Endlich - wieder bei den Kalash
Endlich endlich endlich ist es wieder soweit. Ich hab nun alle Hindernisse aus dem Weg die mich so lange abgehalten haben, meine Kalash Familie zu besuchen. Also alle, die ich irgendwie beeinflussen kann zumindest. Ich habe Geld, ein Visum und Zeit – wenn auch nur 6 Tage. In Gottes Händen liegt das Wetter, das es dem Flugzeug ermöglichen soll, gen Norden abzuheben. Das Ticket ist in den letzten Jahren erheblich teurer geworden, für Ausländer kostet ein Flug von Islamabad nun schon 6610 Rupien (ca. 60EUR), für Einheimische 3300.
Macht alles nichts, mit meiner neuen Arbeit geht sich das nun Gott-sei-Dank aus. Also Ticket gebucht, Taxi bestellt (man gönnt sich ja sonst nichts, aber um 5 Uhr früh ist es selbst hier schwierig ein Taxi zu erlegen) und abends noch kurz ein paar Mitbringsel eingekauft. Ich wollte den schönen waaaarmen Stoff, den ich vor 2 Jahren in Peshawar erstanden und ein Pakistanisches Gewand schneidern lassen hatte, mitbringen, denn wo sonst als in Chitral braucht man Kleidung aus Fleece. Freunde hatten mir geraten in Rawalpindi auf Suche zu gehen, von dort wurde ich erst immer in die nächste Straße geschickt und dann zum Schluss erst recht nach Islamabad. Gefunden hab ich ihn leider nirgends, dafür einen anderen aus reiner Wolle, auch sehr warm. Noch ein paar Perlen und Schellen, der Abend war vorüber
Mittwoch, den 7. Januar 2009 in der Früh gings dann ab zum Flughafen, das Wetter war prächtig, meine Stimmung noch viel besser.
Der Flug ist wunder schön, ich lande in einem Chitral mit grünen Wiesen umgeben von angezuckerten Bergen unter blauem Himmel. Die Farbenpracht und Macht der Natur ist überwältigend. Als ich aussteige laufen mir die Tränen über die Wangen (gut dass ich den dicken Winterschal umgehängt habe) Endlich Zu hause!!!!!
Nach ein ein halb Jahren sollte ich nun endlich meine Kalash Familie wieder sehen. Mein guter Bekannter und Wegweiser Imtiaz will mich vom Flughafen abholen, leider hat ihn eine schwere Grippe erwischt. Es gibt zum Glück 1 ganzes Taxi am Flughafen, mit dem fahre ich in mein Stamm-Hotel TOURIST LODGE, wo ich freudig empfangen werde.
Ich schlage wie schon so oft meine Basis dort auf und trinke erst mal Tee. Um 8Uhr früh ist noch niemand wach also erstmal abwarten.
Als sich dann die Bürotüren öffnen, pilgere ich mit etwas mulmigem Gefühl zur Tourist Registration, mal sehen ob sie wieder eine Überraschung für mich bereit haben. Eigentlich sollte es keine Probleme geben mit meinem neuen Pass und Visa, aber man weiß ja nie -
Pakistan, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten..
Alles lauft erstaunlich glatt, ich bekomme die Nummer 1 - und bin somit die erste Touristin in Chitral im Jahre 2009. Wenn das nicht ein Zeichen ist...
Danach wieder zum Tee in die lodge und ein bisschen später zum Jeepstand, wo ich hoffe, dass ein fahrbarer Untersatz nach Birir hüpft (bei der Strassenqualitaet kann von FAHREN keine rede sein) Ein netter Mensch verspricht, in der Lodge anzurufen, sobald das Auto, das sich gerade irgendwo im Großstadt-Dschungel Chitrals befindet, zur Abfahrt bereit ist.
Nach einigen weiteren Tassen Tee mache ich mich dann noch mal auf den Weg dorthin, immer hin ist es schon 2 Uhr nachmittags und der nette Mann könnte ja zufällig auch gerade beim Tee sein, wenn das gefragte Vehikel kommt.
Ich treffe durch göttliche Fügung einen meiner Lieblings Kalash, Sher Alam, der früher Schuldirektor an der Schule war, wo ich unterrichtete und der unermüdlich geholfen hat beim Bau der Schule in Bio. Er weiß natürlich genau wo zu finden ist was ich suche und nach 10 min sitze ich im Jeep nach Birir.
Der Weg dauert immer noch 2 Stunden, aber diesmal vergehen sie wie im Flug. An jeder Ecke kommen Erinnerungen hoch an die Zeit in der ich hier gewohnt habe. So oft fuhr ich dort hin und her dass fast jeder Stein irgendwelche Bilder aus vergangenen Jahren aufblitzen lässt Die Sonne lässt noch die Berggipfel erstrahlen, im Hintergrund thront Tirich Mir am Ende des Chitral Tales als wir langsam aber sicher die 25km nach Süden tuckern.
Als wir dann endlich nach Westen ins Tal einbiegen kommt trotz heftige Geruettle wieder dieses Gefühl der inneren Ruhe auf, das ich schon bei meinem allerersten Besuch hatte. Die Zeit scheint still zu stehen, unbedeutend zu werden, obwohl sich doch sogar in diesem Jahr sichtlich viel getan hat. Ein neues kleines Wasserkraftwerk wird gebaut, die Straße am anderen Ufer ist bis auf die letzte Brücke schon fertig und einige neue Häuser sind entstanden, darunter auch das meines Kalash Onkels. Es wird heftig gewerkelt, aber trotzdem, gemächlich und mit dem Lauf der Zeit, so scheint es jedenfalls.
Meine Bedenken, ob meine Kalash-Familie vielleicht gerade gar nicht da ist (Begräbnis, Hochzeit) sind wie weggeblasen, ich bin froh, dass ich nicht gesagt habe dass ich kommen werde. Meine Kalash Mum wäre zu traurig gewesen, wenns nun wieder mal nichts geworden wäre
Die Sonne steht gerade am Horizont, als ich bei der Brücke nach Guru aus dem Pick-up aussteige. Über dem rechten Flussufer erhebt sich das Dorf, teils auf Stelzen gebaut. So filigran es auch aussieht, es hat mehr Erdbeben überstanden als so manches „ordentlich“ gebaute Haus in der Hauptstadt. Die Brücke ist nach wie vor ein Treffpunkt, und bevor ich noch meine Tasche aus dem Jeep ziehen kann fliegt mir schon mein Kalash Vater um den Hals. „May chu, may chu ita ais“ (Meine Tochter, meine Tochter ist gekommen). Er vergisst seinen schmerzenden Fuß und hat Tränen in den Augen. Ich bin mir nicht sicher, ob die nicht vielleicht auch vom Wein kommen, den er meiner Nase nach selbst am frühen Nachmittag schon zur genüge studiert hat, aber die Freude ist sicher echt.
Der Rest der kleinen Versammlung begrüßest mich ebenfalls, aber das hält mich nicht lange. Ich mach mich auf nach Hause. Auf der Mitte der Brücke läuft mir meine Kalash Mama entgegen, mit ausgebreiteten Armen, sie hat wiedermal eine ihrer Vorahnungen gehabt und stand im kalten Winterwetter am Balkon, von wo sie meine Ankunft beobachtet hatte. Nein, nicht beobachtet, wie sie mir gleich erzählt Geahnt, erspäht und los gelaufen ist wohl eher der richtige Ausdruck.
Bis ich nach 5 Minuten beim Haus angelangt bin, ist schon das halbe Dorf versammelt um mich zu begruessen und ihrer Erleichterung Ausdruck zu verleihen, dass ich sie doch nicht vergessen habe. Wie könnte ich?
Der erste Abend vergeht wie im Fluge, mit Geschichten erzählen und natürlich 100 mal dieselbe Frage beantworten: Warum bist du sooo lange nicht gekommen? Was soll ich antworten... Es war ja nicht so dass ich absichtlich nicht gekommen bin. Mal kein Geld, mal kein Visum, mal keine Ferien, mal keine Erlaubnis wegen Sicherheitsvorschriften, mal wegen abgesagten Flügen, mal weil ich meinen Pass verloren hatte... ist auch egal, jetzt hat alles geklappt und wir freuen uns gemeinsam. Auch mein kleiner Kalash Bruder Saed Ali Shah, den ich nun zum ersten Mal sehe. Stimmt nicht ganz, das letzte Mal als ich dort war war er schon eine unübersehbare Rundung im Bauch seiner Mutter. Nach den vielen Telefonate, bei denen er immer laut und verzückt Bella Baba (Baba + Schwester) gerufen hat, stehen wir uns nun erstmals gegen über Ja, stehen, der kleine Bursche ist schon seit dem 10. Monat flink auf den Beinen und nichts ist vor ihm sicher. Er will alles wissen, alles angreifen und immer nur das groesste und gefährlichste Teil, versteht sich doch von selbst. Er weiß ganz genau was er will und wie er es bekommt, dreht alles 10 Mal um damit er sicher keinen Blickwinkel übersehen hat. Ein aufgeweckter, fröhlicher Bursche. Leider ist das nicht immer so. Er hat angeblich Pneumonia, die Aerzte verschreiben Cefixime und sagen: „Wenn er 2 oder 3 Jahre alt ist, gibt es sich von selbst.“
Täglich muss Aya ihm Medizin einfloessen und wenn es zufällig mal aus ist (eine Flasche reicht 1 Woche) und keine neue parat steht, hat der arme Kerl hohes Fieber. Ich nehme mir vor in Islamabad mal ein paar echte Spezialisten zu Fragen und ihn und Aya runter zu holen um einen ordentlichen Check zu machen. 2 Jahre täglich Medizin schlucken kann ja wohl nicht ernst gemeint sein.
Alle paar Minuten geht die Türe auf und Besucher kommen, bringen mir Walnuss-Ketten und getrocknete Weintrauben mit denen ich mir gleich ordentlich den Magen verderbe. Zu viel des Guten ist auch nicht gesund. Spät abends geht wieder die Tür auf, rein kommt irgendjemand, läuft schnurstracks zum Telefon (ja, das Wireless das ich vor 2 Jahren gebracht habe funktioniert immer noch), lässt sich des Langen und Breiten aus und verschwindet genau so grusslos wie er gekommen ist. Aya sieht ihm nur resignierend nach. „Dein Dada (Vater) lässt es zu, was soll ich sagen. Sie sind vom Wald- und Forstschutz, sagen sie halt. Eigentlich trinken sie nur unseren Wein und kassieren fleißig mit wenn jemand Holz schmuggelt.“
Noch ein bisschen später kommt ein Zivilpolizist und sieht nach dem rechten, obs mir auch gut geht – die Buschtrommeln funktionieren scheinbar gut. Ich sage es passt alles, ich brauche keine Wache. Er bleibt ein bisschen, trinkt ein bisschen und verschwindet wieder. Dachte ich. Er schief im Nebenzimmer, weil er zu Fuß von Ayun gekommen war (2-3 Stunden) und nun wars schon zu spät und zu kalt zum heimgehen. Naja, am nächsten Morgen dann halt...
Kurz vorm Bett gehen reibe ich mich noch mit Anti-Flohpulver ein, ich habe gelernt. Dann wickle ich mich in meinen Schlafsack und die Decke, die ich damals gekauft hatte. Sie hat nichts an Wärme verloren und sieht wohl gehütet aus.
Diesen verbringen ich hauptsächlich damit, Arif Ali Shahs (Bruder) neuen Computer, den ich ihm mit Imtiaz Hilfe verschafft habe zu richten. Es gibt eine eigenartige Error-Meldung nach dem Hochstarten, dann tut sich gar nichts mehr. Arif Ali Shah, der noch nicht so bewandert ist, glaubt, dass er das Windows gelöscht hat. Tatsächlich fehlen ein paar wichtige Systemdateien. Ich setze das ganze neu auf (Imtiaz hatte mich vorgewarnt, dass so eine Arbeit möglicherweise anstehen würde, also hab ich meine Programm CDs mitgenommen) Bald – nach Kalash Verhältnissen jedenfalls, da wir des öfteren jemanden die halbe Stunde nach Noshbio schicken müssen, wo das Wasserkraftwerk steht um den Strom wieder einzuschalten, ist das erledigt. In weiser Voraussicht installiere ich auch ein Viren Programm. Der erste Test – Musik von einer Pakistanischen CD zu spielen – scheitert kläglich und bringt gleich auch die Erklärung zur mysteriös verschwundenen Windowsdatei. Ein Virus. NOD (Virenprogramm) beweist sogleich seine Leistung und wir entgehen der Gefahr. Die schwarz gebrannten CDs sind immer ein Problem, irgendwer kopiert sie tausendfach auf seinem PC, auf dem sich höchstwahrscheinlich (wir sind in Pakistan) irgendein Virus eingenistet hat und trägt so zur möglichst weitflächigen Verbreitung bei.
Nun kann Bruederlein wieder getrost schlafen. Aya erzählt mir schmunzelnd, dass mein Bruder schlaflose Nächte verbracht hatte, weil das Geschenk der Angrez-Schwester gleich nach einer Woche unbrauchbar war.
Am Nachmittag spaziere ich ein bisschen durchs Tal, besuche ein paar Bekannte die nicht so gut laufen können, aber eile bald wieder heim um mit Aya weiter zu plaudern. Am Abend mache ich mit dem Lehrer der Schule in Bio aus, am nächsten Morgen hoch zulaufen und die Schule zu besichtigen. Es sind zwar Winterferien bin März in ganz Chitral, aber es wird gut tun das Gebäude stehen zu sehen. Mir ist schon zu Ohren gekommen das ein paar Teile des Wellblechdaches kaputt sind, nun will ich der Ursache auf den Grund gehen.
Der späte Abend ist ganz mir und Aya überlassen, Gonaya (Grossmutter) spinnt Wolle fuer ein spezielles Geschenk an ihre Tochter.
ein paar verspätete Besucher kommen vereinzelt, der Großteil war schon am Vorabend da. Wir tratschen gemütlich über alles, was sich so getan hat, im Ofen lodert das Feuer vor sich hin, der kleine wacht manchmal auf um Milch zu trinken, was ihm Mama auch offen gewährt Meine Schwester ist schon eingeschlafen, auch sie ist ziemlich gewachsen, kein Kind mehr, eher schon ein Fräulein Die Armreifen die ich mitgebracht habe quetscht sie mit Stolz und Seife auf ihre Arme. Ich hatte sie eben etwas kleiner in Erinnerung.
Vor dem schlafen gehen gönne ich mir noch eine Zigarette auf meinem Lieblingsplatz, auf der „Balkon“ Brüstung Der Himmel ist klar, die Sterne scheinen zum greifen nahe. Was für ein Vergleich zu Islamabad, wo man vielleicht Venus und mit viel Glück ein paar Ecken des Großen Wagens erspähen kann. Das Tal liegt ruhig unter der schwarzen Decke der Nacht, der im Winter zum Rinnsal gewordene Fluss gurgelt munter gen Osten. Hie und da sieht man eine Taschenlampe durch die Nacht schneiden, gut zu wissen, dass man immer noch irgendwo beisammen sitzt und Karten spielt oder über die Pläne des nächsten Sommers diskutiert, wenn auch nicht in dem alten Hotel, in dem selbst ich einige lange Abende verbracht hatte. Es wurde zur Madrassa umfunktioniert. Von diesen Dingen sind einige aus dem Boden gewachsen, schnell, effizient und mit sichtbarem finanziellen Nachdruck.
Am Weg hoch zur Schule sehe ich noch einige mehr. Arif Ali Shah und Allah Uddin, der Lehrer den ich bezahle begleiten mich. Eigentlich wollten wir um halb 10 weggehen, wenn die Sonne über die Berggipfel kommt, aber leider hindert eine dicke Wolkendecke jeden Sonnenstrahl am durchkommen. Mit meinem Fleece Gewand unter dem Kalash Kleid wird mir trotzdem ziemlich warm. Oben angekommen werden wir sogleich zum Tee ein geladen, aber ich möchte zuerst die Schule sehen. Sie steht immer noch so schön wie am ersten Tag, das kaputte Blech sieht man nicht auf den ersten Blick. Natürlich hat es sich schon herumgesprochen, dass Azabella Baba da ist, und bald stehen die meisten Dorfbewohner bei der Schule. Ich solle doch bitte das Blech ersetzen.
Auf die Frage warum es dazu überhaupt gekommen ist (ich denke an Naturkatastrophe, schlechte Qualität, Schnee) kommt eine einleuchtende Antwort: „Die Ziegen haben es kaputt gemacht.“
Ach ja, genau.. und wer lässt die Ziegen aufs Dach? Niemand, die gehen ganz von selber rauf.
Das Problem ist das nebenstehende Haus, von dessen Dach sie ganz einfach Ratgeber klettern können Sie sind ja nicht umsonst Ziegen. Zirka 2m ist der Zugang breit. Ich beratschlage mir den Dorfbewohnern. SchließlichSchliesslich will ich ja nicht jedes Jahr das Dach ausbessern.
Wir beschließen, dass der Eigentümer der Ziegen eine Barrikade aus Holz aufstellt. Wenn diese fertig ist, wird mir Allah Uddin Bescheid geben. Dann schicke ich das Geld für das Blech – nicht vorher und zum letzten Mal.
Alle sind einverstanden, mal sehen obs wirklich so funktioniert.
Dann gibt’s natürlich noch Tee und Walnussbrot, getrocknete Trauben und Wein für den Lehrer. Ich erinnere mich noch gut an die Reaktion meines Magens auf den sauren Alkohol und erspare mir das Ergebnis.
Am Weg zurück spreche ich noch mit einer jungen ambitionierten Kalash Frau, die nach dem Abschluss ihrer Matrics nun ein „Fernstudium“ macht. Sie ist die erste des Dorfes mit so hoher Bildung. Ihr Wunsch ist es Lehrerin zu werden. Die Schule braucht dringend noch eine Hilfe, mittlerweile sind es schon 75 Studenten ohne die neuen fürs nächste Schuljahr. Ich plaudere ein bisschen mit ihr und habe einen ganz guten Eindruck, sie kann zumindest die Kleinen unterrichten für ein ebenso kleines Anfangsgehalt. Ich muss mir das Ganze noch durch den Kopf gehen lassen, aber an sich ist es eine gute Lösung Dann können sie auch eine 5. Klasse starten und bekommen vielleicht endlich einen Schulwartposten zuerkannt.
Am Heimweg spreche ich noch mit den Hebammen, die wir im Chitral Spital ausgebildet hatten. Es geht langsam vorwärts und ich ermuntere sie ein wenig.
Eigentlich hatte ich den Plan, am Samstag frühmorgens direkt zum Flughafen zu fahren – ein guter Freund hat das Ticket buchen für mich übernommen – aber es fängt an zu schneien. Wunderschön, aber ziemlich gefährlich für meinen Plan. Am Montag muss ich ja wieder arbeiten. Ich hoffe also auf eine gute Straße am Morgen. Wenn ich im Tal eingeschneit werde wird auch das Telefon nicht funktionieren... dann kann ich es mir abschminken mein Flugticket irgendwie zu organisieren. Als ob er es geahnt hätte taucht plötzlich Imtiaz auf. Eigentlich hätte er früher kommen wollen, aber seine Kupplung hatte sich verabschiedet. So konnte er erst am späten Nachmittag los und wollte mich am Morgen zum Flughafen bringen.
Als der Schneefall heftiger wird, entscheiden wir kurzum, gleich loszufahren. Noch ist der Weg gut. Schweren Herzens verabschiede ich mich also wieder von meiner Kalash Familie, die mich gar nicht so recht ziehen lassen will, rolle meinen Schlafsack ein, packe Tonnen weise Nüsse und Trockenfrüchte in meine Tasche und los geht’s. Auf nach Chitral.
Die nächtliche Fahrt ist kurzweilig, wenn auch zeitlich lange. Ich plaudere mit Imtiaz und gegen 23 Uhr erreichen wir die Tourist Lodge, wo er mich absetzt, nicht ohne vorher noch für Holz zum heizen im Zimmer gesorgt zu haben.
Ich schlafe bald, und hoffe auch gutes Flugwetter für Samstag. Leider wird mir der Wunsch nicht erfüllt Der Wetterbericht ist niederschmetternd – 1 Woche Schneefall. Wir spekulieren über den Tunnel, der in den nächsten paar Tagen angeblich fertig werden soll – zumindest zu Fuß sollte man ihn sehr bald durchqueren können Ich marschiere am Morgen in die Bibliothek, grabe mich durch einige wenige verstaubte Englische Bücher und schlussendlich eine Sidney Sheldon Sammlung. Damit klettere ich hoch aufs Dach der Tourist Lodge und lese in strahlendem Sonnenschein, wohlbehuetet vom Schnee bedeckten Tirich Mir. Wo ist das schlechte Wetter? Sehr gut! Ich habe Hoffnung für Sonntag. Ein Flugticket zu ergattern ist einfacher gesagt als getan. Seit langem sind alle Straßen blockiert, selbst die Alternativ-Route für Einheimische über Afghanistan wurde wegen politischer Problemchen gesperrt, Helikopterfluege gibt es aus gleichem Grunde nicht. Flüge werden des Öfteren abgesagt, alle stecken fest, hunderte wollen oder müssen in den Süden Gut dass ich Freunde habe, ohne die kommt man in Pakistan nicht weit. Nicht mal zum Ticketschalter. Eigentlich sind alle Flüge bis Mitte Januar voll ausgebucht.
Am Nachmittag, als die Sonne sich hinter den Bergen versteckt und ich mich mit meinem Buch ins wohlig warme Esszimmer setze, in dem ein Feuer lodert, kommt mein Ticket-Engel mit der frohen Botschaft. Falls es morgen Sonntag zwei Flüge gibt, wirst du drin sitzen. Wunderbar!
Das Wetter hält gegen jeden pessimistischen Wetterbericht und um 8 Uhr höre ich die ATR über meinen Kopf donnern, der erste wäre geschafft. Kurz vor 10 kommt der Anruf, mach dich auf den Weg zum Flughafen, der 2. Flug ist angekündigt
Es ist ein bisschen frisch draußen, aber mit meiner Daunenjacke, die der Manager der Tourist Lodge über ein Jahr für mich aufgehoben hat, seit ich sie damals vergessen hatte, kann mir die Kälte nichts anhaben.
Das Wetter straft jeden Bericht lügen, die Sonne strahlt vom wolkenlos blauen Himmel und lässt die Schnee bedeckten Berggipfel wie Diamanten glitzern. Ein Bilderbuch Tag.
Es kommt noch besser. Es ist so klar, dass ich hoch aus der Luft am Horizont sogar Nanga Parbat erspähen kann, zumindest rede ich mir das ein. Sonst gibt’s keinen so hohen Berg in Richtung Nord-Westen, auch wenn dieser 150km entfernt am Karakoram Highway liegt. Noch nie zu vor hatte ich so klare Sicht.
Mit diesem schönen Abschiedsgeschenk von Chitral kann ich nun wieder frohen Herzens an die morgige Arbeit denken.