 9, manchmal gar nicht. Das heisst also: verschlafen aus dem warmen Bett kraxeln, Shalwar Kameez anlegen – die moslemische Kleidung, da ich mit dem Kalasha Piran in Chitral als Paradiesvogel fuer starrende Aufmerksamkeit sorge, was nicht immer hilfreich ist.
Dann fruehstuecken und warten. Meine Familie weiss sobald ich aufstehe, dass ich nach Chitral will, da ich sonst in diesen fruehen sonnenlosen Morgenstunden nicht umbedingt aus meinem Zimmer komme. Der Grossteil glaubt ich schlafe taeglich bis 10 oder elf, weil ich erst zu dieser Zeit meine Tuer oeffne. Die Realitaet liegt wie so oft im Kompromiss. Sechs waere wirklich zu frueh fuer mich, aber acht ist fein, dann kann ich ein wenig ungestoerte Zeit zum Schreiben oder fuer sonstige Arbeiten geniessen, oft sprueht auch noch Strom aus den Steckdosen fuer PC Arbeit. Sobald die Tuer offen ist, stroemen Leute herein, ich werde 15 Mal zu Tee und Fruehstueck gebeten, etc.
Ich liebe die Geselligkeit und Waerme hier, aber in der grauen Morgendaemmerung kann ich gewissen Quasselstrippen nichts abgewinnen und brodle lieber selbst vor mich hin…
Aber dieser Tag gehoert eben Chitral und den Medikamenten, also blinzle ich verschlafen ueber meinen Haeferlrand und traeume vom warmen Bett…
Bald kommt ein Jeep, faehrt noch einige Male Tal aufwaerts, waegt mich in Sicherheit bis mich draengende Klang der Hupe von anderen Ufer aus meinen Tagtraeumen reisst. Abfahrt, rasch!!
Meine Freunde von der Pharmafirma erwarten mich und leiten mich durch den Apothekendschungel. Fuer einige Medikameten muessen Alternativen gefunden werden, da sie entweder nicht vorhanden sind oder qualitative gleichwertige billiger sind.
Wir haben eine Liste vorbereitet auf der wir die Gesamtzahlen der benoetigten Artikel von den einzelnen Rezepten zusammen geschrieben haben. Nach dem wir 5 verschiedene Shops von “Freunden” abgeklappert haben, einge Tassen Tee geschluerft und die Apotheker schlussendlich dazu gebracht haben, annehmbare – heisst leserlich und halbwegs offiziell aussehende – Rechnungen zu kritzeln eilen, wir zurueck zum “Hauptquartier” – meinem Stammhotel, in dem ich auch wenn ich kein Zimmer buche immer mein Gepaeck deponieren und die Telefonleitungen besetzen darf, zum Essen geladen werde und mit dutzenden Tassen heissem Chay (Tee) versorgt werde.
Nun folgt die schwierige Aufgabe: Finde zu jedem der Rezept die passende Medizin – oder das Generikum und ordne sie in Plastiksackerl. Das ist nicht ganz so einfach, da ich die Pakistanischen Medikamentnamen von verschiedensten Firmen aus Zeitmangel noch nicht auswendig gelernt habe – und auch nicht wirklich plane dies zu tun. Somit erledigen die Helferlein den Grossteil der Arbeit und ich beschraenke meinen Beitrag auf das Beschriften der Plastiksackerl…
Die beiden Burschen verdienen einen Orden, haben sie doch freiwillig viele Tage geopfert um dies alles moeglich zu machen.
Ich habe noch einige andere Arbeit in Chitral und bleibe daher, nicht ohne einen langen Brief an meinen Onkel im Tal zu schreiben, dass und wie er die Sackerl verteilen soll. Zu meinem Erstaunen sind nur 2 Sackerl ueberig als ich nach 3 Tagen heim komme.
Niemand scheint die beiden Ladies zu kennen, die Verwirrung ist komplett, da auf den Patientenformularen die echten Namen stehen, Frauen aber meist nur als “Frau von XY” oder “Mutter von YZ” oder “Tochter von AB” bekannt sind.
Die beiden Sackerl sind bis heute bei mir, den Damen scheinen sie nicht zu fehlen sonst haetten sie einen Boten mit der Frage um den Verbleib geschickt…
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